Der Freitag beginnt nicht gut für Horst Seehofer. Die Zeitungen sind immer noch voll mit Kritik an seiner Entscheidung, den umstrittenen Verfassungschef Hans-Georg Maaßen nach oben weg zum Staatssekretär zu befördern. In bundesweiten Umfragen verlieren Union und SPD, die AfD legt zu. Und am Morgen verkündet das ZDF-Politbarometer auch noch miserable Werte für die CSU in Bayern.
Nur noch drei Wochen bis zur Landtagswahl und die bayerische Regierungspartei verharrt bei 35 Prozent. Ein Ergebnis, das noch vor Jahren für die erfolgsverwöhnten Christsozialen selbst in ihren schlimmsten Albträumen unvorstellbar erschien. Ebenso hart dürfte den Seehofer ein Wert im Kleingedruckten der ZDF-Umfrage getroffen haben: In Bayern ist die von ihm so oft kritisierte CDU-Kanzlerin Angela Merkel beim Wahlvolk beliebter als er selbst.
Wobei der Begriff Beliebtheit dabei sehr relativ ist: Auf der weiten Skala von plus fünf bis minus fünf landet Merkel bei plus 0,6, Seehofer bei minus 0,6. Schlechter als CSU-Ministerpräsident Markus Söder, der auf einen Popularitätswert von 0,3 kommt. Damit nicht genug: Obendrein veröffentlichen auch noch 290 Kulturschaffende am Freitagmorgen einen offenen Brief, in dem sie lautstark den Rücktritt des Innenministers noch vor der Landtagswahl fordern. Sie kritisieren nicht nur, dass Seehofer die Migrationsfrage zur „Mutter aller politischen Probleme“ erklärt habe, sondern auch, „dass der Bundesinnenminister fortwährend die Arbeitsfähigkeit der Bundesregierung sabotiere“.
„Seehofer beschädigt die Werte unserer Verfassung“, heißt es in einem Aufruf. „Sein Verhalten ist provozierend, rückwärtsgewandt und würdelos gegenüber den Menschen. So verstellt er den Weg in eine zukunftsfähige deutsche Gesellschaft.“ Seehofer einige das Land nicht, er spalte es.
Kritische Stimmen aus der CDU
Allerdings zeichnet sich keiner der Unterzeichner – von Günter Wallraff und Berlinale-Chef Dieter Kosslick bis zu Schauspielern wie Peter Lohmeyer, Jochen Busse, Burghart Klaußner, Meret Becker oder Moderator Hugo Egon Balder – bislang durch große Nähe zur Union aus. Mehr getroffen haben dürfte den CSU-Chef, dass selbst CDU-Politiker vom konservativen Flügel der Union sein Vorgehen im Fall Maaßen hart kritisiert haben.
„Für mich ist die Entscheidung der Parteivorsitzenden nicht zu verstehen und den Bürgern nicht zu vermitteln“, sagt der stellvertretende Unionsfraktionschef Carsten Linnemann über den Kompromiss zwischen Seehofer, Merkel und SPD-Chefin Andrea Nahles. „Die Bürger fragen zu Recht, ob wir in Berlin alle verrückt geworden sind“, betont der prominente CDU-Wirtschaftspolitiker. Linnemann berichtet über eine Flut empörter Zuschriften aus seinem Wahlkreis.
SPD-Bürgermeister verlässt die Partei
Der Fall Maaßen belastet die gesamte Koalition, insbesondere die SPD: Am Freitag trat der sozialdemokratische Oberbürgermeister der sächsischen Stadt Freiberg, Sven Krüger, aus der Partei aus. Nun will SPD-Chefin Nahles den Kompromiss noch mal aufschnüren und nachverhandeln. Überraschend sagte Seehofer binnen weniger Minuten neue Beratungen zu. Denn die öffentliche Empörung der Bürger über die Maaßen-Beförderung schlägt auch der in Bayern wahlkämpfenden CSU entgegen.
Der seit Jahrzehnten als enger CSU-Kenner bekannte Passauer Professor Heinrich Oberreuter glaubt spätestens seit dem Fall Maaßen nicht mehr daran, dass die CSU die Stimmung vor der Landtagswahl noch irgendwie drehen kann: „Wenn von dem CSU-Parteitag am vergangenen Wochenende ein neuer Schwung für den Wahlkampf ausgehen sollte, dann ist davon seit der Maaßen-Entscheidung nichts mehr übrig geblieben“, sagt der langjährige Leiter der Tutzinger Akademie für politische Bildung.
Der Frust der Wahlkämpfer sei bis hinauf in die Reihen des CSU-Landtags und der Bundestagsabgeordneten hörbar. Doch auch wenn dabei vielen Seehofers Verhalten „zunehmend mysteriös und merkwürdig“ vorkomme, sagt Oberreuter, dürfe man die gegenwärtige CSU-Krise im Wahlkampf nicht allein am Parteichef festmachen.
Auch Söders Feuerwerk an neu beschlossenen Leistungen vom Familiengeld bis zur Pflegeplatzgarantie habe beim Wähler nicht gezündet: „Das waren lauter an Einzelgruppen gerichtete individuelle Maßnahmen, ohne dass dahinter den Wählern ein Gesamtkonzept deutlich wurde“, sagt Oberreuter. Deshalb bemühe sich die CSU nun im Wahlkampfendspurt wieder ganz in der Rolle eines Garanten des Wohlstands- und Wohlfühllandes, Bayern zu präsentieren.
Wahlsystem als kleine Hoffnung
Eine kleine Hoffnung für die CSU sieht der Politikwissenschaftler allenfalls in der Besonderheit des bayerischen Wahlsystems, bei dem beide Stimmen an persönliche Kandidaten gehen: „Es kann sein, dass eine gewisse Zahl unentschlossener Wähler ihr Kreuz dann doch bei den ihnen bekannten Abgeordneten machen.“ Sollten aber die Umfragewerte tatsächlich Realität werden, erwartet Oberreuter nicht, dass der CSU-Chef die Landtagswahl politisch in seinen Ämtern überstehen wird: „Bei Seehofer kann ich mir das nur sehr schwer vorstellen. Bei Söder sieht das anders aus: Er steht ohne personelle Alternative da.“