Wir sprachen mit Franz-Josef Eichhorn, Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (früher: Fachhochschule) über die Besonderheiten des Dispokredits.
Frage: Was ist ein Dispokredit überhaupt?
Franz-Josef Eichhorn: Der Dispositionskredit ist eine Art des Kontokorrentkredits – eben als kurzfristiger Kredit. Er wird hauptsächlich an Privatpersonen vergeben, und das zur kurzfristigen Krediteinräumung. Das geschieht zudem häufig stillschweigend. Seine Merkmale sind die fehlende Zweckgebundenheit; er ist damit sehr flexibel einsetzbar
Was ist der Unterschied zum Überziehungskredit?
Eichhorn: Der Überziehungskredit als Teil des Kontokorrentkredits wird über das Kreditlimit hinaus vom Verbraucher abgerufen und ihm eingeräumt. Ohne Kreditlimit ist der gesamte Kredit ein Überziehungskredit.
Nach der jüngsten Leitzinssenkung der EZB fragen sich jetzt viele Verbraucher, warum diese nicht weitergegeben wird.
Eichhorn: Das ist eine zweischneidige Angelegenheit. Banken reichen Zinssenkungen der Notenbank bei Spar- und Termineinlagen üblicherweise sehr schnell weiter, da sie dadurch ihre Kosten senken können. Dagegen geben sie die niedrigeren Zinsen im Kreditgeschäft und hier insbesondere im Konsumentenkreditgeschäft in Form der Kontokorrentkredite normalerweise überhaupt nicht oder stark zeitverzögert weiter, um ihre Erlöse nicht zu schmälern.
Welche Gründe gibt es für den großen Abstand zwischen dem niedrigen EZB-Leitzins und den hohen, zweistelligen Kontokorrentzinsen?
Eichhorn: Ersten: Die Inanspruchnahme solcher Kredite seitens der Kunden ist für eine Bank – wenn überhaupt – nur schwer planbar. Damit muss sie sich unter Umständen das Geld für die Kreditvergabe entweder vergleichsweise teuer am Interbankenmarkt beschaffen oder als liquide Mittel ohne Zinseinnahmen vorhalten. Zweitens: Der Kontokorrentkredit als Kleinkredit verursacht noch relativ hohe zusätzliche Kosten für die Bank. Vor allem die Prüfung der Kreditwürdigkeit mit Hilfe eines sogenannten Kreditscorings, darunter versteht man die standardisierte Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Schuldner durch Ermittlung eines Zahlenwerts, hat nach wie vor hohe IT-Aufwendungen zur Folge, da die einfließenden Merkmale ständig gepflegt werden müssen. Drittens: Die Kreditausfälle werden – wie im Kreditgeschäft üblich – durch eine Risikoprämie, die in den Zins einkalkuliert wird, ausgeglichen.
Was verdienen die Banken am Dispokredit eigentlich?
Eichhorn: Der Kontokorrentkredit ist in normalen wirtschaftlichen Zeiten, wenn also keine Rezession mit hohen Ausfallraten droht, eines der wenigen wirklich profitablen Bankgeschäfte. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre sind praktisch alle Banken im Privatkundengeschäft verstärkt in dieses Geschäftsfeld eingestiegen mit entsprechend umfangreichen Werbemaßnahmen. Vorreiter war die einstmalige Citibank, die durch ihre außerordentlich hohen Gewinne mit diesen Krediten andere Banken ebenfalls dazu motivierte. Teilweise kommt es bei der Vermarktung zu recht amüsanten Wortschöpfungen, indem die Kreditaufnahme werbemäßig nicht als „Verschulden“, sondern pikanterweise als „Entsparen“ bezeichnet wird.
Wann sollte ein Kontokorrentkredit beansprucht werden?
Eichhorn: Ein Kontokorrentkredit ist eigentlich nur in Notfällen aufzunehmen, insbesondere Konsumausgaben wie Reisen oder ähnliches darüber zu finanzieren ist äußerst kostspielig. In Anbetracht unseres spärlich ausgestatteten gesetzlichen Rentensystems und geringer werdender Arbeitsplatzsicherheit sollte das Gegenteil, nämlich die Vermögensbildung präferiert werden.
Wie lange sollte ein Kontokorrentkredit beansprucht werden?
Eichhorn: Als sehr teurer Kredit ist er vor allem in ungeplanten Ausnahmefällen und lediglich zeitweilig in Betracht zu ziehen. Bei einer dauerhaften Inanspruchnahme sind kostengünstigere Kredite, wie etwa Ratenkredite, klar zu bevorzugen.
Welche Fehler werden häufig begangen?
Eichhorn: Wenn der Kreditnehmer einen kostspieligen Kontokorrentkredit aufnimmt und gleichzeitig Geldanlagen wie Sparbuch etc. nicht auflöst, dann zahlt er hohe Kreditzinsen und erhält sehr geringe Zinserträge. Hier sollte ein Kredit überhaupt nicht aufgenommen beziehungsweise – falls schon geschehen – umgehend mit vorhandenem Geldvermögen getilgt werden, um Kosten einzusparen.
Wie kann ein Verbraucher seine Kosten für den Kontokorrentkredit beurteilen?
Eichhorn: Vordergründig braucht er nur auf die Höhe der Effektivverzinsung zu achten. Dies ist allerdings kein besonders guter Beurteilungsmaßstab. Ein vermeintlich günstiger Effektivzins kann zu vergleichsweise hohen monatlichen Kostenbelastungen führen. Hier hilft nur eines: Der Kunde muss seine Entscheidung ausschließlich anhand der Höhe der tatsächlichen Belastung pro Monat in Euro treffen inkl. der eventuell anfallenden Tilgungszahlungen.
Warum hat der Kunde beim Kontokorrentkredit – im Gegensatz zu anderen Bankprodukten – praktisch keine Verhandlungsmacht hinsichtlich der Konditionen, also der Zinshöhe?
Eichhorn: Bei kurzfristigen Krediten können nur Kunden mit tatsächlicher Verhandlungsmacht ihre Konditionen mit der Bank individuell verhandeln. Die Verhandlungsmacht setzt ein hohes nachgefragtes Volumen und eine einwandfreie Kreditwürdigkeit voraus. Nur wenn beide Bedingungen gleichzeitig erfüllt wären, hätte der Kunde ein Mitspracherecht bei den Konditionen.
Welches Gefahr kann mit einem Kontokorrentkredit noch verbunden sein?
Eichhorn: Meldet die Bank eine Kreditinanspruchnahme der Schufa kann dies für den betroffenen Verbraucher ungeahnte Folgen bei weiteren Kreditanschaffungen – etwa beim nächsten Autokauf – haben.