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BERLIN: „Feind, Todfeind, Genosse“

BERLIN

„Feind, Todfeind, Genosse“

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    Immer für ein offenes Wort: Manfred Schell
    Immer für ein offenes Wort: Manfred Schell Foto: Foto: dpa

    Man stelle sich vor, Angela Merkel würde ihren einstigen Mentor Helmut Kohl auffordern, „sich in eine Ecke zurückzuziehen und seinen Altersstarrsinn für sich zu behalten“. Was für ein Skandal! Merkel macht so etwas aber nicht. Claus Weselsky schon. Der tiefenenthemmte Chef der Lokführer-Gewerkschaft GDL hat seinen Vorgänger Manfred Schell mit genau diesen vor Antipathie triefenden Worten bedacht.

    Nicht minder böse fordert er indirekt den Ausschluss Schells aus der Gewerkschaft: „Wenn seine Ortsgruppe einen Antrag stellt, ihn rauszuwerfen, werden wir im Vorstand bestimmt nicht dagegen sein.“

    Attacken mit Wucht

    Warum attackiert der von keinerlei Selbstzweifeln belastet wirkende Sachse den legendären und langjährigen Chef der Lokführer-Gewerkschaft mit solcher Wucht? Schließlich stand Schell von 1989 bis 2008 an der Spitze der Arbeitnehmer-Organisation. Der heute 71-jährige Bundesverdienstkreuz-Träger erkämpfte im Tarifstreit 2007/2008 erstaunliche elf Prozent mehr Lohn und trotzte der Bahn einen eigenständigen Tarifvertrag für die Lokführer ab – ein großer Erfolg für ihn. Und es war Schell, der seinen damaligen Vize Weselsky förderte. Heute aber, beklagen Vertraute des einstigen GDL-Bosses, „beißt der Geförderte seinen Förderer“, so dass Schell von sich aus entnervt das Amt des GDL-Ehrenpräsidenten niedergelegt hat. In einem Hintergrundgespräch fällt das einschlägige Zitat zu dem Vorgang: „Wir vergeben dem Geber nie ganz. Die Hand, die uns füttert, ist immer in einer gewissen Gefahr, gebissen zu werden.“ Die Erkenntnis stammt vom US-Philosophen Ralph Waldo Emerson. Lokführer sagen es auch literarisch. Den derart von Weselsky „Gebissenen“ erreichen wir telefonisch zu Hause in Aachen, kämpferisch wie immer. Schell sagt, er rechne noch im Dezember mit seinem Ausschluss aus der Gewerkschaft: „Ich werde mich dagegen jedoch zur Wehr setzen.“ Dabei attestiert Schell seinem Ziehsohn Weselsky diktatorische Züge, indem er ihn mit besonders verhaltensauffälligen Polit-Egomanen wie Assad und Mao vergleicht.

    Damit spielt der Ex-GDL-Chef darauf an, dass Weselsky etwa seine beiden einstigen Vizes aus dem Amt zu befördern wusste: „Die haben ihm widersprochen. Das duldet er nicht.“

    Drängt der neue GDL-Chef alle zur Seite, die im Weg stehen? Der so kritisierte Weselsky sieht das anders. Einer seiner beiden früheren Stellvertreter habe bei einem Hauskauf unzulässig private Interessen und seine Gewerkschaftstätigkeit verknüpft. Der Vorwurf an den einstigen GDL-Vize: Unterstützt von dem zweiten damaligen GDL-Stellvertreter habe er versucht, über die Gewerkschaft einen zusätzlichen Kredit für sein Haus zu bekommen. Zuvor seien ihm die Baukosten aus dem Ruder gelaufen. Schell glaubt aber, Weselsky habe den Vorgang deshalb so aufgebläht, um sich der beiden diskussionsfreudigen Stellvertreter zu entledigen. Schell bescheinigt seinem Nachfolger tief gehende charakterliche Defizite: Weselsky habe in seiner GDL-Karriere immer schon offen den jeweils vor ihm stehenden Chef kritisiert.

    „Stachel im Fleisch“

    „Ich dachte, das gibt sich, wenn er selbst Chef ist“, räumt Schell ein. Doch da habe er sich getäuscht. Jetzt dränge Weselsky alle zur Seite, die ihm im Weg stehen. Nach Gesprächen mit Vertretern beider Lager wird klar: Die beiden kommen nicht mehr zusammen. Schell will nicht in einer Ecke schweigen: „Ich bleibe der Stachel im Fleisch Weselskys.“ Am Ende gilt die Devise von Franz Josef Strauß: „Feind, Todfeind, Parteifreund.“ In der Gewerkschaftssprache: „Feind, Todfeind, Genosse.“

    Tarifkonflikt

    Keine Lösung: Die Deutsche Bahn steht im Tarifkonflikt wieder vor einer kritischen Phase. Am Freitag führt der Konzern getrennte Verhandlungen mit den beiden Gewerkschaften EVG und GDL. Sollten Fortschritte ausbleiben, könnten den Bahnkunden wieder Streiks drohen. Ein Spitzengespräch mit den drei Beteiligten war jüngst ohne Verständigung auf künftige gemeinsame Verhandlungen zu Ende gegangen. Daran hatten Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber sowie die Vorsitzenden der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kirchner, und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, teilgenommen. Text: dpa

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