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GRONAU-EPE: Umweltkatastrophe im Münsterland: Tausende Tonnen Öl im Erdreich

GRONAU-EPE

Umweltkatastrophe im Münsterland: Tausende Tonnen Öl im Erdreich

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    Hohlräume unter der Erde: Durch Salzabbau entstehen Kavernen, in denen selbst der Kölner Dom Platz finden würde.
    Hohlräume unter der Erde: Durch Salzabbau entstehen Kavernen, in denen selbst der Kölner Dom Platz finden würde. Foto: Foto: Trianel GmbH

    Es ist eine Umweltkatastrophe noch ungeahnten Ausmaßes, die die Menschen im Münsterland und Umweltexperten in ganz Deutschland in diesen Tagen umtreibt. In der europaweit größten unterirdischen Lagerstätte (Kaverne) für Öl in Gronau-Epe nahe der niederländischen Grenze, in der auch ein großer Teil der Ölreserven für Deutschland liegt, quillt seit drei Wochen an mehreren Stellen Öl aus der Tiefe.

    Offiziell spricht man von 35 000 Litern, die das Erdreich und Teile des Grundwassers bislang verseuchen, inoffiziell halten Experten eine Größe von 200 000 Litern für wahrscheinlich. Die undichte Stelle mitten im Naturschutzgebiet ist noch immer nicht gefunden, die Felder und Weideflächen sind weiträumig abgesperrt. In der beliebten Moorlandschaft mit Birken, Farn und idyllischen Wanderwegen trifft man derzeit nur vereinzelt auf Menschen.

    „Es stinkt dort draußen im Venn fürchterlich nach Öl. Selbst wenn man dürfte, mag da jetzt niemand hin“, erklärt Anwohner Erwin J. aus Epe gegenüber dieser Zeitung. Der 81-Jährige ist wie alle anderen Bürger des rund 15 000 Einwohner zählenden Ortes geschockt von dem Ausmaß des Ölunfalls unter der Erde. „Das ist eines unserer schönsten Flecken hier in der Gegend, da ist ja auch Vogelschutzgebiet. Das wird wohl lange dauern, bis sich die Natur wieder erholt“, glaubt er. Auch der Eper Auto-Restaurator Gerd Leppen, der mit seiner Familie nur einen Kilometer von dem betroffenen Gebiet entfernt wohnt, macht sich mittlerweile große Sorgen. „Man hat den Eindruck, dass die Sache hier den Verantwortlichen über den Kopf wächst, dass das ein viel größeres Ding ist als anfangs angenommen.“ Besonders irritierend findet er die Tatsache, dass in der Bevölkerung offenbar so gut wie keiner etwas von den gigantischen Ölreserven unter der Erde in Epe gewusst hat. „Ich wohne seit 51 Jahren hier und dachte, dass es sich in den Kavernen um Erdgasspeicherung handelt. Von Öl war nie die Rede.“ Erst langsam realisiere man deshalb, dass es sich um eine Ölkatastrophe handele. „Die haben alles weiträumig abgesperrt, ich glaube nicht, dass sie das so schnell in den Griff bekommen“, meint Leppen.

    Ein Team von Bohrtechnikern, Ingenieuren, Ökologen und Aufsichtsbeamten sucht täglich fieberhaft nach dem Leck – und auch nach Lösungen für die Entsorgung der kontaminierten Erde. Nur wenige Deponien kommen dafür infrage – und die Menge des verseuchten Bodens ist gigantisch.

    Wie die zuständige Bezirksregierung in Arnsberg auf Anfrage dieser Zeitung mitteilte, wurden bislang über 2441 Tonnen des ölverseuchten Bodens abgetragen. 38 000 Liter Öl mussten abgesaugt werden. In der Pressestelle klingelt nahezu pausenlos das Telefon, immer mehr Medien interessieren sich für den Ölunfall in Epe, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. Wie Pressesprecher Christoph Söbbeler sagt, habe man extra eine Internetseite eingerichtet, die über den aktuellen Stand der Dinge informiert.

    In dem Gebiet in und um das Natur- und Vogelschutzgebiet herum ist die Erde bis in große Tiefen verschmutzt, auch das Grundwasser ist bereits betroffen. Der Schaden geht dem Betreiber zufolge, der Salzgewinnungsgesellschaft Westfalen (SGW), schon jetzt in Millionenhöhe. Den Landwirten in der Region, die derzeit in einem Hotel in Epe wohnen, weil ihre Höfe nicht bewohnbar sind, wurden großzügige Entschädigungszahlungen zugesagt. Zu ihnen gehört Landwirt Klaus Sundermann. Er musste zehn seiner Kühe, die von dem verseuchten Wasser getrunken hatten, notschlachten lassen. Die anderen Tiere sind auf weit entfernten Höfen untergebracht.

    „Es muss weitergehen“, sagen Klaus Sundermann und seine Frau Claudia. Am 12. April blieb der Landwirt mit seinen Gummistiefeln in einem zähen Wasser-Öl-Gemisch auf einem seiner Felder stecken und ahnte Schlimmes. Doch dass die Realität die schlimmsten Befürchtungen noch weit übertreffen sollte, damit haben die Sundermanns nicht gerechnet. Auch wie es weitergehen soll, steht in den Sternen, denn solange das Leck nicht gefunden ist, wird die Ölverschmutzung immer heftigere Ausmaße mit unübersehbaren Folgen annehmen.

