Wie ein kleiner Wassertropfen hängt die Insel am griechischen Festland, betrachtet man sie aus der Luft: Klein und unscheinbar liegt das ovale Fleckchen Erde im Ionischen Meer. Unscheinbar? Kommt darauf an, was man sucht. Wer dem Massentourismus aus dem Weg gehen will, ist hier nämlich genau richtig. Auf Lefkas. Auf dem gerade mal 35 Kilometer langen und 15 Kilometer breiten Eiland ist noch ursprüngliches Griechenland erlebbar. In urigen Bergdörfern und malerischen Buchten.
„Wer einmal hier war, der kommt immer wieder“, schwärmt Helmut Karcher. Der 66-Jährige steht mit einem hölzernen Wanderstock im 300-Seelen-Bergdorf Poros im Süden der Insel. Hier beginnen viele der Touren, die der gebürtige Kölner anbietet. Es duftet nach Salbei, Thymian und Pinien. Zikaden zirpen im Gebüsch. Olivenbäume werfen Schatten auf einen steinigen Pfad. In der Ferne ist tiefblau das ruhige Meer zu sehen, in dem Inselchen um Inselchen liegt.
Die Abgeschiedenheit, das viele Grün und die Ruhe sind das, was der Wanderführer liebt. 1990 war Helmut Karcher nach einem persönlichen Tipp erstmals nach Lefkas gekommen – und hatte die Insel lieben gelernt. Das Ergebnis: Er hat sich prompt ein Ferienhaus gekauft. „Es war eine intuitive Entscheidung“, sagt der Lebenskünstler, der 2002 schließlich seinen Versicherungsjob aufgab und umsiedelte. Seitdem versucht er sich als Maler von abstrakten Bildern mit kräftigen Farben. Oder er zeigt Reisegruppen die ursprüngliche Insel, die zwischen Korfu und Kefalonia liegt und immerhin knapp 23 000 Einwohner hat.
Nichts ist hier nur für Touristen da. Das Leben auf der Insel funktioniere genauso gut ohne sie, sagt Tourismusmanager Spiros Mikronis. Das ist zum Beispiel im Örtchen Karya, der ehemaligen Hauptstadt der Insel, zu sehen. Alte Straßenschilder mit griechischer Schrift weisen den Weg über unzählige Serpentinen hinauf in den Ort. Rund 500 Meter über dem Meer scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Vor einem Laden sitzt eine Frau und bestickt eine Tischdecke. Neben einer Metzgerei in einem alten Steinhaus und einem Tante-Emma-Laden liegt der große Marktplatz, auf dem sich das Leben abspielt. Männer sitzen gestikulierend unter mächtigen Platanen, Kinder fahren Skateboard.
Unten, am Meer, spielen sich ähnliche Szenen ab. Gleichwohl sich die Orte Ligia, Nydri, Agios Nikitas und das lebendige Lefkas Stadt mehr auf Touristen eingestellt haben. Diese kommen überwiegend aus Skandinavien, den Niederlanden und England und mieten sich in kleinen Hotels und Pensionen ein. Bettenburgen und Hotelbunker findet man hier nicht. Denn Lefkas ist relativ unbekannt und mit seinen zerklüfteten Küsten und dem bergigen Hinterland – die höchste Erhebung ist der Stavrotas mit 1158 Metern – ohnehin kein idealer Standpunkt für Massentourismus.
Ein schattiges Plätzchen ist deshalb immer an den zahlreichen Stränden zu finden, die sich teilweise malerisch zwischen steilen Felshängen erstrecken. Ganz im Süden der Insel, am Porto Katsiki zum Beispiel, wo die Urlauber auf schneeweißen glatten Kieseln liegen und im türkisblauen Meer schwimmen. Oder am weiten Kathisma Strand, an dem Sonnenhungrige den Blick schweifen lassen können. Auf der Insel Skorpios, die von Nydri aus mit dem Schiff erreichbar ist, badet man in engen Buchten mit Ausblick auf die grünen Nachbarinseln. Skorpios ist zwar im Privatbesitz der Familie Onassis, die durch ihre Reederei reich und berühmt wurde; zwei schmale Kiesstrände sind jedoch öffentlich zugänglich. Die Insel sorgte Ende 1988 für Schlagzeilen, als die Erbin des Reederei-Imperiums starb. Christina Onassis wurde hier an der Seite ihres Bruders Alexander und ihres Vaters Aristoteles beigesetzt. Einzige Erbin ist die 1984 geborene Athina.
