Fünf Minuten dauert der Weg über die Brücke nach Polen. Und schon gelten andere Gesetze: längere Öffnungszeiten in den Supermärkten zum Beispiel. Auch sonntags ist östlich der Oder alles geöffnet. Entsprechend voll ist es auf dem Fußgängerweg von Slubice nach Frankfurt an der Oder. Frauen mit großen Plastiktüten überqueren die Brücke, drei junge Männer haben den Arm voller Bierdosen. Doch an Sonntagen könnte das bald der Vergangenheit angehören. Denn in Polen wird heftig über eine Schließung der Geschäfte am Sonntag diskutiert.
„Wir gehen sonntags oft in Polen einkaufen, wenn uns mal Milch oder Eier fehlen“, sagt Familienvater Florian Ellinghaus. Für seine zwei Söhne sei das auch ein Event, weil es andere Chips-Sorten gibt und der Kuchen grammweise abgewogen wird. Wären die polnischen Geschäfte künftig am Sonntag geschlossen, würde der Familie schon etwas fehlen. „Aber ich frage mich sowieso, wie es sein kann, dass es in einem katholischen Land solche Öffnungszeiten gibt.“
Das fragt sich auch eine Gruppe Abgeordneter in Polen: Sie will eine Änderung des Arbeitsgesetzes erreichen und den Sonntagshandel verbieten. Über Parteigrenzen hinweg haben die Politiker im Mai eine Gesetzesinitiative gestartet. Die meisten sind Katholiken und argumentieren, dass durch die Sonntagsarbeit das Familienleben zerstört werde.
Dabei ist auch für viele Polen der Sonntag der Tag des entspannten Shoppens. Ganze Familien ziehen in die Einkaufszentren der Großstädte, in denen mit Kinderbetreuung, Kinos und zahlreichen Restaurants meist auch zusätzliches Unterhaltungsprogramm gesichert ist.
Beifall für die Gesetzesinitiative gibt es von den Gewerkschaften und der in Polen einflussreichen katholischen Kirche. Wann im Parlament über das Projekt abgestimmt wird, steht noch nicht fest. Der liberal-konservative Regierungschef Donald Tusk hat jedoch bereits Ablehnung signalisiert. „Es ist Heuchelei, wenn in der heutigen Zeit davon die Rede ist, dass der Sonntag ein arbeitsfreier Tag für alle ist“, sagte er angesichts der vielen Sonntagsarbeiter außerhalb des Handels. Er fürchte vielmehr, dass ein Verbot des Sonntagshandels zum Verlust zahlreicher Arbeitsplätze führen werde.
Ähnlich sieht es der Rat polnischer Handelszentren. „Aus unseren Zahlen geht hervor, dass das zu Umsatzeinbußen von zehn Prozent, bei einigen Firmen sogar bis 25 Prozent führen könnte“, warnt die Direktorin des Firmenverbandes, Anna Szmeja Kroplewska. Bis zu 40 000 Stellen könnten wegfallen. Auch die Linkspartei „Palikot-Bewegung“ kritisiert den Vorschlag scharf. „Wir haben in Polen zwei Millionen Arbeitslose und zwei Millionen Menschen, die für eine Arbeit das Land verlassen haben“, sagt der Abgeordnete Lukasz Gibala. Niemandem sollte eine Weltanschauung aufgezwungen werden.