Die Telekom müsse dies schon im Sinne der rund drei Millionen nicht klagenden Aktionäre tun, hieß es. Auch das Gericht hält nach den Worten des Vorsitzenden Richters eine friedliche Beilegung des rund 80 Millionen Euro schweren Streits zwischen mehr als 16 000 Anlegern und der Deutschen Telekom AG für „schlicht ausgeschlossen“.
Die Verhandlung um den angeblich falschen Verkaufsprospekt bei der Platzierung der dritten Tranche von Telekom-Aktien im Jahr 2000 begann in einer eigens angemieteten Stadthalle mit mehr als einer Stunde Verspätung. Der Vorsitzende Richter Christian Dittrich war auf dem Weg nach Frankfurt mit dem Zug im Schnee steckengeblieben. Die erwarteten Proteste wütender Kleinanleger vor Verhandlungsbeginn blieben aber aus. Auch von den mehr als 800 beteiligten Kanzleien waren nur wenige Anwälte erschienen.
Lediglich eine Aktionärin stellte sich den Fragen der zahlreichen Berichterstatter. Die 66 Jahre alte Christa Grehler-Steier hatte im Vertrauen auf die Seriosität des früheren Staatsunternehmens für rund 3500 Euro Aktien gezeichnet, die aktuell nur noch ein Sechstel des gezahlten Preises wert sind.
Die Juristen aller Seiten kritisierten zu Beginn des zunächst auf 17 Termine angelegten Riesenverfahrens das eigens für den Fall Telekom geschaffene Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG). Richter Dittrich sagte, das Gesetz mache die Verhandlung zu einer „sehr zähen, langwierigen und umständlichen Angelegenheit“. Klägeranwalt Andreas Tilp aus Tübingen hatte bereits vor einer Verhandlungsdauer gewarnt, die bis zu 20 Jahre dauern könne.
Das Gericht folgte zunächst dem Vorschlag Tilps nicht, bereits beim ersten festgestellten Fehler des Börsenprospektes das Musterverfahren zu beenden und auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu warten. Damit ließe sich die Entscheidung aus Sicht der Kläger erheblich beschleunigen. Das Landgericht Frankfurt hatte als erste Instanz dem OLG einen Fragenkatalog mit über 180 Einzelpunkten vorgelegt, an deren Abarbeitung sich das Gericht am ersten Verhandlungstag machte.
Als erster Zeuge soll in der kommenden Woche der Ex-Telekom-Chef Ron Sommer zum Erwerb des US-Mobilfunkunternehmens VoiceStream rund einen Monat nach dem Börsengang gehört werden. Ein weiterer zentraler Streitpunkt ist die Bewertung des Immobilienvermögens des Unternehmens.
Die Klägeranwälte verwiesen auf einen von dem Unternehmen in den USA geschlossenen Vergleich zu ähnlichen Rechtsfragen, bei dem sich die Telekom zur Zahlung von 120 Millionen US-Dollar (aktuell 76,5 Millionen Euro) verpflichtet hatte. Anwalt Schmitz begründete dies mit höheren Prozessrisiken für das Unternehmen im US-Rechtssystem. Es sei aber kein Prospektfehler anerkannt worden. Die Kläger wollen Einblick in die Akten aus dem US-Verfahren erzwingen. Es soll sich nach Tilps Angaben um 1,2 Millionen Seiten handeln, die unter anderem von der Bundesregierung unter Verschluss gehalten würden.
Tilp griff vor Prozessbeginn die Telekom-Werbestrategie aus dem Jahr 2000 an. Unter anderem hatte Manfred Krug als Tatort-Kommissar für die angeblich renditesichere Volksaktie geworben. Nun werde die Aktie von der Telekom in die Nähe des hochspekulativen Neuen Marktes gerückt. Die Telekom-Juristen argumentieren, die Anleger hätten in einem von der New Economy geprägten Umfeld gehandelt, in dem die umstrittenen Buchwerte von Immobilien kaum eine Rolle spielten. „Die damalige Werbestrategie und die heutige Verteidigungslinie des Unternehmens passen nicht zusammen“, sagte Tilp.
Online-Tipp
Nicht der erste Ärger für die Telekom. Eine Übersicht: www.mainpost.de/online-tipp