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LONDON: So wird man zum Verräter

LONDON

So wird man zum Verräter

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    Der Diplomatensohn Kim Philby war der berühmteste Doppelagent der britischen Geschichte.
    Der Diplomatensohn Kim Philby war der berühmteste Doppelagent der britischen Geschichte. Foto: Foto: UPI/dpa

    Er konnte kein Spion sein. Er durfte nicht. Überhaupt, es passte einfach nicht. Der Diplomatensohn Kim Philby stammte aus einem angesehenen Elternhaus, besuchte eine Eliteschule und studierte an der renommierten Universität in Cambridge. Klassische Oberschicht im klassenverliebten Großbritannien. Der Brite sprach wie das Establishment, kleidete sich wie sein Umfeld und hatte die Benimmregeln verinnerlicht. Der Kommunismus hatte in dieser Welt nichts verloren, war vielmehr ein Konzept aus dem fernen Feindeslager. Doch Kim Philby war genau das und noch mehr: Kommunist und Doppelagent – wohl der berühmteste, den das Königreich je hervorgebracht hat.

    Die Affäre um seine Rolle als Verräter während des Kalten Kriegs gilt als einer der spektakulärsten Spionageskandale des 20. Jahrhunderts. Auch deshalb wollen die Briten die irre Geschichte um die Legende nicht ruhen lassen. Nun haben Journalisten der BBC bei der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Berlin eine Aufnahme von Philby aus dem Jahr 1981 gefunden. Darin erzählt der medienscheue Spion vor ausgewählten Offizieren erstmals öffentlich von seinen „30 Jahren im Feindeslager“, wie er die Zeit nennt.

    Vorgestellt wird Philby in dem Video von DDR-Spionage-Chef Markus Wolf höchstpersönlich. „Liebe Genossen“, beginnt der Meister des Verrats dann seine Lehrstunde in makellosem Upperclass-Englisch und mit übergroßer Hornbrille auf der Nase.

    1934 wurde der Student vom sowjetischen Geheimdienst, dem späteren KGB, rekrutiert. Während des Zweiten Weltkriegs gelang es ihm dann, sich vom britischen Auslandsgeheimdienst MI6 anheuern zu lassen. Dort machte er auch aufgrund seines sozialen Status Karriere und stieg zum stellvertretenden Leiter der Abteilung zur Bekämpfung des Kommunismus auf. Ausgerechnet. Doch damit nicht genug. Durch eine „dreckige Geschichte“, wie Philby in dem Vortrag zugibt, sei er seinen Chef losgeworden und habe in auf dem Posten beerbt. „Letzten Endes setzt unsere Arbeit von Zeit zu Zeit voraus, dass wir uns die Hände schmutzig machen, aber wir tun das für eine Sache, die in keinster Weise unanständig ist“, doziert der damals 69-jährige Star-Spion vor den Stasi-Mitarbeitern. Philby war nun Direktor der Einheit, die die Sowjets ausspionierte.

    Seine Routine bestand aber vor allem darin, „jeden Abend“ Berichte, die er selbst verfasst hatte, und Papiere aus dem Archiv, die er von einem Mitarbeiter erhalten hatte, mit dem er sich regelmäßig auf einen Drink traf, in einem großen Aktenkoffer auf den Heimweg mitzunehmen. Ein sowjetischer Kontaktmann fotografierte die Geheimnisse nachts ab und morgens, so beschreibt es Philby, habe er die Dokumente dann wieder ins Büro getragen. So ging das Jahr ein, Jahr aus. Es war simpel und keiner schöpfte Verdacht. Philby kannte eben viele einflussreiche Menschen, die auf ihre eigene berufliche Laufbahn bedacht waren.

    Er selbst kletterte auf der Karriereleiter weiter nach oben. Im Kalten Krieg wurde er zum Chef des Washingtoner Verbindungsbüros des MI6 für die amerikanische CIA und das FBI ernannt. Erst 1963 flog er in der libanesischen Hauptstadt Beirut auf. Er war als Journalist getarnt im Dienste ihrer Majestät unterwegs und wurde von einer Bekannten, der er sich Jahre zuvor anvertraut hatte, verpfiffen. Er missachtete damit sein eigenes Credo, das er später den Stasi-Offizieren empfehlen sollte: Niemals etwas zugeben.

    Die Briten ließen ihn nach seiner Enttarnung nach Moskau fliehen, wo er fortan offiziell für den KGB arbeitete. Offenbar hatte man in London Angst vor dem Skandal, den eine Untersuchung auslösen würde. Doch dieser ließ sich ohnehin nicht aufhalten. Kim Philbys spektakulärer Fall diente John le Carré sogar als Vorlage für seinen Roman „Dame, König, As, Spion“. Philby starb 1988 in Moskau – als überzeugter Kommunist bis zum Schluss.

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