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WÜRZBURG: Universität gründet Institut für Fankultur

WÜRZBURG

Universität gründet Institut für Fankultur

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    Harald Lange, Professor an der Universität Würzburg, ist Mitbegründer von Deutschlands erstem Institut für Fankultur.
    Harald Lange, Professor an der Universität Würzburg, ist Mitbegründer von Deutschlands erstem Institut für Fankultur. Foto: Foto: dpa

    Ein bisher einmaliges Forschungsprojekt der Würzburger Universität sorgt kurz nach seiner Gründung für Aufsehen. Am Lehrstuhl für Sportwissenschaften klingelt andauernd das Telefon. Auch aus Österreich und der Schweiz kommen Anfragen zum gerade gegründeten „Institut für Fankultur“.

    Hier will Professor Harald Lange künftig den Fan in all seinen Facetten erforschen – jenseits gängiger Klischees von gewaltbereiten Schlägern am Rande der Fußballstadien. „Fans sind mehr als das,“ sagt Lange. „Das reicht vom Ultra bis zur Familie, die ein Spiel besucht.“ Dem Professor geht es – wie er freimütig zugibt – auch um die „Rehabilitierung des Begriffes Fan“ auf solider wissenschaftlicher Grundlage.

    Er sagt: „Einzelne Negativ-Vorfälle entscheiden derzeit darüber, welches Bild die Gesellschaft von Fans im Allgemeinen hat. Das ist ungerecht.“ Schlagzeilen machen Fälle wie der Überfall Münchner Schickeria-Fans auf Busse der Nürnberger Ultras an der Raststätte Würzburg. Oder die Prügelei von „Schickerias“ mit der Polizei am Hauptbahnhof. Tausende von Fans, die friedlich zu einem Spiel kommen, finden dagegen in den Medien wenig Beachtung.

    Lange will das Thema Fankultur erforschen und dabei auch Hinweise liefern, wie sich Gewalt und Ausschreitungen künftig besser verhindern lassen. Dafür stehen ihm der Politikwissenschaftler und Psychologe Walter Thein sowie der Kriminologe Jannis Linkelmann zur Seite.

    Beide haben 2011 ein Buch mit dem Titel „Alles für den Club! Eine Feldstudie zu den Ultras Nürnberg 1994“ herausgegeben. Ihr Studienobjekt war der Fußball-Bundesligist, 1. FC Nürnberg, der mehr als 30 000 organisierte Anhänger in über 600 Fanclubs hat.

    Das Buch zeichnet das vielschichtige Bild der Ultras, die sich zu einem bedeutenden Teil der Jugendkultur in Deutschland entwickelt haben. Losgelöst von den Interessen der Vereine, verfolgen sie ihre eigenen Ziele.„Sie werden in ihrer Gesamtheit gar nicht wahrgenommen“, sagt der Politologe. „Die Ultras bezeichnen sich selbst auch immer wieder als Sozialarbeiter. Auch wenn das manche im Fußball nicht gerne hören: Bis zu einem gewissen Punkt unterstreiche ich das.“

    Provokativ wie diese These wirkte im vorigen Jahr auch die Ringvorlesung an der Uni Würzburg zum Thema „Was können wir vom Frauenfußball lernen?“. Sie brachte Lange viele nützliche Kontakte zum Deutschen Fußball-Bund (DFB), zu Vereinen und Anhängern. Im Internet wird auf Fan-Foren wie „Nordkurve Leverkusen“, „Soccer-Fans“ oder „Gib mich die Kirsche“ über die Neugründung diskutiert. „Uns rufen auch viele Fanclubs an, die wissen wollen, was wir machen – und bereit sind, mitzuwirken.“

    Lange möchte „tagesaktuelle Themen aufgreifen, „wie die kontrovers diskutierte Genehmigung von Pyrotechnik in Stadien. Aber auch generelle nationale und internationale Entwicklungen möchten wir untersuchen – zum Beispiel die Veränderungen der Fan-Szene und den gesellschaftspolitischen Einfluss des Fußballs“, sagt er.

    Die Forschungsvorhaben auf der Internet-Seite des Instituts klingen verheißungsvoll für Wissenschaftler verschiedener Fakultäten: „Die Frau als Fan – Annäherung eines 'fremden' Wesens?“ wird da als Thema genannt, „Homophobie in der deutschen Fan-Szene“, „Sicherheit von Sportereignissen“ oder „Fußball als Sozialisierungsinstanz“.

    Für das Sommersemester 2012 plant Lange ein Seminar zum Thema Fankultur, das sich an Studierende alle Fächer richtet. „Wir sind zudem offen für die Betreuung von Bachelor-, Master-, Diplom- und Zulassungsarbeiten,“ sagt er. Zwar hat er bereits Anfragen von Studenten vieler Fachrichtungen. Aber noch sei man „kein Studiengang“, betont er:

    Auch mit der Finanzierung steht er am Anfang. „Das ist purer Idealismus. Wir bringen uns selbst ein. Wir haben keine Stellen und keine Ausstattung, aber eine wachsende Idee.“

    Zunächst einmal wollen Lange und seine Kollegen die Fußballfans unter die Lupe nehmen. Langfristig kann er sich aber auch vorstellen, „die Anhänger von bekannten Musikgruppen und Sängern genauer unter die Lupe zu nehmen.“

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