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BERLIN: Zu viele Zugeständnisse an Erdogan?

BERLIN

Zu viele Zugeständnisse an Erdogan?

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    Besuch bei Erdogan: Unter dem Druck der Flüchtlingskrise hat Kanzlerin Angela Merkel ihre Strategie im Umgang mit der Türkei nachhaltig korrigiert.
    Besuch bei Erdogan: Unter dem Druck der Flüchtlingskrise hat Kanzlerin Angela Merkel ihre Strategie im Umgang mit der Türkei nachhaltig korrigiert. Foto: Foto: Tolga Bozoglu, dpa

    Zwischen den Bildern liegen nicht einmal zwei Jahre: Ein sichtbar genervter türkischer Präsident, dessen Hoffnungen auf einen EU-Beitritt die deutsche Kanzlerin gerade kühl abgewehrt hat – und ein strahlender Recep Tayyip Erdogan, dem Angela Merkel soeben versprochen hat, dass über den ersehnten Beitritt nun etwas zügiger verhandelt werden soll als bisher. Die Gespräche über eine „Dynamisierung“ des Prozesses, sagt sie zum Abschluss ihres Kurzbesuches am Sonntagabend in Istanbul, „sind sehr erfolgversprechend“.

    Unter dem Druck der Flüchtlingswelle hat die Kanzlerin ihre Strategie im Umgang mit der Türkei nachhaltig korrigiert. Obwohl CDU und CSU sich immer wieder gegen eine Aufnahme des Landes in die EU ausgesprochen haben, stellt Merkel der Türkei als Gegenleistung für deren Hilfe in der Flüchtlingskrise nicht nur finanzielle Unterstützung in Milliardenhöhe und eine leichtere Einreise ihrer Bürger in die EU in Aussicht, sondern auch Fortschritte bei den vor zehn Jahren begonnenen Beitrittsverhandlungen, bei denen nun auch über zwei bislang ausgeklammerte Bereiche gesprochen werden soll: Wirtschaft und Justiz.

    Sicheres Herkunftsland

    Sogar über eine Einstufung der Türkei als sicheres Herkunftsland will die Kanzlerin mit sich reden lassen – ein diplomatischer Drahtseilakt, weil der Türkei damit quasi amtlich bestätigt würde, dass dort die Menschenrechte geachtet werden und niemand aus politischen Gründen verfolgt wird. Tatsächlich ist Erdogans Türkei ein Land, in dem die Regierung kritische Demonstranten niederknüppeln lässt, in dem Journalisten verhaftet und Staatsanwälte zwangsversetzt werden, die wegen Korruptionsvorwürfen im Dunstkreis eben jener Regierung ermitteln wollen. Von den Wahlen in zwei Wochen erhofft Erdogan sich eine verfassungsändernde Mehrheit für seine Partei AKP, um eine Art Präsidialsystem mit ihm an der Spitze zu etablieren.

    Selbst eine loyale Gefolgsfrau wie die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt gerät da ins Grübeln: „Wir dürfen der Türkei nicht zu viele Zugeständnisse machen“, warnt sie in der „Welt“. Ein Beitritt zur Europäischen Union „steht nicht auf der Tagesordnung.“ EU-Kommissar Günther Oettinger vergleicht die Rolle, die seine Parteifreundin Merkel bei ihrer Reise in die Türkei gespielt hat, gar mit der einer Bittstellerin. Dass die Kanzlerin einmal in eine solche Verlegenheit komme, gesteht er, hätte er vor einem Jahr auch nicht gedacht.

    Migration über die Ägäis

    Während die türkische Presse am Tag danach den Besuch der Kanzlerin als klaren Sieg für Erdogan feiert, versucht Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin, die Reise in einen Erfolg für Merkel umzudeuten: Wie Deutschland über Demokratie und Rechtsstaatlichkeit denke, sei der Regierung in Ankara sehr wohl bewusst. Ohne die Hilfe der Türken aber, betont Seibert, werde die ungeordnete, illegale und teilweise lebensgefährliche Migration über die Ägäis nach Griechenland nicht zu stoppen sein. Innenminister Thomas de Maiziere formuliert es noch direkter: „Wir können nicht immer nur auf dem moralischen Sockel sitzen und alle Welt belehren.“

    Gut zwei Millionen Menschen aus Syrien, aus dem Nordirak, aus Afghanistan und Pakistan leben mittlerweile in den Flüchtlingslagern in der Türkei – und in Berlin will sich niemand vorstellen, was passiert, wenn auch sie sich noch auf den Weg nach Europa machen. „Wir müssen die europäischen Außengrenzen sichern,“ sagt CDU-Generalsekretär Peter Tauber. „Das geht nur gemeinsam mit der Türkei.“

    Von Erdogan hat die Kanzlerin bisher allerdings nur die Zusage bekommen, von Juli nächsten Jahres an die Flüchtlinge zurückzunehmen, die illegal über die Türkei in die EU eingereist sind. Dieses Abkommen aber war schon vor ihrem Besuch zwischen Brüssel und Ankara ausgehandelt. Es soll jetzt lediglich etwas früher in Kraft treten – möglichst zeitgleich mit dem Ende der Visumspflicht für Türken, die nach EU-Europa reisen.

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