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Welch eine bedingungslose Liebe

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Welch eine bedingungslose Liebe

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    Den Mops namens Siegfried gibt es seit 1921 – gemalt von Thomas Theodor Heine.
    Den Mops namens Siegfried gibt es seit 1921 – gemalt von Thomas Theodor Heine. Foto: FotoS: BaSTIAN KRACK

    Dieser tiefe Blick. Aufmerksam. Den Kopf leicht geneigt. Die Ohren aufgestellt. Sie hört alles. Und versteht alles. Ihre Pila. Ihre braun-schwarze Mischlingshündin. Davon ist Patricia Klingler überzeugt. Ihre Zuneigung zu dem Tier ist sichtbar: Die 54-Jährige strahlt Pila an und diese steht prompt in ihrem Korb auf und läuft zu ihr. Mit beiden Händen das feine Fell kraulend, sagt Klingler: „Meine Pila. Sie ist wirklich jeden Tag eine Freude für mich. Eine richtig große Liebe.“

    Pila ist ein zentraler Punkt im Leben von Familie Klingler. Das sind Hunde in vielen Familien. Auch in Paarbeziehungen, und vor allem bei Alleinstehenden. Und das seit langem. Wer im Bayerischen Nationalmuseum in München die aktuelle Schau „Treue Freunde. Hunde und Menschen“ besucht, kann eine Fülle dieser innigen Zweierbeziehungen als Kunstwerk betrachten. Mehr als 200 Werke und Ausstellungsstücke sind dort zu sehen, die das uralte, wechselvolle Mensch-Tier-Verhältnis beleuchten.

    Wieder auf der Straße, wird man ständig Zeuge herzlichster Gespräche mit dem Hund und fürsorglichster Zuwendung. Doch warum nehmen Hunde so oft eine zentrale Rolle ein? Einer, der das erforscht, ist Kurt Kotrschal. Der Professor an der Universität Wien hat in seinem Buch „Hund & Mensch – Das Geheimnis unserer Seelenverwandtschaft“ viel aufgedeckt und ein Plädoyer für das Zusammenleben geschrieben.

    Hunde helfen Kindern, sagt Professor Kurt Kotrschal

    Schon für Kinder ist es demnach gewinnbringend, wenn sie mit einem Hund groß werden: Sie werden nach Einschätzung von Kotrschal in vielerlei Weise gefördert und reduzieren Ängste. „In der Beziehung zu Tieren trainieren Kinder rascher und nachhaltiger als ,nur‘ in Kontakt mit Gleichaltrigen ihr prosoziales Verhalten, also die Fähigkeit, nett, zuvorkommend, rücksichtsvoll und kooperativ zu sein.“ Und: Hunde motivieren zu körperlicher Bewegung – davon profitiert der Mensch allerdings in jedem Alter. „Hundehalter sind gesünder“, sagt Kotrschal und kann auf etliche Studien verweisen. Wobei sich die positiven Effekte nicht nur auf die körperliche Bewegung und die Förderung sozialer Kontakte erschöpfen. Der ganze Organismus des Menschen werde durch das Leben mit Hund robuster.

    Aber warum der Hund? Für Kotrschal wurde die Basis unserer oft starken Hundeliebe in der Vorzeit gelegt: Hat doch schon vor etwa 40 000 Jahren die intensive Beziehung zwischen Mensch und Wolf begonnen. Das habe zum einen spirituelle Gründe: „Damals glaubten die Menschen an die Beseeltheit der Natur und damit auch an die Beseeltheit der Tiere. Und der Wolf war seit jeher ein Totemtier, ein Geschöpf also, das als enger Verwandter angesehen wurde.“ Man identifizierte sich gerne mit dem Wolf. „Hinzu kommt, dass Wölfe eine ähnliche Clan-Struktur wie Menschen haben. Wölfe ticken ähnlich wie Menschen. Waren in der frühen Vorzeit spezialisierte Laufjäger. Es gibt ein bestimmtes Grundverständnis. Kein Tier ist dem Menschen ähnlicher als der Wolf.“

    „Eine hundgerechte Stadt ist auch eine kindgerechte Stadt“

    Erstmals getrennt haben sich Wolfs- und Hundegenome vor etwa 35 000 Jahren. Mit der Sesshaftigkeit entwickelten sich langsam die Hunderassen, die wir heute kennen, erklärt Kotrschal. Und auch heute ist es der Hund, wie der Verhaltensbiologe erklärt, der sich von allen Tieren dem Menschen am besten anpasst. Gerade in unserem beschleunigten Lebensumfeld wächst nach Meinung des Wolfs- und Hundespezialisten aus Bayerns Nachbarland Österreich die Sehnsucht nach Natur, der Wunsch, mit einem Tier zu leben.

