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MARKTHEIDENFELD: Bei Braun brummt auch der Umsatz

MARKTHEIDENFELD

Bei Braun brummt auch der Umsatz

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    Die Produktion von elektrischen Zahnbürsten ist hoch automatisiert. Aber dennoch kann auf die Kontrolle durch Menschen nicht verzichtet werden. Hier schaltet eine Mitarbeiterin kurz das Gerät ein und führt eine Hör- und Sichtprobe durch.
    Die Produktion von elektrischen Zahnbürsten ist hoch automatisiert. Aber dennoch kann auf die Kontrolle durch Menschen nicht verzichtet werden. Hier schaltet eine Mitarbeiterin kurz das Gerät ein und führt eine Hör- und Sichtprobe durch. Foto: FOTOS (3) Andreas Brachs

    1963 lernte die erste Zahnbürste, von allein die Zähne zu putzen. Sie hieß mayadent und wurde in einer Pilotserie von gerade einmal 2000 Stück hergestellt. Der elektrische Urtyp war der manuellen Zahnbürste noch sehr ähnlich und schaffte es nie bis zur Serienreife. Erst 15 Jahre später begann die Massenproduktion von elektrischen Zahnbürsten.

    Aber was heißt schon Masse: Anfang der 80er Jahre konnte das Marktheidenfelder Braun-Werk, das damals noch zum US-amerikanischen Gillette-Konzern gehörte, erst 300 000 elektrische Zahnbürsten im Jahr herstellen. 2007 waren es bereits 21,5 Millionen, und Ende 2008 werden es rund 24 Millionen sein, erklärt Thomas Schäbler, Ausbildungsleiter in der Marktheidenfelder Niederlassung.

    Der Durchbruch kam 1991, als Braun die erste runde, oszillierende Bürste auf den Markt brachte. Inzwischen verdient die Braun GmbH, die 2005 samt Gillette von Procter & Gamble (USA) geschluckt wurde, nicht nur an der Erstausrüstung der Verbraucher mit den elektrischen Zahnbürsten, sondern vor allem mit den Ersatzzahnbürsten, die alle drei Monate neu auf das Handstück aufgesteckt werden müssen.

    Bisher 1,2 Milliarden abgesetzt

    Etwa 1,2 Milliarden Ersatzbürstchen hat Braun seit Beginn der Herstellung weltweit abgesetzt. Bei Stückpreisen von drei Euro aufwärts im Verkauf rotiert der Umsatz. Auch wenn P&G keine Umsatzzahlen für Braun veröffentlicht, handelt es sich um ein Milliarden-Geschäft. Kein Wunder, dass sich auf dem lukrativen Markt zahlreiche Konkurrenten und Nachahmer tummeln.

    So treiben Konkurrenz und Preiskämpfe die findigen Köpfe bei Braun ständig an, technische Neuerungen zu entwickeln und die Weltmarktführerschaft bei den elektrischen Zahnbürsten zu verteidigen.

    Der neueste Spross aus den Braun-Laboren im Werk Marktheidenfeld und in der Deutschland-Zentrale in Kronberg verspricht zumindest im aktuellen Wettkampf um die Gunst der Kunden „Triumph“. Das gleichnamige Produkt wartet erstmals mit einem über Funk mit der Zahnbürste verbundenen Display auf, damit man beim Zähneputzen die Kontrolle behält. Über 150 Einzelteile sind in diesem Hightech-Modell verarbeitet. Von der Entwicklung über den Bau von Prototypen-Werkzeugen bis zum eigenen Kunststoffspritzguss liegt bei Braun alles in eigener Hand. Nur Standardteile wie Antriebe oder Akkus kauft Braun ein. So bleibt das Know-how im Unternehmen und die Abhängigkeit von den Zulieferern begrenzt.

    Das hilft, extrem flexibel auf Kundenwünsche zu reagieren. „Wir produzieren nur auf Bestellung“, erklärt Ausbildungsleiter Thomas Schäbler das wichtigste Prinzip in der Fertigung. Zehn Tage genügen dem Werk vom Auftragseingang bis zur Auslieferung des gewünschten Produkts. Dabei stellen die 1400 Mitarbeiter in Marktheidenfeld je nach Kundenwunsch und Absatzmarkt 15 verschiedene Zahnbürstenmodelle mit über 100 Untertypen her – von der günstigen batteriebetriebenen bis zur teuren aufladbaren Hightech-Zahnbürste.

    Weihnachtsgeschäft im August

    Längst hat sich Braun von Betriebsferien im Sommer verabschiedet. Jahresarbeitszeitkonten erlauben es, die Mitarbeiter dann einzusetzen, wenn sie gebraucht werden. Das Weihnachtsgeschäft beginnt bereits im August – wenn Familien üblicherweise Urlaub machen wollen. In Marktheidenfeld ist das die Zeit der Ferienjobs. Bis zu 400 Studenten bevölkern dann die 11 000-Einwohner-Stadt, um die hochautomatisierte Produktion am Laufen zu halten, die außer sonntags keine Pause kennt.

    Immer größere Stückzahlen müssen die Märkte befriedigen, die Rentabilität des deutschen Standorts erhalten und die Beschäftigung sichern. Ein Personalaufbau in Marktheidenfeld ist derzeit undenkbar. Viele manuelle Tätigkeiten haben nicht nur die Niederlassung, sondern auch deutschen Boden schon in Richtung Osteuropa verlassen. Dabei hatte das Werk einst mit der Produktion von Küchengeräten begonnen. Zuletzt waren es nur noch ein paar Wasserkocher, die sich gegen die wachsende Übermacht der Zahnbürstchen gestemmt haben. Aber auch sie wurden weggeputzt, weil man die Kapazitäten brauchte.

    Dafür fehlt es inzwischen an Fachpersonal. Braun kommt dem Nachwuchsproblem auf vielen Wegen entgegen, erklärt Schäbler. Das beginnt bei im Durchschnitt zwei Werksführungen pro Woche – auch für Schüler –, reicht über Kooperationen mit Bildungsstätten und Berufsinformationstagen bis hin zur betriebsinternen Weiterbildung. Je nach Ausbildungsstand, Arbeitskräftebedarf und verfügbaren Arbeitsplätzen schult Braun die eigenen Beschäftigten in drei Monaten zu höherqualifizierten Mitarbeitern wie Maschinenbediener oder Anlagenführer. Und auch bei den Auszubildenden legt das Werk zu: Dieses Jahr steigt ihre Zahl um 41 Prozent auf 82, referiert der Ausbildungsleiter aus seinem eigenen Bereich.

    Damit setzt Braun Stück für Stück neue Steinchen ins werkseigene Mosaik, das sich in der Kantine aus den Fotos der Beschäftigten zusammensetzt. Alles hat nur ein Ziel: „Erfolg in einer sich ändernden Welt“, wie das P&G-Motto lautet. Für die US-amerikanische Konzernspitze müssen Kundenzufriedenheit, technische Innovation und Rentabilität stimmen, dann bleiben auch in einer globalisierten Welt die vergleichsweise teuren deutschen Arbeitsplätze sicher.

    Schon jetzt muss sich Marktheidenfeld die Zahnbürstenproduktion mit Carlow (Irland), Shanghai (China) und Mexiko-City teilen. Doch bisher kommt keine der ausländischen P&G-Töchter an das Volumen des deutschen Werks heran. Bei Menge und Innovation bleiben die Marktheidenfelder führend. Dafür rotieren hier täglich nicht nur die Zahnbürsten.

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