„Alkohol? Kenn dein Limit“, heißt es seit Jahren bei der Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Viele Kinder und Jugendliche kennen ihre Grenzen jedoch nicht – und dies nicht nur zur Faschingszeit. Deshalb gibt die Bundeszentrale auch keine Entwarnung. Trotz diverser Aufklärungsprojekte steigt deutschlandweit die Zahl der Krankenhausbehandlungen bei den unter 20-Jährigen, die mit der Diagnose „akuter Rausch“ eingeliefert werden.
Auch die Faschingsbilanz des Polizeipräsidiums Unterfranken ist ernüchternd. Bei 21 gemeinsam mit den Jugendämtern durchgeführten Kontrollen hätten die Beamten bei Kindern und Jugendlichen teils erschreckend hohe Alkoholwerte festgestellt. „Trauriger Spitzenreiter“ sei eine 14-Jährige gewesen, die am Bad Brückenauer Faschingszug mit über zwei Promille angetroffen wurde. Beim Würzburger Faschingsumzug war laut Polizeibericht am Sonntagmittag ein 17-Jähriger mit 2,08 Promille unterwegs. Noch mehr hatte dem Bericht zufolge eine 16-Jährige am Sonntagabend in Sand am Main (Landkreis Haßberge) intus. Sie sei mit 2,28 Promille ihren Eltern übergeben worden. In Hollstadt-Wargolshausen (Landkreis Rhön-Grabfeld) sei ein Schüler bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert worden.Privatdozent Dr. Johannes Wirbelauer von der Kinderklinik der Universität Würzburg hat am Faschingswochenende mehr Jugendliche mit Alkoholvergiftung als sonst behandelt: Sechs Patienten seien mit ein bis zwei Promille eingeliefert worden, davon mehr Mädchen als Jungen. Das Würzburger Juliusspital hatte sieben Patienten im Alter zwischen 18 und 24 Jahren. „Der Spitzenreiter hatte 3,8 Promille“, so Sprecherin Martina Schneider.
Johannes Wirbelauer kennt das Problem jedoch das ganze Jahr über. Er erinnert sich an zwei Fälle, die beinahe tragisch geendet hätten: Einmal sei ein bewusstloser Jugendlicher von seinen Freunden hilflos auf der Parkbank liegend zurückgelassen worden. Ein andermal habe ein Bewusstloser in einem Bachbett gelegen. Beide hatten laut Wirbelauer neben der massiven Alkoholvergiftung noch eine Unterkühlung. „Dann wird es lebensgefährlich.“
Die Reaktionen seiner Patienten sind unterschiedlich. Der Mediziner erzählt von Kindern, denen es hinterher sehr unangenehm war, aber auch von Patienten und Eltern, denen das Besäufnis keineswegs peinlich war. Sie hätten es mit dem Satz abgetan: „Das gehört zum Jungsein dazu.“
Ginge es nach dem gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, sollten sich Eltern von Komatrinkern künftig an den Behandlungskosten mit pauschal 100 Euro beteiligen – „um sie an ihre Verantwortung zu erinnern“, sagte er der „Rheinischen Post“. Das wäre nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums durch die Gesetzgebung grundsätzlich abgesichert. Doch die Krankenkassen und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung sehen darin kein wirksames Mittel, das Rauschtrinken einzudämmen.
„Wir dürfen Ärzte nicht zum Hilfssheriff machen“, sagte eine Sprecherin des GKV-Spitzenverbandes. „Wer kann schon belegen, ob die Jugendlichen freiwillig getrunken haben oder von anderen animiert wurden?“ Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans (FDP) befürchtet, dass eine Kostenbeteiligung dazu führen könnte, „dass Kinder und Jugendliche abgehalten werden könnten, sich im Falle einer Alkoholvergiftung in ärztliche Behandlung zu begeben“. Und Johannes Wirbelauer appelliert grundsätzlich aufgrund seiner Erfahrung an die Freunde von betrunkenen Kindern und Jugendlichen: „Holt Hilfe.“
Mit Informationen von epd
Akuter Rausch und „HaLT“ – ein Projekt zur Suchtprävention
Bundesweit ist im Jahr 2011 die Zahl der Zehn- bis 19-Jährigen gestiegen, die so viel Alkohol getrunken hatten, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten: Laut Statistischen Bundesamt waren es 26 349 Patienten, 1,4 Prozent mehr als 2010 (25 995) und 62,3 Prozent mehr als im Jahr 2004 (16 423).
In Bayern wurden 2011 insgesamt 5778 unter 20-Jährige mit akutem Rausch ins Krankenhaus eingeliefert; 2010 waren es 5628 und im Jahr 2000 1865 unter 20-Jährige. Über den gesamten Zeitraum ist das laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung ein Anstieg von rund 210 Prozent.
Ein Projekt zur Suchtprävention, das bereits im Krankenhaus beginnt, heißt „HaLT – Hart am Limit“. Mehrere Krankenhäuser in Unterfranken beteiligen sich daran, darunter die Würzburger Universitäts-Kinderklinik. Die Ärzte regen bei den Patienten und deren Eltern ein Gespräch mit „HaLT“-Mitarbeitern an. Diese kommen in die Klinik, anschließend wird die Teilnahme an einem Seminar angeboten. Info im Internet: www.halt-in-bayern.de