Von seinem Zimmer im Franziskanerkloster Santa Croce an der Demarkationslinie im geteilten Nikosia konnte Papst Benedikt XVI. hinübersehen in den türkisch kontrollierten Norden Zyperns. Von dort flohen vor fast 36 Jahren rund 150 000 griechische Zyprer vor der türkischen Invasionsarmee. Hunderte christliche Kirchen im Inselnorden wurden geplündert, die Gebäude verfallen oder werden als Ställe und Scheunen benutzt.
Aber das geteilte Zypern, das war schon vor der Ankunft des Papstes auf der geteilten Insel klar, war nicht das Thema dieses Besuchs. Zypern ist nur die Bühne. Benedikts Blick richtet sich auf den Nahen Osten und die schwierige Situation der Christen in der von Kriegen und Konflikten zerrissenen Region. Im Oktober sollen etwa 150 Bischöfe aus dem Nahen Osten zu einer Synode im Vatikan zusammenkommen.
Vor allem der Vorbereitung dieses Treffens diente der Papstbesuch in Zypern, zu dem zahlreiche katholische Geistliche aus der Region angereist waren. Etwa 17 Millionen Christen leben in den Ländern des Nahen Ostens – und „leiden für ihren Glauben“, wie der Papst am Sonntag während einer Messe in Nikosia sagte. An dem Gottesdienst nahmen etwa 10 000 Menschen teil, unter ihnen viele Pilger aus Syrien, Jordanien und dem Libanon.
In vielen Ländern des Nahen Ostens stehen die Christen nicht nur zwischen den Fronten religiöser und ethnischer Konflikte. Eine zunehmende Bedrohung sei auch das Erstarken des „politischen Islam mit seinen extremistischen Strömungen“, heißt es in einem Arbeitspapier, das zum Abschluss des Papstbesuchs veröffentlicht wurde.
In einem Appell an die Weltgemeinschaft forderte Benedikt „eine gerechte und dauerhafte Lösung dieser Konflikte, die so viel Not bringen“. Viele tausend Christen haben die Länder das Nahen Ostens in den vergangenen Jahren wegen der politischen Instabilität, aber auch aus wirtschaftlicher Not verlassen.
Zyperns erzkonservative und nationalistische orthodoxe Kirche steht den Bemühungen um eine Lösung der Zypernfrage skeptisch bis ablehnend gegenüber. Sie war eine der treibenden Kräfte hinter dem Nein der Inselgriechen zum Vereinigungsplan des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan im Jahr 2004. Der Papst war sichtlich bemüht, das heikle Thema zu meiden.
Den türkisch kontrollierten Inselnorden besuchte Benedikt nicht, zur großen Genugtuung seiner griechisch-zyprischen Gastgeber. Sie wollen den Inselnorden politisch und wirtschaftlich isolieren und wittern hinter jedem Besuch eines Staatsgastes im Inselnorden eine Aufwertung der nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“. Neue Impulse für die festgefahrenen Wiedervereinigungsgespräche der beiden Volksgruppenführer oder gar ein Brückenschlag waren von dem Papstbesuch ohnehin nicht zu erwarten. Ganz ausblenden konnte Benedikt die Realität der Inselteilung aber nicht.
Und so kam es am Sonntag wenigstens zu einer flüchtigen inszenierten Begegnung mit einem türkischen Zyprer: vor der Heiligkreuzkirche traf der Papst mit Scheich Nazim zusammen. Der 89-Jährige ist der Führer einer bedeutenden muslimischen Bruderschaft. Das im Stehen geführte Gespräch der beiden Geistlichen habe „etwa drei bis vier Minuten“ gedauert, teilte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi mit. Es endete mit einer Umarmung und dem beiderseitigen Versprechen: „Ich bete für Sie, und Sie beten für mich.“
Das Arbeitspapier der Synode
Papst Benedikt XVI. will die christliche Minderheit im Nahen Osten stärken und die Friedensbemühungen in der Region voranbringen. Die für den Herbst geplante Nahost-Synode soll nach dem Willen des Kirchenoberhaupts den vielfach in ihrer Existenz bedrohten Christen Mut machen, gleichzeitig aber auch Missstände innerhalb der Kirchen sowie in islamischen Ländern und in Israel aufzeigen. Das mit Spannung erwartete 40-seitige Arbeitspapier der vom 10. bis 24. Oktober im Vatikan tagenden Nahost-Synode beklagt, dass Israel Kritik an seiner Politik im Umgang mit den Palästinensern mit Antisemitismus gleichsetzt und damit versucht, unwirksam zu machen. Die israelische Besetzung von Palästinensergebieten brandmarkt das Dokument offen als „politisches Unrecht“. Text: epd