Dass etwas geschehen muss, ist allen klar. Denn ohne Gegensteuern, das steht fest, wird Altersarmut in Deutschland dramatisch zunehmen. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat die Nation geschockt mit Berechnungen, nach denen selbst Normalverdiener mit heute 2500 Euro in 35 Jahren mit ihrer Rente am Existenzminimum landen. Es sei denn, sie sorgen noch selber vor. „Renten-Angst“ macht seither bei Millionen Bürgern die Runde.
Es sollte ein Warnruf sein – und Druck machen für ihren Plan, Niedrigverdienern später einmal mit einem Rentenzuschuss bis auf maximal 850 Euro den Gang zum Sozialamt zu ersparen. Profitieren sollen die, die lange Vollzeit gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben. Wer die Zuschussrente will, muss am Ende aber auch zusätzlich fürs Alter vorgesorgt haben. Das ist von der Leyens Konzept, und sie sieht derzeit kein besseres. Rechnen Sie hier Ihre persönliche Rente aus.
Doch es hagelte Kritik von allen Seiten. Die Parteifreunde und der Koalitionspartner FDP fühlten sich überrumpelt und erpresst. Dabei hatte von der Leyen das Konzept mehr als ein Jahr intern mit den Fachleuten der Koalition diskutiert und teilweise abgestimmt. Die Spitze der Union äußerte unüberhörbar Unmut. Die FDP bemängelt, dass Altersarmut mit Beitragsgeldern der Rentenkasse bekämpft werden soll.
Lösung vor der Bundestagswahl
Dass die Kanzlerin von der Leyen „das volle Vertrauen“ ausspricht, deutet darauf hin, dass sie ihre Arbeitsministerin ein Jahr vor der Bundestagswahl nicht fallen lassen will. Angela Merkel und Unionsfraktionschef Volker Kauder loben gar, dass die Arbeitsministerin ein wichtiges Thema vorantreibt. Manche werten dies als vergiftetes Lob, denn die CDU-Spitze betrachtet das Konzept von der Leyens als unzureichend. Das Problem der Altersarmut müsse umfassend und systematisch gelöst werden.
Um den Konflikt aufzulösen, setzt der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer nun auf eine parteiübergreifende Lösung. Und zwar noch vor der Bundestagswahl 2013. „Das Thema liegt jetzt auf dem Tisch, und es wird in den nächsten Monaten nicht einfach in die Schublade zu legen sein“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Je bessere Antworten man darauf findet, desto wahrscheinlicher ist es, dass es dann nicht ein Mittelpunktthema des Wahlkampfes wird.“
Seehofer weiter: „Es gibt, wie ich finde, eine nicht schlechte Tradition in Deutschland, zu versuchen, die Fragen der Sicherung im Alter immer über die Parteigrenzen hinweg zu lösen.“ Vorbildhaft praktiziert wurde das in den 90er Jahren vom ehemaligen Arbeits- und Rentenminister Norbert Blüm (CDU) und seinem SPD-Gegenspieler Rudolf Dreßler.
Von der Leyen räumt inzwischen ein, dass ihr Konzept der Zuschussrente nur einen kleinen Teil des Rentenproblems lösen kann. Sie verstehe, wenn die Kanzlerin diesen Teil auf zehn Prozent beziffere. Diese zehn Prozent seien aber „der erste, dringendste Schritt“. Die anderen 90 Prozent könnten danach „in einer größeren Dimension“ angegangen werden. „Das geht nicht innerhalb von Wochen, das sehe ich ein“, sagte von der Leyen.
Entscheidung bis Oktober?
Dass die SPD wie früher bereit ist, der Koalition aus der Patsche zu helfen, ist mit Blick auf den Bundestagswahlkampf zu bezweifeln. Zumal die Union das schon im Koalitionsvertrag aufgelistete Problem Altersarmut sehr lange schleifen ließ. Die verfahrene Situation ist somit auch selbst verschuldet. Jetzt läuft der Regierung die Zeit davon. Die Kanzlerin signalisiert, dass sich die Koalition, wie von von der Leyen gefordert, bis Ende Oktober grundsätzlich entscheidet.
Dabei geht die Ministerin dem Vernehmen nach davon aus, dass ihr Konzept doch noch Zustimmung findet. Reden lassen will sie mit sich über den Weg, nicht jedoch über das Ziel. Für Alternativen sei sie offen, lässt sie durchblicken, sofern diese zielgenau und bezahlbar seien.