    Politiker und Umweltexperten in Deutschland zeigen sich deshalb besorgt. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) fordert die Überprüfung aller Kavernenspeicher für Erdgas und Erdöl in Deutschland. Die Diskussion um das Versagen einer vermeintlich sicheren Technik ist in vollem Gange. Dabei ist auch das Thema Fracking wieder in den Fokus gelangt, das, anders als die Kavernentechnik, auch in Bayern eine große Rolle spielt.

    So hat das Bayerische Wirtschaftsministerium dem britischen Unternehmen Rose Petroleum gerade die Lizenz zur Suche nach Öl- und Gasvorkommen gegeben. Attraktiv sind für die Briten die Gebiete mit Posidonienschiefer. Dazu gehören die Landkreise Schwandorf, Wunsiedel, Bayreuth und Sulzbach-Rosenberg. Dort wehren sich Kommunalpolitiker heftig gegen die offensichtlichen Fracking-Pläne von Rose Petrol und fordern eine zügige Umsetzung des von der Koalition in Berlin vereinbarten Verbots von Fracking in Deutschland.

    Fracking (hydraulisches Aufbrechen von Gestein) zur Gewinnung von Öl- und Gasvorkommen, die in bestimmten Gesteinsschichten gebunden sind, ist ebenfalls eine Technik, die tief unter der Erde angewandt wird. Dazu wird ein Gemisch aus 95 Prozent Wasser, fünf Prozent Sand und 0,5 Prozent chemischen Zusätzen mit hohem Druck in die Gesteinsschicht gepresst.

    Ein Teil der giftigen Flüssigkeit wird danach wieder mit zurück an die Oberfläche gepumpt. Umweltschützer befürchten daher eine Verunreinigung des Grundwassers und nicht abzusehende Folgen für Mensch und Natur. Fracking, das habe sich in den USA gezeigt, sei nach derzeitigem Stand der Technik alles andere als sicher.

    Derweil geht die Suche nach dem Ölleck im Münsterland weiter. In Epe glaubt mittlerweile fast niemand mehr an einen glimpflichen Ausgang des technischen Defekts tief unter der Erde. „Wenn erst mal das Grundwasser verseucht ist, wird das ganz schlimme Folgen für uns alle haben“, prophezeit eine Bäuerin. Auch dass ihr schöner Ort künftig immer sofort mit einer Umweltkatastrophe verbunden wird, sei keine angenehme Vorstellung. „Und dass unter unser Naturschutzgebiet der Kölner Dom passt, das habe ich nicht gewusst“, sagt sie.

    Auch Kfz-Mechaniker Gerd Leppen sagt, dass ihm nach den anfangs spaßigen Bemerkungen von Freunden und Bekannten wie „Na, ist auf deinem Hof auch schon Öl?“ mittlerweile das Lachen vergangenen sei. „Vor drei Wochen war das eine kleine Meldung im WDR – jetzt berichten schon die Tagesthemen. Auch daran sieht man, dass es sich um keine Lappalie handelt, wie uns die Betreiber weismachen wollen. Die tun so, als handele es sich um ein kaputtes Autoteil, das man schnell reparieren kann, unglaublich!“

    Kavernenspeicher

    Kavernen sind gezielt erzeugte große Hohlräume in Salzsteinschichten. Im von der Ölkatastrophe betroffenen Ort Epe im Münsterland erstreckt sich in 1000 bis 1400 Meter Tiefe eine dicke Salzschicht. Diese wird seit den 1970er Jahren abgebaut. In den dabei entstandenen Kavernen lagert die Salzgewinnungsgesellschaft Westfalen (SGW) im Auftrag des staatlichen Erdölbevorratungsverbandes einen Teil der Bundesrohölreserve. In Krisenzeiten könnte man Deutschland 90 Tage lang mit Öl versorgen.

    1,4 Millionen Kubikmeter Rohöl können die Kavernen fassen. In eine würde der Kölner Dom mühelos hineinpassen. Salzkavernen können eine Höhe von bis zu 500 Metern haben und ein geometrisches Volumen von mehreren 100 000 Kubikmetern.

    In Deutschland sind mehr als 100 Kavernenspeicher für Erdöl in Betrieb. Sie befinden sich in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Bremen und Schleswig-Holstein. In Etzel in Niedersachsen hatte im November ein fälschlich geöffnetes Ventil zu einem Ölaustritt von 40 000 Tonnen Erdöl geführt, das umliegende Flächen verseuchte.

    Hohe Sicherheitsstandards sollen einen sicheren Betrieb von Kavernenspeichern gewährleisten. Kavernen und Leitungen werden rund um die Uhr überwacht und regelmäßig gewartet. Alle Maßnahmen müssen in einem Sicherheitsbericht festgehalten werden. Warum es in der Kaverne in Epe zu einem Defekt gekommen ist, ist noch unklar. Die Kaverne selbst ist nach Expertenangaben dicht, das Leck wird in den Rohrleitungen vermutet. Text: MEL

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