Fast zwei Jahrzehnte nach der deutschen Wiedervereinigung werden die Renten in Ost und West immer noch unterschiedlich berechnet. Zum Vorteil der heutigen und künftigen Ruheständler in den neuen Ländern: Denn mit ihren vergleichsweise geringeren Löhnen kommen sie auf höhere Altersbezüge als im Westen. Nach einer Rechtsangleichung wird immer wieder gerufen. Doch das ist kompliziert, wie die folgende Übersicht zeigt:
• Warum gibt es unterschiedliche Regelungen? Die Höhe der gesetzlichen Renten bemisst sich grundsätzlich nach den lohnbezogenen Beiträgen. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung war das Durchschnittseinkommen Ost aber nicht einmal halb so hoch wie in den alten Ländern. Wäre das westdeutsche Recht lupenrein auf den Osten übertragen worden, wäre die Rente dort ebenfalls nur halb so hoch wie die eines westdeutschen Durchschnittsverdieners.
• Was gilt allgemein für die Rentenberechnung? Entscheidend sind zwei Faktoren: der sich Jahr für Jahr verändernde Rentenwert und die jeweiligen Entgeltpunkte. Der Rentenwert entspricht dem Betrag der monatlichen Rente, die ein Durchschnittsverdiener in einem Jahr erreicht. Da der Durchschnittsverdienst Ost immer noch niedriger ist als im Westen, gibt es auch zwei unterschiedlich hohe Rentenwerte. Derzeit sind es 23,34 Euro im Osten und 26,56 Euro im Westen. Die Entgeltpunkte sind Ausdruck der individuellen Einkommensentwicklung über das gesamte Erwerbsleben hinweg.
• Wie errechnet sich daraus die Rente? Ist der Versicherte exakt ein Durchschnittsverdiener, erhält er für dieses Jahr einen Entgeltpunkt. Verdient er zum Beispiel die Hälfte mehr, bekommt er 1,5 Entgeltpunkte. Zur Festlegung der konkreten Rentenhöhe werden bei Rentenbeginn die im gesamten Erwerbsleben erworbenen Entgeltpunkte addiert und mit dem aktuellen Rentenwert des laufenden Kalenderjahres multipliziert.
• Was gilt für den Osten? Die immer noch deutlich geringeren Durchschnittslöhne Ost werden um einen Faktor höher bewertet, der den Unterschied zum Durchschnittslohn West ausgleichen soll. Für das laufende Jahr sind ein Durchschnittslohn West von rund 30 080 Euro und ein Durchschnittlohn Ost von rund 25 440 Euro unterstellt. Im Ergebnis werden die Ostlöhne derzeit um 18 Prozent aufgewertet. Für einen Durchschnittsverdiener im Osten ergeben sich damit genauso 1,0 Entgeltpunkte wir für einen Durchschnittsverdiener West.
• Was heißt das in der Praxis? Durch die Rentenanpassungsformel wiegt die Höherbewertung der Ost-Löhne inzwischen stärker als der niedrigere Rentenwert Ost. Dazu ein Beispiel: Ein Versicherter in Cottbus hat 2007 genauso wie ein Versicherter in Kiel 30 000 Euro im Jahr verdient. Rentenrechtlich wird der Cottbuser jedoch so behandelt, als hätte er knapp 35 000 Euro bekommen. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Rentenwerte kommt der Cottbuser für das entsprechende Lohnjahr auf einen Rentenzahlbetrag von 27,30 Euro, sein Kollege in Kiel dagegen nur auf 26,73 Euro.
• Wie könnte eine Angleichung aussehen? Derzeit liegen zwei Vorschläge auf dem Tisch. Die Linkspartei will den Rentenwert Ost umgehend auf Westniveau erhöhen, aber die Höherbewertung der Ost-Löhne beibehalten. Das würde nicht nur bis zu sieben Milliarden Euro mehr kosten. Angesichts der wohl noch länger bestehenden Lohnunterschiede wäre der Westen noch stärker im Nachteil als jetzt. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung regt indes an, zu einem bestimmten Stichtag die Rentenwerte zu vereinheitlichen und die Höherbewertung der Ost-Löhne zu streichen. Für alle heutigen Rentner würde sich dadurch nichts ändern.