Nach dem Austritt ging alles recht schnell. Bernd Lucke, einst Lichtgestalt der Alternative für Deutschland, ist seit Monaten in der Versenkung verschwunden. Im Juli verließ er die AfD, nachdem er als Vorsitzender spektakulär abgewählt worden war. Hintergrund war eine Diskussion über die politische Ausrichtung der Partei. Auf die Auseinandersetzung folgten eine Vereinsgründung, Aktionen, eine neue Partei. Alles trug pioniergeistige Namen: „Weckruf“, „Neustart“ oder „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“.
In Sachen Pioniergeist blieb es bisher größtenteils bei den Namen. Denn schon kurz nach der Gründung verschwand die neue Alternative zur Alternative „Alfa“ aus der öffentlichen Wahrnehmung. Immer noch nimmt der AfD-Gründer zum Beispiel auf seinem Internetauftritt Stellung zu vielen Themen. Vor Juli 2015 hörten viele zu, wenn er etwa die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf anging. Jetzt scheint die Aufmerksamkeit bei der AfD geblieben zu sein.
Alfa – eine Totgeburt?
Viele Probleme der Lucke-Partei lassen sich auf die mangelnde Öffentlichkeit zurückführen. Die Umfrageinstitute haben Alfa nicht in ihre wöchentlichen Stimmungsbarometer aufgenommen. „Diese Partei können Sie abhaken. Alfa war von Beginn an eine Totgeburt“, sagte der Chef des Umfrageinstituts Forsa, Manfred Güllner, dem „Handelsblatt“. Lediglich drei von 1000 Befragten hätten auf die Frage, welche noch nicht etablierte Partei für sie infrage käme, Alfa angegeben. Lucke widersprach: Alfa stehe erst am Anfang. Aktuell werden die letzten Landesverbände gegründet – die bundesweit erste Gründung eines Landesverbandes hatte es im August in Stuttgart (Baden-Württemberg) gegeben.
Die Flüchtlingssituation entwickelte sich in den vergangenen Monaten zum Knackpunkt für die neue Partei. Während die nach rechts gerückte AfD nach der Eurokritik jetzt nur noch über Flüchtlinge zu reden scheint, tut sich Alfa schwerer. Vor allem weil man auf keinen Fall in das rechte Eck rutschen will, in dem die AfD derzeit verortet wird. In Interviews betonte Lucke mehrmals, dass er aus der Not der Flüchtlinge kein politisches Kapital schlagen möchte.
In seinen Forderungen zu dem Thema klingt er moderat: Flüchtlinge solle man großzügig aufnehmen, aber nicht unbegrenzt. Er will eine „atmende Obergrenze“, die sich flexibel anpasse. Dabei sollen alle Gemeinden regelmäßig selbst entscheiden und melden, wie viele Flüchtlinge sie noch aufnehmen können.
AfDler müssen draußen bleiben
Dem Volkswirtschaftsprofessor kommt das heikle Thema rund um die Flüchtlinge nicht gelegen: „Da dominieren die Parteien mit den schrillen Tönen oder der moralischen Rigorosität“, wird er auf dem Internetauftritt von Alfa zitiert. Stattdessen redet Lucke über Euro-Politik. Trägt zusammen mit seinen Parteikollegen etwa eine Verfassungsbeschwerde gegen die EZB in Form von zwei Körben voller Ordner zum Bundesverfassungsgericht und lässt sich dabei ablichten. Der Familienvater von fünf Kindern will Themen spielen, die zu seiner AfD-Zeit bereits funktioniert haben – wie beispielsweise Bildungs- und Familienpolitik.
Immer wieder grenzt er sich deutlich von der AfD ab. Seit Dezember nimmt Alfa keine Ex-AfD-Mitglieder mehr auf. Lucke scheint die Kontrolle über seine neue Partei nicht wieder aus der Hand geben zu wollen. Ein Bernd-Höcke-Pendant bei Alfa will er mit einer Probezeit für Neumitglieder vermeiden. Derzeit sind es knapp 2800 Mitglieder, zusätzlich 50 in der Probezeit und es werden nur schleppend mehr. „Das ist kein Vergleich zu dem sprunghaften Anstieg in den ersten Monaten der AfD“, sagt Alfa-Sprecher Christian Schmidt.
Lucke (53) will die Menschen in den Wahlkämpfen überzeugen, sagt er. Aber auch dort hat die Partei damit zu kämpfen, dass niemand sie kennt. Denn für die Teilnahme an Landtagswahlen ist eine gewisse Zahl an Unterschriften auf Unterstützerlisten nötig. Alfa tat sich offensichtlich schwer, diese Zahl für die anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu erreichen und kam auf eine Idee: Wer unterschreibt, der nimmt gleichzeitig an einem Reise-Gewinnspiel teil. Die Unterschriften, die die Partei auf diesem Wege erhalten hatte, mussten aussortiert werden. Der Landeswahlleiter in Rheinland-Pfalz sah darin einen Rechtsbruch.
Eine weitere Hürde für die Partei könnte aus Augsburg kommen. Der Verein „Aktion Lebensrecht für alle“, der sich gegen Abtreibung starkmacht, hat Ende Oktober eine Klage eingereicht. Denn sowohl die Partei als auch der Verein werden mit „Alfa“ abgekürzt. Die Lebensschützer wollen unterscheidbar bleiben. „Wir befinden uns in einem schwebenden Verfahren“, sagt Vereinsvorsitzende Claudia Kaminski. Mit Informationen von dpa und afp