Viel Lärm gibt es um Gebührenforderungen der GEMA für das Singen im Kindergarten. Einen ruhigen Schlussakkord wünschen sich nicht nur Erzieherinnen und Politiker, sondern auch diejenigen, denen die Gebühren zugute kommen: Kinderliedermacher.
Sauer aufgestoßen waren Hans Jürgen Fahn, Landtagsabgeordneter der Freien Wähler aus Erlenbach am Main, die Gebühren, die die Tagesstätten für Notenkopien zahlen sollen. Er fragte im bayerischen Sozialministerium nach Lösungsmöglichkeiten für das Problem und erfuhr, dass ein Rahmenvertrag geplant ist.
Das ist auch im Sinne von Margit Sarholz und Werner Meier. Die beiden aus Ottenhofen (Lkr. Erding) machen Kinderlieder. Freilich, es werde viel wild kopiert und aus dem Internet runtergeladen, sagen sie. Es sei an der Zeit, bewusster mit dem Urheberrecht umzugehen. „Diesen unsensiblen Vorstoß der VG Musikedition, noch dazu mit der GEMA als Inkasso-Instanz, halten wir aber für einen ausgemachten Unsinn.“
Für die Verwertungsgesellschaft Musikedition bietet die GEMA, die die Urheberrechte von Komponisten und Autoren vertritt, jedem Kindergarten einen Vertrag für Notenkopien an. Bis 500 Kopien kosten 56 Euro plus Mehrwertsteuer. Wer mehr braucht, zahlt mehr. Die Erzieherinnen müssen exakt notieren, welche Liedblätter sie den Kindern mit nach Hause geben: Titel, Komponist, gegebenenfalls Bearbeiter oder Herausgeber, Verleger, Titel der Ausgabe, Anzahl der Kopien will die GEMA vierteljährlich erfahren. „Es kann nicht in unserem Sinne sein, wenn Pädagogen ihre Zeit mit Kopienverwaltungskram zubringen, statt mit den Kindern zu singen, oder wenn sie einfach vorsichtshalber gar keine neuen Kinderlieder mehr singen“, sagen Sarholz und Meier.
Zu den Einzelheiten der angedachten Pauschalregelung möchte Pressesprecher Thomas Wust vom bayerischen Sozialministerium nichts sagen. Er wolle den Verhandlungen nicht vorgreifen. Er übermittelt eine Stellungnahme von Sozialstaatssekretär Markus Sackmann. Auch der findet die aktuelle Situation nicht zufriedenstellend: „Um den Kindergärten die musische Bildung und Erziehung zu erleichtern, wäre ein Pauschalvertrag, der die Einrichtungen von der Entgeltpflicht und von der Pflicht zur Dokumentation der hergestellten Kopien befreit, ein gangbarer Weg.“
Für die Schulen hat die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände 1990 einen Rahmenvertrag mit der GEMA ausgehandelt. Seitdem zahlen die Kommunen einen Pauschalbetrag für Kopien und Aufführungen. Die Vielfalt der öffentlichen und privaten Träger von Kindertagesstätten ist allerdings größer als bei den Schulen. 454 626 Kinder gehen laut statistischem Bundesamt in Bayern in 8068 Einrichtungen. Träger sind kirchliche Vereine, Gemeinden, Unternehmen, Elterninitiativen.
„Pädagogen sollen mit Kindern singen, und nicht ihre Zeit mit Verwaltungskram verbringen.“
Margit Sarholz und Werner Meier, Kinderliedermacher
Staatssekretär Sackmann betont die Bedeutung einer Pauschalregelung: „Die Weitergabe von Notenkopien unterstützt auch Familien mit Migrationshintergrund in ihren Integrationsbemühungen.“ Denn kopierte Noten bekommen die Kinder, damit die Eltern mit ihrem Nachwuchs singen können, was die Kleinen im Hort gelernt haben. Wird bei einer öffentlichen Kindergartenveranstaltung fröhlich musiziert, hält ebenfalls die GEMA die Hand auf, wenn nicht Lieder auf dem Programm stehen, deren Autoren seit 70 Jahren tot sind und die seitdem auch niemand bearbeitet hat. Zum Test geben wir in der GEMA-Datenbank die Titel bekannter Kinderlieder ein. Ob „Alle Vögel sind schon da“, „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ oder „Alle meine Entchen“ – sämtliche Lieder finden sich als gebührenpflichtig in vielen Versionen in der Liste der Verwertungsgesellschaft, genauso wie „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“, „Auf der Mauer, auf der Lauer“ oder „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“. Ob bei den Verhandlungen mit der GEMA nur die Notenkopien Thema sind oder auch das Singen bei Veranstaltungen, kann Pressesprecher Thomas Wust vom bayerischen Sozialministerium noch nicht sagen.
Der Kreis Main-Spessart der Arbeitsgemeinschaft Fränkische Volksmusik hat derweil ein Büchlein herausgegeben mit dem Titel „Wirtshauslieder“, in dem nur Lieder aufgelistet sind, die GEMA-frei sind. Mit Erfolg: Die Erstauflage von 5000 Stück ist fast vergriffen.
Die Kinderliedermacher Margit Sarholz und Werner Meier indes hoffen auf die Einsicht der Entscheidungsträger, dass gemeinsames Singen und die Verbreitung von Liedern in den Kindergärten für die Gesellschaft ein Wert ist, den es zu schützen gelte. „Ansonsten werden wir es wie unser Hamburger Kollege Rolf Zuckowski halten und unsere Einnahmen aus dieser Kopienabgabe wieder an pädagogische Einrichtungen spenden.“