Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

BRÜSSEL: Und wieder: Rettet Griechenland

BRÜSSEL

Und wieder: Rettet Griechenland

    • |
    • |
    Treffen in Brüssel: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (links) und sein griechischer Amtskollege Gianis Varoufakis. Die derzeitige Griechenlandkrise gibt Schäubles Modell vom Europa der zwei Geschwindigkeiten neue Aktualität.
    Treffen in Brüssel: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (links) und sein griechischer Amtskollege Gianis Varoufakis. Die derzeitige Griechenlandkrise gibt Schäubles Modell vom Europa der zwei Geschwindigkeiten neue Aktualität. Foto: Foto: Emmanuel Dunand, afp

    Es ist der Tag eins der Operation „Rettet Griechenland“. In Brüssel kamen am Freitag Athener Finanzspezialisten und ihre französischen Berater mit den Fachleuten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds zusammen. Das muss man neuerdings so ausführlich sagen, denn der einstige Name für den Kreis „Troika“ ist inzwischen verpönt. Offiziell einigten sich die Beteiligten auf die Bezeichnung „Institution“.

    Ein europäischer Vertreter witzelte laut, man könne den Kreis ja jetzt „Tifkat“ nennen: „The institution formerly known as troika“ (Die Institution, die früher als Troika bekannt war).

    Zur atmosphärischen Erneuerung trug auch eine weitere sprachliche Veränderung bei: Athens Vertreter wollen nicht länger von „Programmen“ reden, sondern von „vertraglichen Vereinbarungen“. Achselzucken auf europäischer Seite. „Warum nicht?“, sagte einer der Unterhändler, „wenn es denn hilft“.

    Das sollte es, denn am kommenden Montag tagen die Euro-Finanzminister und müssen angesichts des straffen Zeitplans (am 28. Februar läuft das bisherige Hilfsprogramm für Athen aus) dann eine Einigung mit der neuen hellenischen Regierung haben. „Wir werden alles tun, was wir können, um einen Deal mit der EU am Montag zu erreichen“, betonte ein Sprecher der griechischen Delegation. Premier Alexis Tsipras hatte bei der nächtlichen Pressekonferenz nach dem EU-Gipfel grünes Licht gegeben: „Wir haben heute wichtige Schritte gemacht. Es wurde zwar noch nicht alles erreicht, aber wir haben bewiesen, dass die EU nicht nur ein Feld für Konflikte, sondern auch für Kompromisse ist“. Das klang schon fast wie eine Antwort auf Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Kompromisse regelrecht beschworen hatte.

    Doch der Teufel liegt im Detail. Setzt man die Äußerungen der verschiedenen Seiten vom Freitag zusammen, ergibt sich folgendes Bild: Griechenland ist bereit, rund 70 Prozent der Reformen umzusetzen, will aber auf den Rest aus sozialen Gründen verzichten. Dafür sollen Korruption und Steuerhinterziehung konsequent bekämpft werden. Das hat zwar bisher nahezu jede Athener Regierung versprochen, Finanzminister Gianis Varoufakis wolle damit aber ernst machen, wurde betont. Und auch die milliardenschweren Großverdiener sollen endlich zu Abgaben gezwungen werden. Das wird auch nötig sein, schließlich musste die frischgebackene Regierung bereits eine schlechte Nachricht hinnehmen: Das Steueraufkommen (insgesamt 3,49 Milliarden Euro) ging im Januar um eine Milliarde gegenüber den Vorgaben zurück.

    Unterdessen ist eine lange nicht selbstverständliche Einigkeit zu beobachten – sie gehört zu einem politischen Konzept, das um sich greift: das Europa der zwei Geschwindigkeiten.

    Angela Merkel und Francois Hollande, die deutsche Kanzlerin und der französische Staatspräsident, flogen zwar getrennt nach Minsk. Doch dort schafften sie, was die EU als Ganzes nicht zustande gebracht hätte: Sie zogen an einem Strang, die Christdemokratin und der Sozialist.

    Das Europa der zwei Geschwindigkeiten besteht vereinfacht gesagt darin, dass die EU-Länder, die sich enger zusammenschließen wollen, dies auch tun können. Und wer dabei nicht oder erst später mitmachen will, kann die Integration langsamer vollziehen. Die Gegner haben den Gedanken immer verteufelt, seine Befürworter beschworen den Entwurf. Als Wolfgang Schäuble (damals Bundesinnenminister) und Karl Lamers (Obmann der CDU im außenpolitischen Ausschuss) 1994 ihre Überlegungen zu einem Kerneuropa vorlegten, bezogen sie von vielen Seiten heftige Prügel.

    Heute weiß man, dass diese Überlegungen im Vorfeld des Amsterdamer Vertrages fast schon visionär waren: eine enge deutsch-französische Achse, an der auch Belgien, die Niederlande und Luxemburg beteiligt werden sollten. Inzwischen haben sich nicht nur weitere Politiker, sondern auch Vordenker wie die französische „Groupe Eiffel“ und ihr deutsches Pendant, die „Glienicker Gruppe“, den Gedanken angeschlossen. Die Euro-Zone, so heißt es in allen diesen Studien, brauche einen quantitativen Integrationsvorsprung. Soll heißen: Zusammen mit der inzwischen angelaufenen Bankenunion müssen auch regierungsähnliche Strukturen geschaffen werden. Ein eigenes Budget, eigene Steuern, eine europäische Arbeitslosenversicherung, transnationale Netze, eine Vertiefung des Binnenmarktes.

    Gerade in der Auseinandersetzung um den künftigen Kurs Griechenlands tauchen diese Vorstellungen erneut auf. Sie haben mehrere EU-Gipfel beschäftigt. Sie gehören zum Repertoire der deutschen Kanzlerin, die den Webfehler der Währungsunion nachträglich beseitigen will: Nur wer gemeinsam wirtschaftet und eine gleiche Haushaltspolitik verfolgt, kann auch das gleiche Geld haben und gegenseitig Mitverantwortung übernehmen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden