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LONDON: Wie aus „Cool Britannia“ ein „Cold Britannia“ wurde

LONDON

Wie aus „Cool Britannia“ ein „Cold Britannia“ wurde

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    Theresa May
    Theresa May Foto: Foto: dpa

    Bis heute schwärmen die Gäste von dem rauschenden Fest, auf dem Musiker Models, Popstars und Politiker feierten. Der Gastgeber der Party im Juli 1997 hieß Tony Blair. Medien beschrieben ihn als „Visionär“, der Großbritanniens neuen Optimismus verkörperte – jenes „Cool Britannia“, auf das die Briten stolz waren. Der Begriff strahlte von der Insel in alle möglichen Ecken dieser Welt.

    Britpop-Bands wie Oasis führten die Hitlisten an, im Radio liefen Lieder von den Spice Girls oder Take That. Das hippe England dominierte Mode, Kultur und Design. Die Wirtschaft boomte, brachte Wohlstand, Arbeitsplätze und Investoren. Einwanderer wurden willkommen geheißen. Das ohnehin schon bunte London wurde noch kosmopolitischer und multikultureller. Es herrschte ein Jugendkult, der sogar Westminster erfasste und den der 43-jährige Labour-Politiker Tony Blair anführte.

    Vor genau 20 Jahren zog der jüngste Premierminister seit Anfang des 19. Jahrhunderts nach einem Erdrutschsieg in die Downing Street Nummer Zehn ein. Jetzt im Jahr 2017 scheint diese Zeit weiter denn je entfernt. In fünf Wochen stimmen die Briten in einer von Premierministerin Theresa May ausgerufenen Neuwahl über ein neues Parlament ab. In der Nacht zu Mittwoch wurde das Unterhaus aufgelöst.

    Zwar darf auch May mit einem Erdrutschsieg rechnen. Doch das „Cool Britannia“ ist uncool geworden. Medien sprechen sogar gerne von „Cold Britannia“ – dem kalten Königreich. Attribute, die Beobachter heute eher verwenden, um das Königreich zu beschreiben, sind: wütend, spießig, realitätsfremd. Zurück zu Glanz und Glorie, so fordern es viele Brexit-Anhänger und implizieren mit ihrem europaskeptischen Kurs, dass es die Schuld der EU sei, dass Großbritannien heute nicht mehr jene Weltmacht darstelle, die es zu früheren Zeiten einmal war. In einigen Kreisen, zu denen zum Leidwesen der übrigen 27 Mitgliedstaaten auch die britische Regierung zählt, herrscht die Annahme, dass der EU-Austritt ein voller Erfolg wird und London die Bedingungen diktieren könne.

    Darauf, dass sich nun auch die EU in Stellung gebracht und Leitlinien aufgestellt hat, reagierte May mit Anschuldigungen. Die Gemeinschaft wolle mit „Drohungen“ im Zusammenhang mit den anstehenden Verhandlungen auf die Parlamentswahl Einfluss nehmen. Der Zeitpunkt der Äußerungen sei bewusst gewählt worden, „um das Ergebnis der Wahl zu beeinflussen“. Der Ton wird seit Tagen auf beiden Seiten schärfer. Es braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um zu erkennen, dass es in diesem Prozess für beide Verhandlungspartner nur um Schadensbegrenzung gehen kann. May aber, so hieß es nach einem Treffen mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, lebe in einer anderen Galaxie. Das Gerücht, dass die EU mehr zu verlieren habe als Großbritannien, weshalb am Ende alles zugunsten des Königreichs ausgehen werde, hält sich ebenfalls hartnäckig.

    Politisch ist kaum etwas vom Esprit übrig, der vor 20 Jahren die Downing Street umgab. Die Labour-Partei zerlegt sich selbst und rechnet am 8. Juni mit einer historischen Niederlage.

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