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OCHSENFURT: Anstinken gegen die Großkonzerne

OCHSENFURT

Anstinken gegen die Großkonzerne

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    Schulterschluss: Michael Lendl, Geschäftsführer der Tecosol GmbH in Ochsenfurt, mit Rohstoffen für die Biodieselherstellung.
    Schulterschluss: Michael Lendl, Geschäftsführer der Tecosol GmbH in Ochsenfurt, mit Rohstoffen für die Biodieselherstellung. Foto: Foto: C. schuhmann

    Auf die Großlobbyisten aus Agrarbranche und Oleochemie ist Michael Lendl nicht gut zu sprechen. Sie seien die treibende Kraft hinter Gesetzen, die mittelständischen Unternehmen wie der Firma Tecosol in Ochsenfurt das Leben schwer machen, sagt der Geschäftsführer. Gemeinsam mit anderen Mittelständlern holt Tecosol nun zum Gegenschlag aus: Der neu gegründete Mittelstandsverband abfallbasierter Kraftstoffe (MVaK) will nun ebenfalls Lobbyarbeit betreiben.

    „Wir investieren jedes Jahr einen siebenstelligen Betrag in die Weiterentwicklung unserer Produktionsanlagen hier in Ochsenfurt, und dann ist das, was wir dort machen, auf einmal nicht mehr erlaubt“, ärgert sich Lendl. Tecosol produziert Biodiesel, der dem mineralischen Dieselkraftstoff beigemischt wird. Das Unternehmen versucht, seinen Biodiesel zu einem möglichst großen Anteil aus Abfallstoffen herzustellen. Derzeit seien das schon 70 bis 80 Prozent, der Rest werde aus frischem Pflanzenöl gewonnen, so Lendl. Das Ziel ist, irgendwann ausschließlich mit Abfallstoffen auszukommen.

    In Betracht kommen Stoffe wie Altspeisefett. Seit einiger Zeit kooperiert Tecosol mit Gastronomiebetrieben, die ihr verbrauchtes Bratfett an das Unternehmen abgeben (wir berichteten). Aber auch aus Schlachtabfällen ließe sich Biodiesel machen – wenn die Gesetze es zuließen. „Bis vor einem Jahr war es in Deutschland noch möglich, tierische Fette zu Biokraftstoff zu verarbeiten“, sagt Michael Lendl. Dann sei auf einmal ein Gesetz verabschiedet worden, das dies verbiete.

    Wer dahintersteckt, ist für Lendl klar: große Hersteller von Produkten, die ebenfalls auf tierische Fette als Rohstoff angewiesen sind und eine Verteuerung befürchteten, beispielsweise aus der Kosmetikbranche. Dass es sich hierbei nicht nur um eine Vermutung handelt, zeigt die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Abgeordneten Hans-Josef Fell. Dort wird der Ausschluss tierischer Fette als Grundstoff für Biokraftstoff wie folgt begründet: Die Fette würden bereits in anderen Sektoren genutzt, so die parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser in ihrer Antwort. Diese Verwertungswege sollten nicht beeinträchtigt werden.

    „In anderen europäischen Ländern darf tierisches Fett übrigens zu Biodiesel verarbeitet werden“, erklärt der Geschäftsführer. In Deutschland aber seien jetzt sogar Tendenzen erkennbar, auch Fettsäuren und pflanzliche Altspeisefette von der Verarbeitung zu Biokraftstoff auszunehmen. Dahinter vermutet Lendl die Agrarlobby, die keine Konkurrenz zum frischen Pflanzenöl dulden möchte.

    Für Tecosol sind solche Entwicklungen existenzbedrohend. Das Unternehmen ist ständig auf der Suche nach Abfallstoffen, aus denen sich Biodiesel herstellen lässt. Ist solch ein Stoff entdeckt, muss ein Verfahren zur Verarbeitung gefunden werden. Die Produktionsanlagen müssen entsprechend ausgerüstet werden – all das kostet viel Geld. Verbietet dann ein neues Gesetz die Verwendung dieses Grundstoffes, hat Tecosol das Geld umsonst investiert.

    Auch anderen mittelständischen Herstellern ergeht es so. Bisher hätten sie aber keine Möglichkeit gehabt, gegen die Großkonzerne „anzustinken“, sagt Michael Lendl. „Uns Kleine kennt ja keiner.“ Kämen Politiker zu Besuch in die Firma, wüssten sie meist gar nichts von den Gesetzen, die sie beschlossen hätten, sagt Lendl kopfschüttelnd. Und schon gar nicht seien sie sich der Auswirkungen der Gesetze bewusst.

    Zehn Biokraftstoffhersteller und -händler haben sich vor kurzem zum MVaK zusammengeschlossen, um endlich auch einmal gehört zu werden. „Derzeit stellen wir uns überall vor“, sagt Michael Lendl. Bei Ministerien, Parteien und der EU will der neue Verband einen Fuß in die Tür bekommen. Dort soll man zumindest im Hinterkopf haben, dass es da Experten gibt, die zu Diskussionen um das Thema Biokraftstoff etwas beitragen können.

    „Auch die Bevölkerung soll erfahren, was wir hier tun“, sagt Lendl. „Viele zeigen nämlich mit Fingern auf uns, weil sie glauben, wir würden ausschließlich gutes Speiseöl zu Sprit verarbeiten.“ In der Arbeit der MVaK-Mitglieder sieht der Tecosol-Geschäftsführer einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz. Schwer entsorgbare Abfälle würden verwertet, und abfallbasierte Kraftstoffe hätten keine Auswirkungen auf die Produktion und Preisentwicklung von Nahrungsmitteln.

    Wenn zukünftig Vorschriften über die Zulassung von Abfallstoffen als Biokraftstoff im Raum stehen, will der Verband ein Wörtchen mitreden. Vielleicht, so hofft Michael Lendl, kann sogar das Gesetz über die tierischen Fette wieder rückgängig gemacht werden.

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