Es gibt EU-Kommissare, die, wenn sie so richtig sauer sind, schon mal die amtliche Würde hinter sich lassen. So geschehen vor zwei Jahren: Die Stadt Brüssel hatte gerade den Taxi-Ersatzdienst Uber verboten, da schimpfte die damalige Digitalkommissarin Neelie Kroes über Twitter: „Eine verrückte Entscheidung. Zeigen wir unsere Wut.“ Darunter prangte ein selbst entworfenes Banner „Uber ist willkommen.“
Kroes schied Ende 2014 aus dem Amt und ist seit einigen Monaten für Uber tätig. Gestern zogen ihre Nachfolger bei der Kommission nach und legten einen Entwurf vor, mit dem die Mitgliedstaaten veranlasst werden sollen, Uber und anderen Start-Ups das Leben nicht so schwer zu machen.
„Die neuen Geschäftsmodelle sollten in einer verantwortungsvollen Weise gefördert werden“, heißt es in einer Erklärung von Kommissions-Vize Jyrki Katainen, zuständig für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen, sowie seiner Kollegin Elzbieta Bienkowska, die die Bereiche Binnenmarkt und Industrie verantwortet. Die sogenannte kollaborative Wirtschaft (sharing economy) sei „eine Chance für Verbraucher, Einzelunternehmer und Unternehmen“.
Tatsächlich liegen Uber sowie der Zimmer-Vermittler Airbnb, der Finanzdienstleister Lendico oder die Arbeitszentrale Wework im Trend. Sehr zum Ärger angestammter Interessensverbände wie der Taxi-Unternehmen oder des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes. Vor allem Uber hat in einigen Mitgliedstaaten den Zorn der Politik auf sich gezogen. In Deutschland, Frankreich und Belgien wurde das Unternehmen, das private Fahrer mit ihren Autos als Taxi-Ersatz vermittelt, ausgebremst. Das sei aber kein Weg, meint die Kommission: „Absolute Verbote sollten das letzte Mittel bleiben.“
Stattdessen müssten die Mitgliedstaaten alles daran setzen, die neuen Anbieter im Internet nicht mit überzogenen Auflagen zu behindern. „Solche Plattformen brauchen keinen Genehmigungs- oder Zulassungsanforderungen zu unterliegen, wenn sie lediglich als Vermittler zwischen Verbrauchern und den Anbietern der eigentlichen Dienstleistung auftreten“, heißt es in dem Dokument aus dem Haus von Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Auch von der Haftung für Informationen, die im Namen von Dienstleistern aufgenommen werden, müssten die Start-Ups nicht haften. Für Privatpersonen, die die Angebote nutzen wollen, dürfe es keine „unverhältnismäßigen Pflichten“ geben.
Solche Hinweise sind eindeutig auf Uber und Arbnb gemünzt. Die EU-Kommission fühlte sich zum Handeln berufen, weil nationale und lokale Behörden mit einem „Flickenteppich verschiedener Regulierungsmaßnahmen“ auf den schnell wachsenden Markt der Sharing Economy reagiert hätten.
Während der Fahrdienste-Anbieter im Dauerclinch mit Behörden und Taxiverbänden liegt, unter anderem weil die privaten Fahrer über keine Personenbeförderungslizenz verfügen, kämpft der Wohnungsvermittler in Deutschland gegen das Zweckentfremdungsgesetz, das private Fremdvermietungen von Zimmern einen Riegel vorschieben will.
Dabei zeigen sich immer mehr Bundesbürger bereit, Eigentum nicht mehr zu kaufen, sondern zu leihen. In einer Umfrage von TES-Emnid gaben immerhin 45 Prozent der Befragten an, eine positive Einstellung zur gemeinsamen Nutzung von Autos und Wohnung zu haben.
66 Prozent hielten dieses Modell für einen Beitrag zum Schutz der Umwelt, 30 Prozent zeigten sogar Interesse daran, statt eigener Kleidung Anzüge oder andere Outfits gegen eine Art Flatrate für eine bestimmte Zeit in Kaufhäusern und Märkten zu leihen. Ob es der Kommission nun gelingt, Uber und Airbnb salonfähig zu machen, ist noch offen. Die Mitgliedstaaten werden in den kommenden Monaten über den Vorstoß entscheiden.
Wenn die Wohnung nebenan zum Ferien-Apartment umfunktioniert wird, kann das für Nachbarn durchaus unangenehme Folgen haben. Airbnb hat den Geplagten am Donnerstag Hilfe versprochen: Verärgerte Nachbarn können sich künftig direkt beim Bettenvermittler Airbnb über Nutzer beschweren, die ihre Wohnungen über das Mitwohnportal vermieten. Seit Anfang Juni bietet das Unternehmen aus San Francisco eine entsprechende Funktion auf seiner Internet-Plattform an. Der Service gilt zunächst allerdings nur in den USA.
Klagen über kommerzielle und rücksichtslose Nutzer, die Lärm und Stress für Nachbarn bedeuten, begleiten den rasanten Aufstieg von Airbnb schon lange. Das Geschäftsmodell des 2008 gegründeten Unternehmens aus dem Silicon Valley erfreut sich zwar hoher Beliebtheit, ist aber umstritten.
Das rasante Wachstum von Airbnb stellt eine Bedrohung für die Hotel-Industrie mit ihrer einflussreichen Lobby dar. Das von Investoren mit etwa 25,5 Milliarden Dollar (knapp 23 Milliarden Euro) bewertete Unternehmen listet nach eigenen Angaben mehr als zwei Millionen Zimmer und Ferienwohnungen rund um den Globus. Mit Informationen von afp
„Uber ist willkommen.“
Neelie Kroes, frühere EU-Kommissarin nach dem Uber-Verbot in Brüssel via Twitter