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Textilfabrik wurde zur Todesfalle

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Textilfabrik wurde zur Todesfalle

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    Entsetzen: Frauen bedecken ihre Nasen, um nach dem Brand bei Dhaka den Geruch verbrannter Leichen von sich fernzuhalten.
    Entsetzen: Frauen bedecken ihre Nasen, um nach dem Brand bei Dhaka den Geruch verbrannter Leichen von sich fernzuhalten. Foto: Foto: dpa

    Ein verheerender Fabrikbrand hat in Bangladesch mehr als 100 Textilarbeiter das Leben gekostet. Weitere 200 Menschen seien mit Verbrennungen in Krankenhäuser eingeliefert worden, sagte der Einsatzleiter am Sonntag. In der Fabrik nähten vor allem Frauen verschiedene Bekleidung für ausländische Textilfirmen, darunter C&A mit Sitz in Düsseldorf und andere deutsche Unternehmen.

    Das Feuer war am Samstag im Erdgeschoss des neunstöckigen Gebäudes nahe der Hauptstadt Dhaka ausgebrochen. Die Flammen breiteten sich schnell auf die anderen Stockwerke aus. Sie schlossen die Näherinnen und anderen Arbeiter im Gebäude ein. Am Morgen sprach der Einsatzleiter zunächst von 115 Toten, später am Tag zählte die Feuerwehr 109 Leichen.

    Angehörige schritten die Reihen mit Leichensäcken vor der ausgebrannten Fabrik ab, um die Toten zu identifizieren. Sie hielten sich Tücher vor Mund und Nase, so durchdringend war der Geruch verbrannten Fleisches. Immer mehr Leichen schleppten die Rettungskräfte aus der Ruine. Manche Säcke wurden auf Fahrradanhänger gehoben und weggefahren. Im Inneren der Fabrik türmten sich kohlschwarze Baumwollspindeln. Nähmaschinen lagen auf dem Boden, weil die Tische unter ihnen weggebrannt waren.

    Als das Feuer am Samstagabend ausbrach, nähten nach Behördenangaben rund 1000 Arbeiter und Arbeiterinnen in der Fabrik. Die Flammen griffen so schnell auf die oberen Stockwerke über, dass einige Beschäftigte in Panik aus den Fenstern sprangen. Ein Untersuchungskomitee wurde eingesetzt, um die Brandursache zu erkunden. Einer der Überlebenden sagte dem privaten Fernsehsender Channel I, das Feuer sei dem elektrischen Hauptschalter entsprungen: „Ein Kurzschluss könnte das Feuer verursacht haben.“

    Ein Sprecher der betroffenen Fabrik Tazreen Fashion Limited erklärte, der Betrieb habe Standards der Europäischen Union eingehalten. So habe es etwa vier alternative Treppenaufgänge gegeben, doch die Arbeiter seien in der Panik zum Hauptausgang gestürmt und nur wenige hätten diese Notausgänge benutzt.

    Die 2009 erbaute Fabrik gehört zur Tuba Group, die laut Unternehmenshomepage unter anderem für C&A, Carrefour und Walmart produziert. Auch andere deutsche Unternehmen wurden demnach von dort beliefert. Die Kapazität der Unglücksfabrik lag diesen Angaben zufolge monatlich bei einer Million T-Shirts, 800 000 Polo-Shirts und 300 000 Fleecejacken.

    C&A-Sprecher Thorsten Rolfes bestätigte der Nachrichtenagentur dpa am Sonntag in Düsseldorf, die Fabrik sei beauftragt gewesen, 220 000 Sweatshirts herzustellen und von Dezember 2012 bis Februar 2013 an C&A in Brasilien zu liefern. „Unser Mitgefühl gilt den Opfern dieses furchtbaren Unglücks sowie deren Familien und Angehörigen“, sagte Rolfes als Sprecher von C&A Europa. Die Textilindustrie ist der wichtigste Wirtschaftsfaktor Bangladeschs. Die meisten Exporte gehen nach Europa. Allein Deutschland importierte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2011 Bekleidung im Wert von drei Milliarden Euro aus dem asiatischen Entwicklungsland.

    Der Verband der Textilhersteller und -exporteure in Bangladesch versprach den betroffenen Familien eine Entschädigung. Die zuständigen Behörden kündigten an, die Sicherheitsbestimmungen in der ausgebrannten Fabrik zu untersuchen.

    Laut einer Studie der Kampagne für Saubere Kleidung kam es seit dem Jahr 2005 zu sieben tödlichen Bränden und Fabrikeinstürzen in Bangladesch, bei denen insgesamt 145 Menschen starben. Die vielen Toten seien mit mangelhaften Sicherheitsmaßnahmen zu erklären. Elektrokabel hingen häufig frei im Raum, Feuerlöscher fehlten, Notausgänge seien verschlossen und Fluchtwege versperrt. Erst im September gab es einen verheerenden Brand mit mehr als 259 Toten in einer Textilfabrik in Pakistan.

    Die Textilindustrie in Bangladesch

    Kleidung ist Bangladeschs Hauptexportgut. 79 Prozent der Ausfuhren sind Textilien, die vor allem nach Europa und in die USA geliefert werden. „Made in Bangladesh“ steht auch auf zahlreichen T-Shirts, Hemden, Blusen und Unterwäsche, die es in Deutschland zu kaufen gibt. Das südostasiatische Land war 2011 der viertgrößte Lieferant von Textilien für die Bundesrepublik. Obwohl Bangladesch in den vergangenen zwei Jahrzehnten Fortschritte gemacht hat, ist es noch immer ein Entwicklungsland. Fast ein Drittel der 164 Millionen Einwohner leben unterhalb der Armutsgrenze. Viele Menschen sind unterernährt. Die niedrigen Lohnkosten in Bangladesch haben dazu geführt, dass viele Unternehmen in den vergangenen Jahren das Land als Produktionsstandort für Textilien entdeckten. Derzeit gibt es mindestens 5000 Textilfabriken mit mehreren Millionen Beschäftigten, die meisten davon junge Frauen. Die Arbeits- und Sozialstandards werden von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) immer wieder kritisiert. So würden keine Frauen über 30 in den Fabriken beschäftigt, da sie die 13- bis 16-Stunden-Schichten nicht schafften. Gewerkschaften würden nur selten toleriert. Außerdem gebe es kaum Kontrollen, sodass der Arbeitsschutz nicht gewährleistet sei. Text: dpa

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