Rezession? Die griechischen Reeder spüren wenig davon. In den Krisenjahren 2011 und 2012, als die griechische Wirtschaft um insgesamt 14 Prozent schrumpfte, übernahmen die Nachfahren des Odysseus 416 neue Schiffe im Wert von knapp 8,6 Milliarden Dollar. Im gleichen Zeitraum orderten sie bei Werften rund 300 Neubauten im Auftragsvolumen von 14,5 Milliarden Dollar.
Griechenlands Wirtschaft kämpft mit der schwersten Krise seit Kriegsende, aber in der Handelsschifffahrt sind die Griechen weiterhin Weltklasse. Die von griechischen Reedern kontrollierte Tonnage stieg von 173 Millionen Tonnen im Jahr 2007 auf 217 Millionen Tonnen im Jahr 2012. Damit gebieten Griechen über die weltgrößte Handelsflotte, vor Japan, Deutschland und China. Mit dem Abschwung im Welthandel seit der Finanzkrise 2008 wurden die griechischen Reeder besser fertig als viele ihrer japanischen, deutschen oder skandinavischen Konkurrenten. Antizyklisch investieren, lautet schon seit der Ära der legendären „Tankerkönige“ Onassis und Niarchos eines der Erfolgsrezepte der griechischen Reeder. Diese Strategie half ihnen, aus Krisen gestärkt hervorzugehen. Die Tankschifffahrt ist seit den 1950er Jahren, als Aristoteles Onassis in Hamburg die „Tina Onassis“ bauen ließ, den damals weltgrößten Öltanker, eine Domäne der Griechen. Heute werden mehr als 60 Prozent der chinesischen Ölimporte von griechischen Tankern transportiert. Früh erkannten die griechischen Reeder auch den Trend zu Flüssiggas (LNG)-Tankern. Von den 82 Gastankern, die im vergangenen Jahr in den Orderbüchern der Werften standen, wurden 46 auf griechische Rechnung gebaut. Branchenexperten erwarten, dass die Charterraten für Gastanker in den kommenden Jahren deutlich anziehen werden. Darauf setzen griechische Reeder wie die Angelicoussis-Gruppe, die elf Flüssiggastanker im Auftragswert von zwei Milliarden Dollar bauen lässt. Der Reeder Peter Livanos investiert 1,6 Milliarden Dollar in sechs LNG-Tanker, die 2015 ausgeliefert werden sollen. George Prokopiou hat für seine Reederei Dynagas, die bereits drei Gastanker betreibt, weitere sieben Schiffe bestellt, und die Cardiff Marine des Reeders George Economou vergab Order über vier LNG-Tanker. Economou hat in den vergangenen Jahren außerdem massiv in Bohrschiffe für die Öl- und Gasexploration investiert.
Die 762 griechischen Reeder erwirtschaften zwar mehr als sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts und sichern 192 000 Arbeitsplätze. Zu den Steuereinnahmen des Staates tragen sie allerdings so gut wie nichts bei. Ein Verfassungsartikel aus dem Jahr 1967 befreit sie von der Besteuerung. So flossen nach Angaben der griechischen Zentralbank in den Jahren 2002 bis 2011 Einnahmen von rund 175 Milliarden Dollar aus der Handelsschifffahrt ins Land – unversteuert. Immerhin betätigen sich einige namhafte Reederfamilien als großzügige Mäzene. So spendiert die Niarchos-Stiftung der Stadt Athen gerade ein neues Opernhaus und eine Nationalbibliothek. Kosten des vom Star-Architekten Renzo Piano entworfenen Komplexes im Küstenvorort Faliron: 566 Millionen Euro. Auch Aristoteles Onassis hinterließ bei seinem Tod 1975 die Hälfte seines auf mindestens sechs Milliarden Dollar geschätzten Vermögens einer gemeinnützigen Stiftung, die unter anderem in Athen ein großes Kulturzentrum betreibt, die Künste fördert und Stipendien vergibt.
Ungeachtet solcher Wohltaten sorgt der steuerfreie Status der Reeder aber in der Krise für Kontroversen. Die Regierung bittet deshalb die Reeder jetzt wenigstens etwas zur Kasse. Sie müssen nun eine Tonnagesteuer zahlen. Der Beitrag, den ihnen die Regierung abverlangt, hält sich allerdings in Grenzen – aus Sorge, die griechischen Reedereien könnten sonst ihre Unternehmen ganz ins Ausland verlegen. 80 Millionen Euro soll die neue Tonnagesteuer in diesem Jahr einbringen – ein lächerlich kleiner Betrag, gemessen an den Milliardenumsätzen der Branche.