Er fordert Unternehmer auf, jeden Tag Grimassen vor dem Spiegel zu schneiden oder aus purer Freude im Café Fremden anonym einen Kaffee auszugeben: Jürgen T. Knauf pflegt für einen Unternehmensberater ungewöhnliche Ansätze. Der 55-Jährige aus Kitzingen hat seiner Agentur Scopar in Würzburg einen ganzheitlichen Ansatz auf die Fahnen geschrieben. Der Mensch, der Mitarbeiter müsse als Dreiklang von Körper, Geist und Seele verstanden werden – was sich auch in Knaufs im Eigenverlag erschienenen, fiktiven Wirtschaftsroman "Kaleidoskop der Scherben" spiegelt. Körper, Geist und Seele: Knauf sagt im Interview, was das notleidenden Unternehmern in Zeiten von Corona bringen soll.
Frage: Herr Knauf, nehmen wir an, ich bin Geschäftsmann mit 300 Mitarbeitern. Wegen Corona geht in meinem Betrieb nichts mehr, die Kasse ist leer, ich stehe vor dem Aus. Machen Sie mir als Unternehmensberater mal Mut.
Jürgen T. Knauf: Zum einen sollten Sie die Krise als Chance sehen und entdecken, wo die Engpässe sind. Sei es, was Lieferanten, Kunden oder Know-how anbelangt. Zum anderen sollten Sie die Hilfsmöglichkeiten in Anspruch nehmen, die Bund und Bayern bieten.
Aber was bringt es mir, die Engpässe in meinem Unternehmen zu erkennen, wenn ich bald Personal auf die Straße setzen oder für immer schließen muss?
Knauf: Es führt dazu, dass Sie Ihr Geschäft so aufstellen können, dass es in Zukunft besser funktioniert und krisensicherer ist. Und es können die Probleme auf eine natürliche Art und Weise eliminiert werden, die Sie in der Vergangenheit haben schlummern lassen.
Schön und gut. Aber sollte ich die Corona-Krise als Geschäftsmann überleben, dann habe ich hoffentlich gleich wieder gut zu tun – und keine Zeit mehr, mir solche grundlegenden Gedanken zu machen. Ich muss schlicht und einfach das Defizit wieder aufholen, und zwar schnell.
Knauf: Genau deswegen sollte die Zeit jetzt genutzt werden, um sich für die Zeit nach der Krise entsprechend aufzustellen.
Sie raten grundsätzlich zum Training für Körper, Geist und Seele. Zum Beispiel: Morgens 30 Sekunden Grimassen schneiden vor dem Spiegel, um was zum Lachen zu haben. Wenn ich auf mein notleidendes Unternehmen schaue, vergeht mir aber das Lachen.
Knauf: Das eine ist die Physis. Sie wirkt sich auf die Psyche aus. Auch wenn Sie gar nichts zu lachen haben, ist es erwiesen, dass es Ihnen nach 30 Sekunden mit Grimassen vor dem Spiegel besser geht.
Was raten Sie mir noch?
Knauf: Auf jeden Fall ist Bewegung an der frischen Luft, insbesondere im Wald, etwas sehr Gutes. Etwas, das sich auf den Geist und die Psyche positiv auswirkt. Auf den Körper natürlich auch. Da werden die Gedanken frei und gehen vielleicht in eine neue Richtung.
Angenommen, ich schaffe es durch die Krise. Was muss ich als Unternehmer nach Corona anders machen?
Knauf: Wie erwähnt: Die Engpässe, die Ihnen vorher um die Ohren flogen, so in den Griff bekommen, dass Sie Ihnen künftig eben nicht mehr um die Ohren fliegen. Nehmen wir das Thema Digitalisierung: Wenn Sie sie bislang versäumt haben und jetzt nicht in der Lage sind, über Home-Office-Konzepte oder Webkonferenzen oder ähnliches zu reagieren, zeigt es, dass Sie in der Vergangenheit etwas versäumt haben. Deswegen ist es sinnvoll, jetzt die Zeit zu nutzen, um nicht nur aufzuräumen, sondern um mit Innovationen nach vorne zu denken und zu überlegen, was zu tun ist, damit so eine Situation nicht noch einmal entsteht.
Innovationen sind Investitionen. Dafür habe ich aber im Moment gar kein Geld.
Knauf: Das hängt vom Typ des Unternehmens ab. Innovationen sind oft auch nur ein Um-Denken und Um-Handeln. Und es geht darum, in den richtigen Bereichen zu investieren – die bisherigen Investitionsfelder können jetzt infrage gestellt werden. Wichtig ist in jedem Fall, sich schon jetzt Gedanken zu machen. Und einen Prioritätenplan zu haben für den Moment, wenn es wieder losgeht. Um dann eben zu wissen: Was sind meine wichtigsten Punkte, die ich sofort abarbeiten muss?
"Wir werden jetzt auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt."
Unternehmensberater Jürgen T. Knauf über die Einstellung von Geschäftsleuten
Haben wir Unternehmer bis vor Corona zu wenig Demut gezeigt?
Knauf: Absolut. Demut, Dankbarkeit, Reflexion – vielleicht auch Langsamkeit. Ich schließe mich da gar nicht aus. Wir werden jetzt auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, weil wir bisher meinten, alle Möglichkeiten wahrnehmen zu müssen, die die Welt bietet.
In welcher Weise soll ich meinen Mitarbeitern jetzt Demut und Dankbarkeit zeigen?
Knauf: Indem Sie es vorleben. Indem Sie den Mitarbeitern achtsam begegnen und deren Sorgen und Probleme ernsthaft wahrnehmen.
Noch konkreter. Soll ich vielleicht jeden Tag an die Arbeitsplätze gehen und allen Mitarbeitern danke sagen? Oder immer am Eingang stehen und sie einzeln begrüßen?
Knauf: Zeit nehmen für ein Eins-zu-Eins-Gespräch mit den Mitarbeitern. Nicht nur einmal im Monat oder einmal im Jahr. Und dann ernsthaft fragen, mit welchen Sorgen die Mitarbeiter in der Vergangenheit gekämpft haben, welche sie jetzt plagen und wo man als Unternehmer helfen kann.
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Ich werde meine Belegschaft in die Kurzarbeit schicken müssen. Was mache ich jetzt? Soll ich etwa die Mitarbeiter in ihrer arbeitsfreien Zeit anrufen, um mich nach ihrem Befinden zu erkundigen?
Knauf: Das ist ja auch bei Home-Office ein Thema. Da können Sie über Skype, Zoom oder Teams zusammenkommen. Ich erlebe das zurzeit mit unseren Kundenworkshops, die wir online durchführen: Da ist eine Kamera, man sieht sich, durchaus auch mal in der privaten Umgebung – das wirkt sich positiv auf das Zusammengehörigkeitsgefühl aus. Das ist etwas anderes, als nur am Telefon, per E-Mail oder Whatsapp in Kontakt zu sein.
Für ratsuchende Unternehmen haben die IHK Würzburg-Schweinfurt und die Handwerkskammer für Unterfranken im Internet Corona-Infoportale eingerichtet. Auch gibt es Telefon-Hotlines. Alle Links und Nummern sowie weitere nützliche Adressen finden Sie in unserem regionalen Wirtschaftsblog: www.mainpost.de/im-plus