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BRÜSSEL: Ruft die NATO den Bündnisfall aus?

BRÜSSEL

Ruft die NATO den Bündnisfall aus?

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    „Den Vorfall nicht hinnehmen“: Flagge der NATO über der Kommandozentrale im belgischen Casteau.
    „Den Vorfall nicht hinnehmen“: Flagge der NATO über der Kommandozentrale im belgischen Casteau. Foto: Foto: dpa

    So viel Lob hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan lange nicht von den Europäern zu hören bekommen. „Bundesaußenminister Guido Westerwelle lobte am Montag den „besonnenen Kurs“, den die Regierung der Türkei seit dem Abschuss ihres Militärjets durch die syrische Luftabwehr fahre. Sein britischer Kollege William Hague nannte die Reaktion aus Ankara sogar „beachtlich“. Einen Tag vor der Dringlichkeitssitzung des NATO-Rates in Brüssel bemühten sich die Außenminister der EU in Luxemburg um „Deeskalation“ (Westerwelle). „Ein militärisches Eingreifen steht außer Frage“, sagte der niederländische Außenamtschef Uri Rosenthal. Und auch Hague selbst, der die humanitäre Katastrophe in Syrien schon einmal mit dem Genozid in Bosnien verglichen hatte, mühte sich auffallend, nicht als Kriegstreiber zu erscheinen. „Es geht hier nicht um eine neue Phase in der Syrien-Krise. Aber wir können den Vorfall nicht hinnehmen.“

    Die EU setzte am Montag eine weitere Person aus dem Außenministerium in Damaskus sowie vier Unternehmen aus dem Telekommunikationsbereich auf die schwarze Liste. Insgesamt wurden bisher 120 Personen mit einem Einreiseverbot in die Gemeinschaft belegt. Geschäfte mit rund 50 Firmen und Institutionen sind untersagt.

    In Brüssel rätselte man am Montag, welche Absicht die Türkei mit dem NATO-Treffen am heutigen Dienstag verfolgt. Zwar bedeutet die Aufforderung zu einer Sitzung der Botschafter aller 28 Staaten der Allianz sozusagen den Eintritt in die Prozedur, die mit dem Bündnisfall nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages enden könnten. In diesem Fall würden sich alle zum Beistand verpflichten. Ob das auch Waffengewalt einschließt, kann jede Regierung selbst entscheiden. Offiziell hieß es aus NATO-Kreisen am Montag nur, dass der Vertreter Ankaras „Informationen über den Vorfall präsentieren“ wird. Inzwischen steht nämlich fest, dass der Abschuss des Jagdbombers nicht der einzige aggressive Akt war. Als kurz darauf ein Suchflugzeug der türkischen Luftwaffe nach dem vermissten Jet und den beiden Piloten suchte, wurde er ebenfalls von syrischem Radar erfasst und musste abdrehen. Im militärischen Hauptquartier des Bündnisses gibt man sich „empört“. Vor allem die US-Vertreter bei der Allianz fordern entschlossen eine „deutliche Antwort“.

    Wie diese aussehen könnte, blieb gestern unklar. Ein erster Appell gegen unbedachte Reaktionen kam aus dem Pekinger Außenministerium. „Wir hoffen, dass die maßgeblichen Beteiligten Ruhe bewahren und die Angelegenheit auf diplomatischem Wege beilegen“, sagte ein Sprecher. Moskau, Syriens Waffenlieferant und wichtigste Stütze gegen den internationalen Druck, schwieg.

    Der NATO-Bündnisfall

    Der gegenseitige Beistand, den die 28 NATO-Staaten einander versprochen haben, ist in den Artikeln 4 und 5 des Nordatlantikvertrages festgelegt. Falls ein Mitglied der Allianz fürchtet, dass „die Unversehrtheit des Gebietes, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit“ bedroht ist, kann er alle anderen zu „Konsultationen“ einladen (Art. 4). Sollte bei diesen Gesprächen „vereinbart“ werden, dass „ein bewaffneter Angriff“ als „Angriff gegen alle“ gesehen wird, tritt der sogenannte Bündnisfall (Art. 5) in Kraft. Darunter wird unter Bezug auf Artikel 51 der UN-Charta das „Recht der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung“ sowie der „Beistand“ verstanden, den alle anderen dem angegriffenen Staat leisten. Konkret: „Jeder trifft unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien eine Entscheidung über die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, die für erforderlich gehalten werden, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebietes wiederherzustellen und zu erhalten.“ Entscheidend: Vor einem Gegenschlag muss der Weltsicherheitsrat eingeschaltet werden. Sobald dieser Schritte zur Herstellung des Friedens eingeleitet hat, müssen die Aktionen eingestellt werden. Wenn der Bündnisfall ausgerufen wird, kann jedes Mitglied entscheiden, ob es sich an einem Einsatz mit Waffengewalt beteiligen will oder nicht. Text: Drewes

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