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PARIS: Rauswurf von Frau mit Vollschleier

PARIS

Rauswurf von Frau mit Vollschleier

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    Für das Paar aus einem der Golfstaaten war die Aufführung von Verdis „La Traviata“ in der Pariser Bastille-Oper wohl eine unvergessliche Vorstellung – wenn auch nicht aus musikalischen Gründen. Bis zum Ende sahen die beiden die Aufführung nämlich nicht. Weil die Frau einen Nikab trug, also einen islamischen Ganzkörperschleier, der bis auf die Augen auch das Gesicht vollständig verdeckt, wurden sie und ihr Begleiter während der Darbietung gebeten, das Konzerthaus zu verlassen.

    Seit 2011 gilt in Frankreich ein Burka-Verbot, das die Vollverschleierung von Frauen, auch Touristinnen, im öffentlichen Raum mit einer Geldbuße von 150 Euro oder einem Pflichtkurs in Staatsbürgerkunde belegt. Männern, die ihre Frau zum Tragen der Burka oder des Nikab zwingen, droht sogar eine Geldbuße von bis zu 60 Euro und eine Haftstrafe. Angewendet wurde das Gesetz bislang nur sehr selten – in der Oper noch nie.

    Dort bemüht man sich, den Vorfall nicht aufzubauschen, der sich Anfang Oktober zugetragen hat und erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangte. Die vollverschleierte Frau in der ersten Reihe sei groß auf allen Bildschirmen im Zuschauerraum zu sehen gewesen, heißt es. Eine der Chorsängerinnen habe ihn während des zweiten Aktes darauf hingewiesen, sagt der stellvertretende Opern-Direktor Jean-Philippe Thiellay. „Mir gefällt es nicht, Zuschauer zum Verlassen eines Aufführungssaals aufzufordern, wo man im Prinzip für Offenheit und Verständnis eintritt“, erklärt er. „Aber so ist das Gesetz, und wir sind ein öffentlicher Dienst.“

    Ein Opern-Mitarbeiter habe nicht direkt mit der Frau sprechen können und daher ihren Mann gebeten, entweder den Nikab abzunehmen oder zu gehen. Dieser habe sofort eingewilligt, „ohne jede Provokation“ und die Vorstellung zu stören. Um eine Rückerstattung der Karten bat das Paar nicht – trotz des Preises von 231 Euro pro Platz.

    Das Kulturministerium schickte im Anschluss einen Hinweis an die Pariser Opernhäuser Bastille und Garnier für den Umgang mit solchen Situationen: Das Empfangspersonal solle bei der Ticketkontrolle aufmerksamer sein, das geltende Gesetz, zugleich aber auch „strikte Höflichkeit“ anwenden. Französischen Medien zufolge versucht die Pariser Oper seit einiger Zeit mit Erfolg, gezielt vermögende Touristen aus dem arabischen Raum anzusprechen: Demnach sei deren Nachfrage gerade nach den teuersten Plätzen stark angestiegen.

    Reiche Touristinnen aus den Golfstaaten waren ursprünglich nicht die Zielgruppe für das Burka-Verbot, das Frankreich 2010 als erstes europäisches Land (Belgien folgte) beschloss und das seit 2011 gilt. Vielmehr hatte die damalige konservative Regierung unter Nicolas Sarkozy Härte gegenüber Muslimen, denen sie mangelnden Integrationswillen vorwarf, demonstrieren und nicht zuletzt den Aufstieg des rechtsnationalen Front National bremsen wollen. Rechtspopulistin Marine Le Pen ist inzwischen so stark wie nie zuvor.

    Die Trennung von Kirche und Staat in Frankreich

    Seit 1905 herrscht in Frankreich die strikte institutionelle Trennung von Kirche und Staat (Laizismus oder Laizität): Religiöse Auffassungen gelten als Privatsache. Kirchliche Institutionen werden zwar anerkannt, aber nicht bezuschusst. Ausgenommen von dieser Regelung sind das Elsass und das Département Moselle in Ostfrankreich, die 1905 nicht zu Frankreich gehörten und deren Bewohner sich nach der Rückkehr 1919 gegen den Laizismus entschieden. Seit 2004 dürfen in Schulen keine auffälligen religiösen Zeichen wie Schleier, Kreuze oder Kippa getragen werden; für Unis gilt dies nicht. Als erstes europäisches Land führte Frankreich 2011 das Burka-Verbot ein, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Juli für rechtens erklärte. Text: BH

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