(dpa) Die Wahl von Andrea Ypsilanti zur neuen hessischen Ministerpräsidentin wird für SPD und Grüne zur Zitterpartie. Nach der Hessen-SPD stimmten am Sonntag auch die Grünen auf einem Parteitag in Frankfurt mit großer Mehrheit für den ausgehandelten Koalitionsvertrag. Für neue Zweifel sorgte SPD-Landesvize Jürgen Walter. Der parteiinterne Rivale Ypsilantis lehnte den Vertrag überraschend ab.
Die SPD-Landesvorsitzende ist am Dienstag im Landtag auch auf Walters Stimme angewiesen. Andernfalls verfehlt sie die notwendige Mehrheit von 56 Stimmen, um als Chefin einer rot-grünen Minderheitsregierung den CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch ablösen zu können. Dazu benötigt sie auch die Unterstützung der Linken, was sie im Wahlkampf noch strikt abgelehnt hatte. SPD-Chef Franz Müntefering kündigte in der „Bild“-Zeitung an, er werde Ypsilanti trotz aller Vorbehalte gegen die Linkspartei die „Daumen drücken“.
Bei der SPD stimmten am Samstag in Fulda 95,3 Prozent der Delegierten für den Vertrag. Von 341 Delegierten votierten acht gegen den Antrag, acht enthielten sich. Walter selbst war bei der Abstimmung nicht anwesend und hatte erklärt, der Vertrag mit den Grünen gefährde Arbeitsplätze in Hessen. Noch vor einer Woche hatte er die Vereinbarung, die er mit ausgehandelt hatte, unterstützt. Bei den Grünen gab es unter den über 450 Delegierten nur acht Gegenstimmen und zwei Enthaltungen.
Ypsilanti gab sich nach dem Parteitag überzeugt, dass Walter das Votum beachten und ihr trotz seiner Kritik die Stimme geben werde. Sie berief sich auf eine entsprechende Zusage ihres Stellvertreters. Die Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger bekräftigte ihren Entschluss, mit Nein zu stimmen. Damit ist die SPD-Landesvorsitzende darauf angewiesen, dass alle anderen Abgeordneten von SPD (41), Grünen (9) und Linken (6) ihr die Stimme geben.
Ypsilanti bezeichnete den Koalitionsvertrag als solide Grundlage für eine soziale, ökologische und wirtschaftliche Erneuerung des Landes. Sie widersprach Kritik an den Abmachungen zum Ausbau der Flughäfen Frankfurt und Kassel-Calden sowie zu den Autobahnprojekten A 44 und A 49. Für Deutschlands größten Flughafen in Frankfurt will die künftige Regierung ein Nachtflugverbot anordnen und den Beginn des Ausbaus bis spätestens Ende 2009 aufschieben, um Gerichtsverfahren abzuwarten. Walter sagte, dieses Vorgehen gefährde die Baugenehmigung und damit Arbeitsplätze. Dies sei derzeit keinesfalls nicht zu verantworten.
Grünen-Chef Tarek Al-Wazir rief die SPD zu Geschlossenheit auf: Wenn der Regierungswechsel am internen Zwist der Sozialdemokraten scheitere, falle die SPD auf lange Zeit als Regierungskraft in Hessen aus. Die 2005 bei der Wiederwahl gescheiterte frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis erwartet, dass Ypsilanti gewählt wird. Wer erwäge, sie scheitern zu lassen, ziehe womöglich die ganze SPD mit in den Abgrund. „Wer sich überlegt, das zu tun, der bringt eine Persönlichkeit um, der bringt die Landtagsfraktion um, der bringt die hessische SPD um.“