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BERLIN: Sigmar Gabriels Agenda für 2017

BERLIN

Sigmar Gabriels Agenda für 2017

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    „Engagierter Austausch“: SPD-Chef Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Yasmin Fahimi zu Beginn der Parteivorstandssitzung.
    „Engagierter Austausch“: SPD-Chef Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Yasmin Fahimi zu Beginn der Parteivorstandssitzung. Foto: Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Erst mal nimmt sich Sigmar Gabriel die Kritiker vor. Im Vorstand versucht er die Parteilinken Ralf Stegner und Carsten Sieling einzunorden, die den SPD-Chef öffentlich zu roten Linien für das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) aufgefordert haben. Es gibt einen „engagierten“ Austausch, so wird berichtet, dann bessert Gabriel einen ursprünglichen Vorschlag für den TTIP-Kurs der SPD nach. Und erfreut damit die Gescholtenen.

    Zugleich baut er damit auch für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sehr hohe Hürden auf für die von ihr forcierte Freihandelszone mit rund 800 Millionen Menschen, die von wegfallenden Zollschranken und ganz neuen Absatzmöglichkeiten profitieren sollen. Das dürfte noch einen ebenfalls engagierten Austausch in der Großen Koalition geben. Einige Stunden später folgen die 200 Delegierten der Vorstandslinie bei einem Parteikonvent in der SPD-Zentrale bei sieben Nein-Stimmen.

    Klare Leitplanken

    Das Ergebnis: Kein Abbruch der Verhandlungen, aber klare Leitplanken. Grundlage ist ein vom Bundeswirtschaftsminister Gabriel mit dem DGB ausgehandeltes Papier: Keine Schiedsgerichte, wo Konzerne Staaten verklagen können. Keine Einschränkungen bei Arbeitnehmerrechten, Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards. Und am Ende soll auch der Bundestag zustimmen müssen.

    So fühlen sich am Ende alle als Sieger in einem SPD-Konflikt, der sogar die EU-Kommission in Brüssel beunruhigt hatte. Die Parteilinken – aber auch das Gabriel-Lager, weil er ja ohnehin schon in dem Papier mit dem DGB die nun zur Parteilinie gemachten roten Linien eingezogen habe. Das Papier liest sich aber ein wenig wie „Wünsch Dir was“.

    Das könnte noch schwierig werden – und hat bereits umgehend konkrete Konsequenzen. Denn das bereits ausgehandelte Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) soll nun auch noch einmal überprüft werden, so Gabriel. Der Bremer Bundestagsabgeordnete Sieling schlug im Vorstand vor, die roten Linien auch auf Ceta anzuwenden. Schließlich ist es die Blaupause für TTIP. Gabriel glaubt nicht, dass es dieses Jahr noch etwas wird mit Ceta. Zuvor hatte schon die Bundesregierung Korrekturen angemahnt. Etwa, dass ausländische Geldgeber die EU oder Mitgliedstaaten nicht auf Schadenersatz verklagen dürfen, wenn es zu Bankenabwicklungen sowie Schuldenschnitten kommt. Ursprünglich sollte Ceta am 26. September beim Kanada-EU-Gipfel besiegelt werden.

    Gabriel und Merkel, die die Chancen für neue Jobs betonen, dürften manchmal an der holzschnittartigen Debatte verzweifeln. „Weder wird das Chlorhühnchen Einzug halten, noch werden gentechnisch veränderte Lebensmittel in Zukunft in die EU importiert werden können“, betont Merkel. Misslich für Gabriel ist, dass er als Wirtschaftsminister federführend für TTIP zuständig ist – und alle Kritik an dem Vorhaben und den Verhandlungen gleich auch immer ihn als Parteichef trifft.

    Monatelang Seit' an Seit', bröckelt etwas die Harmoniefassade in der SPD. „Als etwas rustikal“ wird parteiintern Gabriels klare Kante gegen die SPD in Thüringen nach deren Absturz auf 12,4 Prozent bei der jüngsten Landtagswahl gewertet. Dabei hatte er doch Geschlossenheit zur Erfolgsformel erklärt, um Wähler zu überzeugen.

    Antworten auf digitale Revolution

    23 Prozent waren es bei der Bundestagswahl 2009. Und 25,7 Prozent 2013. Gabriel manövrierte die SPD in die Große Koalition. In Rekordtempo wurden 8,50 Euro Mindestlohn und die Rente mit 63 bei 45 Beitragsjahren beschlossen. Versprechen erfüllt, bis vor kurzem kaum Streit. Aber in Umfragen geht es für die SPD eher nach unten, obwohl die schönsten Perlen schon im Schaufenster mit den beschlossenen Gesetzen stehen.

    „Wir müssen den Silicon-Valley-Kapitalismus zähmen“, sagt Gabriel. Gemeint ist die Ökonomisierung von Arbeits- und Privatleben dank Apple, Google und Co, die er wegen der Steuersparmodelle attackiert. Was die SPD an politischen Antworten auf die digitale Revolution vorlege, werde mit entscheiden, „ob wir uns eines Tages genau so gerne an die Bundestagswahl 2017 erinnern werden wie an die von 1998“. Doch von einem Triumph wie Gerhard Schröder kann Gabriel derzeit nur träumen.

    Der SPD-Parteikonvent

    Zwischen Bundesparteitagen ist der Parteikonvent das höchste Beschlussgremium der SPD. Er wurde im Zuge einer Reform 2011 eingeführt und ersetzte den bisherigen Parteirat. Der Konvent soll mindestens einmal im Jahr als „kleiner Parteitag“ tagen. 200 Delegierte des Konvents werden von den Bezirken gewählt, dazu kommen die zehn Präsidiums- und die 25 Vorstandsmitglieder. Jeder der 20 Bezirke erhält ein Grundmandat, die weiteren 180 Mandate werden laut SPD nach dem Delegiertenschlüssel für die Bundesparteitage auf die Bezirke verteilt. Der Konvent befasst sich mit inhaltlichen und organisatorischen Fragen, kann aber keine Personalentscheidungen treffen. Auf Wunsch tagt der Konvent nicht öffentlich, was bisher meist der Fall war und für Kritik der Medien sorgt. Der nächste Bundesparteitag findet vom 10. bis 12. Dezember 2015 in Berlin statt. Text: dpa

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