Ignorantia legis non excusat, Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, lautet ein Grundsatz, der bis ins römische Recht zurückgeht. Die türkische Regierung schickt sich nun an, ihn in sein Gegenteil zu verkehren – mit einem Gesetz, das Straffreiheit für sexuellen Missbrauch Minderjähriger verspricht, wenn der Täter sein Opfer später heiratet. So wird der Verbrecher nicht bestraft, sondern belohnt.
Zwar kennt auch unser Strafrecht den Verbotsirrtum, der strafmildernd wirken kann. Aber darauf kann sich ein 50-Jähriger, der eine „Ehe“ mit einer 13-Jährigen eingeht, sicher nicht berufen. Solche Zwangsehen seien nun mal die Realität in seinem Land, stellt der türkische Justizminister Bekir Bozdag schulterzuckend fest und verteidigt die geplante Amnestie – von der wohl nicht zuletzt Anhänger der islamisch-konservativen Regierung profitieren sollen.
Ganz wohl scheint Bozdag allerdings bei seinen Plänen nicht zu sein, sonst hätte er den Gesetzentwurf wohl kaum in einer Nacht-und-Nebel-Aktion im Parlament eingebracht, um Opposition und Öffentlichkeit zu überrumpeln.
Der skandalöse Vorgang zeigt einmal mehr: Die Türkei des Staatschefs Erdogan entfernt sich mit immer schnelleren Schritten von Europa.