Ist das die Rache der „kleinen Erbsen“, als die Nicolas Sarkozy die Juristen einst verunglimpft hat? Obwohl selbst ausgebildeter Anwalt, behandelte er sie zur Zeit seiner Präsidentschaft mit süffisanter Herablassung. Seit er seine Immunität verloren hat, hängt er von der Justiz ab. Sie ermittelt in mehreren Affären, in die er verwickelt ist. Meist geht es dabei um illegale Wahlkampffinanzierung. Verdächtigungen gab es schon länger, sein Vorgänger Jacques Chirac wurde sogar wegen eines Systems fiktiver Jobs verurteilt.
Doch noch nie kam ein französischer Ex-Präsident in Polizeigewahrsam – Sarkozys gestriges Verhör bei der Anti-Korruptionspolizei im Pariser Vorort Nanterre war eine Premiere. Zu Jahresbeginn war herausgekommen, dass eines seiner Handys, das er unter einem anderen Namen für Gespräche mit seinem Anwalt Thierry Herzog angemeldet hatte, monatelang abgehört worden war. Dies führte zu einem Ermittlungsverfahren wegen Bestechung und Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses. Vorgeworfen wird dem 59-jährigen Ex-Staatschef, sich über einen hochrangigen Staatsanwalt, Gilbert Azibert, illegal Informationen über ein laufendes Verfahren beschafft und diesem im Gegenzug einen Posten in Monaco versprochen zu haben.
Auch Azibert, ein weiterer Topjurist und Anwalt Herzog kamen in Polizeigewahrsam. Bei dem Ermittlungsverfahren geht es um den Verdacht, der libysche Ex-Machthaber Muammar al-Gaddafi habe Sarkozy 2007 millionenschwere Wahlkampf-Hilfe geleistet. Dabei wurden Sarkozys Terminkalender beschlagnahmt, die einen regelmäßigen Kontakt mit dem Geschäftsmann Bernard Tapie verrieten. Dieser bekam unter Sarkozy in einem umstrittenen Schiedsverfahren eine Entschädigungszahlung in Höhe von 403 Millionen Euro aus Steuergeldern zugesprochen.
Im Visier stand der Ex-Präsident zudem wegen des Verdachts, er habe die Altersschwäche der L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt ausgenutzt, um seinen Wahlkampf 2007 illegal von der Milliardärin sponsern zu lassen. Mangels Beweisen wurden die Ermittlungen aber eingestellt. Ebenfalls nicht erwiesen ist seine Verwicklung in den Skandal um getürkte Abrechnungen seiner Wahlkampagne 2012, die seine bürgerlich-rechte Partei UMP erschüttert.
Auch wenn seine Schuld in keiner der Affären nachgewiesen ist, so wirft deren Häufung ein ungünstiges Licht auf Sarkozy und bedrohen seine Comeback-Pläne für die Wahlen 2017. Wenn im Herbst ein neuer Parteivorsitzender gewählt wird, wäre das Sarkozys letzte Chance, die UMP wieder in seine Hand zu bringen, die seit seiner Wahlniederlage von Richtungsstreitigkeiten gebeutelt wird. Zumindest unter den Stammwählern hat er viele Anhänger bewahrt. Diese tun die Ermittlungen gegen ihr Idol als Komplott ab. Für andere ist es ein Anzeichen der Unabhängigkeit der Justiz, auch gegen einen früheren Staatschef zu ermitteln – ob er sie als „kleine Erbsen“ bezeichnet hat oder nicht.