    Allerdings fordert Kotrschal auch Städte, die ein artgerechtes Leben erlauben: „Wir brauchen hundgerechte Städte. Denn eine hundgerechte Stadt ist auch eine kindgerechte Stadt.“ Kinder, Hunde, Eltern und Hundehalter brauchen seiner Ansicht nach Freiräume in der Stadt, Bewegungs-, Begegnungs- und Verweilzonen. Für den Forscher steht fest: „Die lange gemeinsame Entwicklungsgeschichte bedingt ein Menschenrecht auf Hundehaltung.“

    Was Menschen ihren Hunden allerdings alles antun, das erlebt Christian Uckermann regelmäßig. Der Hundetrainer arbeitet für das Tierheim Augsburg. Zu ihm kommen die schwierigsten Fälle. Die auffälligen Hunde. Diejenigen also, die beispielsweise aggressiv sind. Wer Hundeversteher Uckermann bei seiner Arbeit zusieht, ist verblüfft. Wie mit wenigen Worten, klaren Bewegungen, aber auch viel ruhiger Zuwendung ein zunächst wilder Hund innerhalb von Minuten zutraulich und gelassen werden kann.

    Uckermann sieht allerdings viele Mensch-Hund-Verhältnisse kritisch. Das fängt schon damit an, dass für ihn Hunde oft gerade in Städten nicht artgerecht gehalten werden. Auch müssen Hunde für Uckermann viel zu viele Funktionen übernehmen, die sie überfordern. „Die Gesellschaft hat immer weniger Wissen über Hunde“, beobachtet Uckermann. Vom Hund werde zunehmend verlangt, dass er einfach funktioniert.

    Der Vierbeiner als Partner und als Therapeut

    Kotrschal sieht dagegen keine Probleme, dass Hunde Ersatzfunktionen übernehmen. Etwa als Partner. Oder als Therapeut. „Das halten Hunde in der Regel gut aus. Wir Menschen können zu Hunden eine ebenso tiefe Beziehung aufbauen wie zum Menschen, weil Hunde unser soziales Alter Ego sind.“ Wichtig ist aber auch ihm, dass die Bedürfnisse des Hundes berücksichtigt werden. Das ist auch für Patricia Klingler entscheidend. Die gelernte Reisekauffrau hat sich zur Fachberaterin für tiergestützte Aktionen ausbilden lassen. Gerade in ihrer Arbeit mit pflegebedürftigen Senioren hat sie immer wieder erleben dürfen, dass Hunde ein großes Glück gerade auch für kranke Menschen sind. Aber warum liebt sie eigentlich ihre Pila so? „Das hat tausend Gründe“, beginnt sie und sieht ihrem vierbeinigen Liebling lächelnd zu, wie er eine Quietschente herumträgt. „Es ist diese bedingungslose Liebe, die mich so beeindruckt. Hunde fragen nicht: Wer bist du? Was kannst du? Entweder sie mögen dich oder nicht. Und gerade, wenn sie dich mögen, zeigen sie das deutlich.“

    Die Ausstellung „Treue Freunde. Hunde und Menschen“ läuft im Bayerischen Nationalmuseum in München noch bis 19. April 2020 (Eintritt: 12 Euro). Infos im Internet: www.bayerisches-nationalmuseum.de

    Tierisches Zusammenleben Und das sind Tipps von Hundetrainer Christian Ueckermann: Durch Flexi-Leinen lernt der Hund, zu ziehen. Eventuelle Folge: Er kann eine „Leinenaggression“ entwickeln. Auch könnte das dünne Material dieser Leinen von Radlern oft nicht gut gesehen werden. Besser sei eine Schleppleine. „Der Morgenspaziergang ist der wichtigste Spaziergang“, findet Uckermann. Und zwar im gedämpften Modus etwa eine Stunde. Der Hund brauche Zeit für seine Nasenarbeit. Nasenarbeit sei Kopfarbeit – ein Hund, mit dem am Morgen ausführlich spazieren gegangen wurde, sei den restlichen Tag wesentlich ausgeglichener. Vom Auspowern am Rad sei abzuraten – soweit es rassebedingt nicht erforderlich ist –, da nur der Körper gefordert werde und man auf Dauer einen Hochleistungssportler herantrainiere. Wer sich ausreichend und täglich mit seinem vierbeinigen Freund beschäftigt, benötigt für ihn nur ein, zwei Spielzeuge – darunter beispielsweise einen Futter-Kong. Sicherheit und Vertrauen sind die Basis jeder Mensch-Hund-Beziehung. Der Mensch müsse dem Hund Sicherheit geben. Gerade bei Spaziergängen sei es wichtig, vorausschauend unterwegs zu sein: Das heißt, Probleme für den Hund rechtzeitig erkennen und ruhig reagieren. Hat der Mensch alles im Griff, kann der unbesorgt neben ihm durch die Welt schreiten. Zum Einmaleins im Umgang mit dem Hund gehört: Lassen Sie ihn immer herkommen, gehen sie nicht direkt und bedrohlich auf einen Hund zu. Lassen Sie den Hund erst einmal schnuppern und fassen Sie ihn nicht gleich an. Kleine Kinder sollten nie ohne Aufsicht eines Erwachsenen mit einem Hund alleine gelassen werden. (huda/AZ)

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