Auf dem Rückweg vom Strand bietet sich ein Besuch in einer der vielen Tavernen an, die sich sowohl in den Dörfern als auch einfach so am Straßenrand befinden. Hier gibt es fast überall authentische griechische Küche. Typisch für Lefkas ist eine luftgetrocknete Salami aus Rind- und Schweinefleisch, die als Vorspeise mit Brot gereicht wird. Dazu gibt es Salate aus Bohnen, Cremes aus Ziegenkäse, Schafskäse in Blätterteig oder frittierte Bällchen mit Gemüse und Minze gefüllt. Als Hauptspeise werden frischer Fisch – oft Oktopus – oder Fleisch mit verschiedenen Soßen, die häufig mit Zimt gekocht werden, serviert. In den Tavernen pulsiert am Abend eigentlich das Leben. Doch derzeit bleiben viele Tische leer.
Denn nicht nur die Unbekanntheit von Lefkas ist der Grund, weshalb gerade in diesen Wochen wenige Urlauber über die 50 Meter lange Schwenkbrücke auf die Insel fahren. Die Schuldenkrise, die manchen Ausländer verunsichert, trägt einen großen Teil dazu bei, dass Touristen aller Nationen derzeit fernbleiben. Was Hotels, Restaurants und Reiseleitern zu schaffen macht. Ausflugsboote, die Skorpios anfahren, legen derzeit wesentlich seltener ab als in den vergangenen Jahren. Viele abgelegene Tavernen sind leer, und auch Wanderführer Helmut Karcher führt kaum Gruppen durchs Hinterland, während er sonst in der Hauptsaison bis zu vier Touren pro Woche macht. „Denken die Leute, wir haben nichts mehr zu essen?“, fragt ein Hotelbetreiber.
Mit malerischen Bildern wirbt Wanderführer Karcher auf seiner Homepage, zeigt so die Schönheit von Lefkas. Doch wer die Insel erfahren will, muss dorthin reisen. Wie es einst der heute 66-Jährige tat. Er geht über einen Wanderweg nahe Paros, blickt auf das Meer und sieht die hügeligen Nachbarinseln wie schlafende Drachen im Wasser liegen. Sogar das Festland, den Peloponnes, kann er schemenhaft erkennen. „Diesen Ausblick muss man geradezu inhalieren“, schwärmt der Wanderführer und atmet tief ein.
Tipps zum Trip
Information: Griechische Zentrale für Fremdenverkehr, Neue Mainzer Straße 22, 60311 Frankfurt; Tel. (069) 25 78 270. Internet: www.visitgreece.gr und www.lefkada.gr Anreise: Auf die Insel Lefkas gelangt man zum Beispiel mit Air Berlin, die regelmäßig von Nürnberg oder München nach Preveza fliegt. Von Preveza aus kommt man über eine Schwenkbrücke auf die Insel. Wer sich seine Reise nicht individuell zusammenstellen will, kann eine Pauschalreise oder Rundreise beispielsweise bei Rhomberg Reisen buchen (www.rhomberg-reisen.com / Reisebüro Rhomberg GmbH, Eisengasse 12, A-6850 Dornbirn; Tel. 00 43/55 72/22 420, Gratis-Hoteline aus Deutschland 08 00/5 89 30 27). buchen. Preisbeispiel: Eine Woche im Hotel Konaki (drei Sterne in Ligia) inklusive Flug, Übernachtung mit Frühstück und Mietwagen ab/bis Flughafen Preveza gibt es dort je nach Jahreszeit schon um die 700 Euro pro Person. Reisezeit: Die beste Reisezeit sind die Monate Mai, Juni und September, weil dann die Temperaturen mit circa 22 bis 27 Grad angenehm fürs Wandern sind. Nebenkosten: Die Preise auf der Insel Lefkas sind moderat und definitiv günstiger als auf anderen griechischen Inseln. Ein halber Liter Hauswein kostet zwischen drei und vier Euro, eine Hauptspeise in der Taverne zwischen sieben und zehn Euro.
Ausflüge: Besonders lohnt sich ein Ausflug in den Urlaubsort Parga (im Bild) auf dem griechischen Festland. Die terrassenförmig in die Hügel gebaute Stadt liegt idyllisch an einer Bucht mit geschwungenen Stränden. Es gibt viele Bars, Restaurants und Tavernen. Aus Lefkas selbst findet man einen Ort der Ruhe im Kloster Faneromeni. Auf dem über der Stadt Lefkada thronenden Hügel, errichtet an der Stelle, an der im Altertum ein Heiligtum der Artemis stand, befindet sich das Kloster der Panagia Faneromeni, der Schutzheiligen Lefkadas. Vom Kloster aus kann man weit über Lefkada Stadt und das Meer blicken.
Für alle Ausflüge ist ein Mietwagen empfehlenswert.