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BERLIN/DRESDEN: NPD mit gewaltbereiten Neonazis vernetzt

BERLIN/DRESDEN

NPD mit gewaltbereiten Neonazis vernetzt

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    Im Blick der Polizei: Nachdem mehrere gewaltbereite „Kameradschaften“ verboten wurden, gibt es in der rechten Szene immer mehr „freie Kräfte“.
    Im Blick der Polizei: Nachdem mehrere gewaltbereite „Kameradschaften“ verboten wurden, gibt es in der rechten Szene immer mehr „freie Kräfte“. Foto: Foto: dpa

    Die Mordserie einer Gruppe von Neonazis hat die rechtsextremistische NPD in Bedrängnis gebracht. Der neue Parteichef Holger Apfel wittert ernste Gefahr, denn die Gewalttaten der braunen Szene liefern den Befürwortern eines NPD-Verbots weitere Munition.

    In seinem ersten Rundschreiben an die Mitglieder nach seiner Wahl im November bemühte sich Apfel um Distanz. Er sprach von „durchgeknallten Mördern“ und dem Versuch politischer Gegner, „die NPD in die Nähe zu bisher nicht einmal einwandfrei zuzuordnenden kriminellen Handlungen Einzelner zu rücken, um abwegige Verbotsgründe zu konstruieren.“

    Doch nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden ist die Partei schon lange vernetzt mit gewaltbereiten Neonazis. Erst kürzlich hielt Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) der NPD vor, einem verurteilten Gründungsmitglied der 2001 verbotenen „Skinheads Sächsische Schweiz“ zu einer Stelle als Fraktionsmitarbeiter verholfen zu haben. Die Partei sitzt seit 2004 mit Apfel als Fraktionschef im Dresdner Landtag.

    Seit Jahren beobachten Verfassungsschützer, dass sich die Neonazi-Szene zunehmend in kleinen Gruppen organisiert. Statt straff strukturierter Kameradschaften gibt es immer mehr sogenannte freie Kräfte, Gruppen in der Regel mit bis zu 15 Mitgliedern.

    Handy und Internet sorgen für Kontakt im übergreifenden „Freien Netz“. Mit diesem Wandel reagierte die Szene auf Verbote gewalttätiger Kameradschaften wie „Skinheads Sächsische Schweiz“ oder in Berlin „Frontbann 24“ mit schätzungsweise bis zu 120 Mitgliedern.

    In einzelnen Bundesländern geht der Einfluss dieser militanten Szene auf die NPD sehr weit. In Berlin etwa sei die NPD ohne die „freien Kräfte“ kaum noch in der Lage, sich in der Öffentlichkeit darzustellen, berichtet Innensenator Ehrhart Körting (SPD).

    Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes wird die NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten an der Spree bereits vollständig von gewaltbereiten sogenannten Autonomen Nationalisten kontrolliert, die bei rechtsextremistischen Demonstrationen oft nach dem Vorbild der linken Szene in „schwarzen Blöcken“ aufmarschieren. Auch in den NPD-Landesvorstand rückten Hauptakteure aus diesen losen Zusammenschlüssen der Berliner Neonazi-Szene ein.

    Mecklenburg-Vorpommerns NPD-Fraktionschef Udo Pastörs, der mittlerweile auch im Bundesvorstand seiner Partei sitzt, sagt ganz offen, dass die NPD auf „freie Kräfte“ nicht verzichten könne. Man brauche sie etwa als Wahlkampfhelfer.

    Für Bernd Wagner, den Gründer der Aussteigerinitiative Exit in Berlin, gibt es schon lange keine Zweifel mehr: „NPD und freie Kräfte – das sind eineiige Zwillinge, die sich gegenseitig das Geschäft besorgen.“ Exit hat nach eigenen Angaben seit der Gründung vor elf Jahren mehr als 300 Rechtsextremisten beim Ausstieg aus der braunen Szene geholfen.

    Nach dem Sturz seines Vorgängers Udo Voigt möchte Apfel seiner Partei einen seriöseren Anstrich geben. Er verhehlt aber nicht, dass seine Partei mit den „freien Kräften“ weiter „konstruktiv“ zusammenarbeiten werde.

    Apfel spricht von „Nachwuchsrekrutierung“, und damit hat die Partei offensichtlich Erfolg. Maik Scheffler etwa, der als ein Gründer des rechtsextremen „Freien Netzes“ in Sachsen gilt, ist mittlerweile Vize-Chef der NPD im Freistaat.

    Auf keinen Fall scheinen Gewalttaten ein Hindernis für eine Karriere in der NPD zu sein. Dafür steht etwa der Thüringer Patrick Wieschke. Er wurde als Anstifter eines Sprengstoffanschlags im August 2000 auf einen Imbiss in Eisenach zu einer Haftstrafe verurteilt. Vor zwei Wochen rückte der Funktionär als Organisationsleiter in den NPD-Bundesvorstand ein.

    Unterdessen spricht sich eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung nach dem neuen ZDF-„Politbarometer“ für ein Verbot der rechtsextremen NPD aus. 77 Prozent sind dafür und 19 Prozent dagegen, teilte das ZDF am Freitag mit. An der repräsentativen Umfrage nahmen 1276 Wahlberechtigte teil.

    Den Einsatz von V-Leuten, die für den Verfassungsschutz gegen Bezahlung Informationen aus dem rechtsextremen Lager beschaffen, halten 55 Prozent für richtig und 36 Prozent für falsch. 59 Prozent halten den Vorwurf für berechtigt, dass der Verfassungsschutz weniger entschieden gegen Rechtsextremisten als gegen andere Extremisten vorgehe.

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