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ERFURT: Es wird nicht leichter, ein besseres Arbeitszeugnis zu erstreiten

ERFURT

Es wird nicht leichter, ein besseres Arbeitszeugnis zu erstreiten

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    Verschlüsselte Floskeln in Arbeitszeugnissen, wie sie zu bewerten sind und wer im Klagefall die Beweislast trägt, das behandelte am Dienstag der neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt. Das Urteil: Es bleibt alles beim Alten. „Der Senat bleibt bei seiner Linie“, sagt Pressesprecher Waldemar Reinfelder. Die Formulierung „Zur vollen Zufriedenheit“ bleibe weiter eine Durchschnittsnote.

    Der Fall: Die ehemalige Mitarbeiterin einer Berliner Zahnarztpraxis möchte eine bessere Gesamtbeurteilung im Arbeitszeugnis bekommen. Bisher steht darin die Formulierung, die Frau habe „stets zur vollen Zufriedenheit“ gearbeitet, was eben mit der Schulnote 3 übersetzt werden kann. Das Berliner Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vertraten die Sicht, dass in der Branche bessere Zeugnisse üblich sind. Selbst wenn nach Studien fast 90 Prozent der untersuchten Zeugnisse die Gesamtnoten „gut“ oder „sehr gut“ haben, führe das nicht zu einer anderen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, entschied das Gericht.

    Welche Bedeutung diese Darlegungs- und Beweislast hat, erklärt Reinfelder. Wer vor Gericht etwas durchsetzen wolle, müsse grundsätzlich seinen Anspruch beweisen. Im Fall der Arbeitszeugnisse sei das aber nicht ganz so einfach. Die Rechtsprechung habe da eine Linie eingezogen, oberhalb derer Beschäftigte die Beweislast tragen, unterhalb die Arbeitgeber. Möchte beispielsweise eine Beschäftigte eine Formulierung im Zeugnis so verändern, dass die Bewertung dann über dem Durchschnitt liegt, muss sie beweisen, dass das gerechtfertigt ist. Stellt ein Arbeitgeber ein Zeugnis aus, das unter dem allgemeinen Durchschnitt liegt, so ist es im Fall eines Gerichtsverfahrens seine Sache darzulegen, dass es für die besonders schlechte Bewertung Gründe gibt.

    Die ehemalige Mitarbeiterin der Berliner Zahnarztpraxis muss also nun beweisen, dass sie besser gearbeitet hat, als ihre Chefin ihr attestiert hat. Dazu hat das BAG die Sache an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

    Im Vorfeld der Gerichtsverhandlung am Dienstag hatten manche gehofft, dass es für Beschäftigte künftig einfacher werden könnte, eine bessere Note zu erstreiten, weil der Durchschnitt nach oben gerutscht wäre. Wären die obersten deutschen Arbeitsrichter nämlich der Lesart der Vorinstanzen gefolgt, wäre die Bewertung mit gut („stets zur vollen Zufriedenheit“) zum Richtwert in Arbeitszeugnissen geworden.

    Den Richtern lagen Studien vor, nach denen fast 90 Prozent der untersuchten Zeugnisse die Schlussnoten „gut“ oder „sehr gut“ aufweisen sollen. Doch könnten da auch Gefälligkeitszeugnisse eingeflossen sein, heißt es in einer Pressemitteilung des BAG.

    Darüber hinaus bezweifelten sie die Aussagekraft einer Beurteilung, wenn „gut“ zum Durchschnitt wird. „Wenn jeder ein gutes oder sehr gutes Zeugnis hat, macht das Zeugnis dann überhaupt noch Sinn?“, umriss einer der Richter das Problem einer Aufweichung der Skala. Zudem hieß es bei der Verhandlung, dass Beschäftigte, die wirklich eine besondere Leistung erbringen, dann möglicherweise benachteiligt würden.

    Die gesetzliche Regelung dazu, wie Arbeitszeugnisse aussehen müssen, umfasst übrigens ganze sieben Sätze in Paragraf 109 der Gewerbeordnung. Im Tenor muss eine Beurteilung klar und wohlwollend sein – Letzteres allerdings im Rahmen der Wahrheit, so das Bundesarbeitsgericht am Dienstag.

    Die meisten Zeugnis-Streitfälle werden außergerichtlich geklärt, sagt der Würzburger Fachanwalt Bernd Spengler (siehe nebenstehendes Interview). Dennoch beschäftigen sie immer wieder auch die Gerichte. Zu Form und Inhalt dieses wichtigen Papiers in der Bewerbungsmappe gibt es zahlreiche Urteile. Zuletzt entschied das Bundesarbeitsgericht im Dezember 2012, dass Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Dankesformel haben. 2005 stellten die Bundesrichter klar, dass ein Zeugnis von einem Vorgesetzten unterschrieben sein muss. Und 1999 erlaubten sie, dass der Zeugnisbogen gefaltet sein darf. Mit Informationen von dpa

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