Die Chefin kommt. Zwei Tage lang reist die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles durch Franken, besucht das Ausbildungszentrum der Bundespolizei in Bamberg, die Siemens AG in Erlangen und ein Mehrgenerationenhaus in Fürth, spricht mit der Bürgermeisterin von Dietfurt im Altmühltal und besichtigt eine Brauerei in Neumarkt in der Oberpfalz. Termine so schön wie das Wetter, positive Bilder sind garantiert.
In den internen Gesprächen dürfte es hingegen weniger freundlich zugehen. Denn bei den Landtagswahlen droht der wenig erfolgsverwöhnten SPD im weiß-blauen Freistaat ein Desaster. Wenn es schlimm kommt, landet sie hinter der CSU, den Grünen und der AfD nur auf dem vierten Platz. Dabei wären die Voraussetzungen für die Oppositionspartei noch nie so gut gewesen wie in diesem Jahr. Die CSU ist nur ein Schatten ihrer selbst, hypernervös und völlig neben der Spur.
Die SPD kann nicht profitieren
Horst Seehofer, Markus Söder und Alexander Dobrindt reiben sich im Kampf um die Nachfolge an der Spitze der Partei auf, der Noch-Parteichef Seehofer irrlichtert durch Berlin und verstört die eigenen Parteifreunde wie die Schwesterpartei CDU mit seinen unberechenbaren Auftritten, während der Ministerpräsident-Novize Söder noch seine Rolle sucht und mal den harten Hund und mal den milden Landesvater gibt.
Doch die SPD kann davon nicht profitieren. In Bayern nicht – und auch nicht auf Bundesebene, obwohl sie im Gegensatz zur CDU den Personalwechsel an der Parteispitze bereits hinter sich hat und sich nach der überfälligen Klärung der Personalfragen nun um die Programmdebatte kümmern kann. Neue Akzente hat die neue starke Frau, Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles, bislang noch nicht gesetzt, mit eigenen Themen ist sie nicht aufgefallen. Nicht einmal vom nur mühsam beigelegten Streit um die Zurückweisungen an der deutschen Grenze zwischen CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Innenminister Horst Seehofer konnten die Sozialdemokraten profitieren, mehr schlecht als recht dümpeln die Umfragewerte bei mageren 18 Prozent dahin.
Es ist die alte Frage: Wofür steht die SPD eigentlich? Und was unterscheidet sie von den anderen Parteien? Die Minister im Kabinett sind fleißig und solide, arbeiten konsequent die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags ab und sorgen auf diese Weise für die Stabilität der Bundesregierung, die zuletzt von der CSU arg infrage gestellt wurde. Aber das ist auf Dauer zu wenig.
Betriebsrat der Nation
Die Zeiten, in denen die SPD an der Spitze des gesellschaftlichen Fortschritts marschierte und den Willen wie die Entschlossenheit hatte, den sozialen Wandel aktiv zu gestalten, sind längst vorbei. Mehr denn je versteht sich die SPD als Betriebsrat der Nation, als bloßer Reparaturbetrieb, der nur noch die schlimmsten Auswüchse der ökonomischen und sozialen Veränderungen verhindern will. Die Themen aber setzen andere, die AfD bei der Ausländerpolitik, die Grünen bei der Umwelt- und einer linken Asylpolitik, die FDP bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik, die Linke als Anti-Hartz-IV-Partei – und die Union hat längst die Sozialpolitik für sich gekapert.
Im Gegensatz dazu bietet die SPD von allem ein bisschen was, aber von nichts genug, hat kein Alleinstellungsmerkmal, steht der Union in vielen Punkten näher als der Linkspartei, was ein rot-rot-grünes Bündnis als Alternative zur GroKo praktisch unmöglich macht, den Genossen im bürgerlichen Lager aber keine Stimmen bringt. Gelingt Andrea Nahles der Befreiungsschlag?
Wenig spricht dafür. Zu sehr verkörpert sie die alte SPD, die sich in den langen Regierungsjahren unter Angela Merkel programmatisch ausgezehrt hat, zu lange schon gehört sie dem Establishment der Partei an, als dass sie glaubhaft für den versprochenen Aufbruch und Neuanfang stehen kann.
Die Sommerbilder vom Ausflug nach Franken sind bald schon vergessen, spätestens nach den Wahlen in Bayern und Hessen im Oktober dürfte der mühsam erreichte Burgfrieden Geschichte sein. Aber auch das ist nichts Neues bei der SPD. Die Chefs kommen und gehen, ohne dass der Niedergang aufgehalten wird.