Die US-Regierung sammelt im Anti-Terror-Kampf weit mehr Daten aus Internet- und Telefonverbindungen als bislang bekannt. Die neun größten Online-Anbieter des Landes werden überwacht. Darunter sind Google, Microsoft, Apple und Skype. Im Rahmen einer zweiten Initiative erhält der Geheimdienst NSA von mindestens drei Telefongesellschaften sogenannte Metadaten.
Das „Wall Street Journal“ meldete am Freitag unter Berufung auf Insider, die NSA dokumentiere auch Kreditkarten-Transaktionen. Im Land hat eine erbitterte Debatte um den Datenschutz begonnen.
Die Rollenverteilung in dem Konflikt ist ungewöhnlich: Politiker beider Parteien stehen für die Praxis ein, denn der Kongress wird über die Initiativen seit Jahren im Bilde gehalten. Tatsächlich muss er sie sogar alle drei Monate verlängern. „Jeder sollte sich erst mal beruhigen und einsehen, dass das nichts Neues ist“, sagte etwa der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid. Die oppositionellen Republikaner unterstützen die Sicherheitsmaßnahmen, die im Kern noch aus der Ära Bush stammen, ohnehin. Für die Öffentlichkeit kommt das Ausmaß der Überwachung aber als Schock.
Nachdem der britische „Guardian“ zunächst nur die Überwachung der Telefonfirma Verizon enthüllt hatte, bestätigte die National Security Agency (NSA) das Programm. Schnell wurde bekannt, dass mindestens auch AT&T und Sprint betroffen sind. Regierung, Kongress und Agentur betonen, dass keine Gesprächsinhalte übermittelt werden, sondern sogenannte Metadaten: Nummer, Ort, Zeitpunkt und Dauer von Telefonaten, die von Kunden im Land geführt werden oder von außen hereinkommen.
Die Daten stünden den Terrorfahndern auch nicht ohne Weiteres zur Verfügung, erklärte der Nationale Geheimdienstdirektor James Clapper: Um zugreifen zu können, müssten sie den geheimen Foreign Intelligence Court überzeugen, dessen elf Richter vom Obersten Richter der Vereinigten Staaten ernannt werden. Sie dürfen nur Anträgen zustimmen, die anhand von konkreten Tatsachen darlegen, „dass das spezifische Ziel der Abfrage mit einer ausländischen Terrororganisation in Verbindung steht“, so Clapper. Letztlich dient die Datenbank dazu, zu überprüfen, welche Kontakte verdächtige Auslandsnummern in die USA unterhalten.
Datenschützer schäumten trotzdem, und selbst das bislang treueste unter den großen Printmedien schien Präsident Obama den Rücken zu kehren: Seine Regierung habe jedes Vertrauen verspielt, donnerte das Kommentatorenkollektiv der „New York Times“ in einem vernichtenden Meinungsbeitrag, der später leicht modifiziert wurde.
Wenige Stunden später enthüllten die „Washington Post“ und erneut der „Guardian“ die Existenz eines Programms namens Prism. Diesmal geht es auch um Inhalte: NSA-Dokumenten zufolge sammelt die Agentur im Internet E-Mails, Suchvorgänge, Chatprotokolle, Fotos, Videos und andere Dateien, die über die neun größten Dienstleister abgewickelt werden. Angeblich greift sie dabei sogar direkt auf die Server der Unternehmen zu: Google, Microsoft, Apple, Facebook, Skype, YouTube, Yahoo, PalTalk und AOL. An dieser Stelle herrscht allerdings noch Unklarheit, weil die Firmen eine so direkte Kooperation bestreiten.
Geheimdienstdirektor Clapper äußerte sich auch zu Prism: Das Programm richte sich nicht gegen US-Bürger, man sammele lediglich Informationen über Ausländer, erklärte der 72-Jährige. Datenschützer bezweifeln das: Wo E-Mails und Chatprotokolle aufgezeichnet werden, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch Informationen über US-Teilnehmer hängen bleiben – ohne eigenes Urteil eines Gerichts.
Es ist vermutlich kein Zufall, dass die geheimen Informationen jetzt durchgestochen wurden. Die Regierung steht ohnehin wegen des Versuchs unter Druck, Journalisten zu überwachen; im Land tobt ein Streit um die Balance zwischen Sicherheit, Freiheit und Transparenz.