(dpa/epd) Sie bangen um ihre Zukunft und tragen ihre Wut auf die Straße: Die Protestbewegung „Occupy Wall Street“ („Besetzt die Wall Street!“) startete vor etwa einem Monat in New York – nun sollen auch in Deutschland nach dem US-Vorbild Massen an Studenten, Arbeitslosen und anderen Systemkritikern mobilisiert werden.
An diesem Samstag sind weltweit in etwa 1000 Städten Proteste geplant, in Deutschland sind es mehrere Dutzend. Ihre Enttäuschung über soziale Schieflage und Perspektivlosigkeit wollen Demonstranten auch vor dem Bundeskanzleramt in Berlin oder vor der Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt zum Ausdruck bringen.
In New York begann der Protest mit einer Gruppe junger Leute in einem Park nahe der Wall Street. Dort campieren sie seither und fordern eine stärkere Beteiligung der Banken an den Kosten der Finanzkrise. Zu Demos kamen Tausende. „Wir sind die 99 Prozent, die die Gier und Bestechung des einen Prozents nicht mehr hinnehmen wollen“, heißt es in Aufrufen in Anspielung auf das reichste Prozent der US-Bevölkerung. Die Bankenmacht solle beschnitten und das Sozialsystem verbessert werden. In Deutschland reihen sich linke Gruppen in den Protest ein. Die Initiative „Echte Demokratie Jetzt“ fordert beispielsweise eine Verstaatlichung von Banken und den Rücktritt der Bundesregierung. Auch die Globalisierungskritiker von Attac sind dabei. Der Organisator der Leipziger Kundgebung, Mike Nagler, fordert mehr direkte Demokratie: Die Politik habe schon längst die Kontrolle über den Finanzsektor verloren, das müsse sich ändern.
Kann die Protestbewegung dauerhaften Erfolg haben? Der Soziologe Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung sieht das skeptisch. Die Rahmenbedingungen für ein Herüberschwappen der „Occupy“-Protestwelle nach Deutschland seien zwar günstig. „Es gibt eine massiv verbreitete Unzufriedenheit in der Bevölkerung“, sagt Rucht. Zudem seien die Protestaktionen in Deutschland recht professionell von Gruppen wie Attac mitorganisiert. Aber: Es fehle ein klarer Adressat für die Empörung.
In den USA biete sich die Wall Street als Ziel der Wut an. In Deutschland gebe es aber keine eindeutigen symbolischen Orte, die von Menschenmassen „belagert“ und zum Zentrum der Proteste werden könnten, sagte Rucht. Insgesamt würden die Proteste in Deutschland wohl nicht Dimensionen wie in den USA erreichen.
Der CDU-Politiker Heiner Geißler unterstützt den geplanten Protest. Die Europäische Zentralbank (EZB) maße sich politische Entscheidungen an, die ihr nicht zustünden, sagte Geißler am Freitag. Geißler kritisierte, es sei nicht die Aufgabe der EZB, Staatsanleihen aufzukaufen und somit Investitionspolitik zu betreiben: „Diese Entscheidungen werden gefällt ohne jede demokratische Legitimation, ohne dass das Europäische Parlament oder gar die EU-Kommission daran beteiligt wären.“