Die Möbelbranche in Deutschland ist in Wallung. Viele Händler sind bemüht, den Spagat zwischen Ladengeschäft und Online-Shop so schmerzfrei wie möglich zu meistern. Indes setzen einige Einrichtungshäuser auf Wachstum durch Übernahmen.
XXXLutz gehört dazu. Die österreichische Firmengruppe mit dem überdimensionalen roten Stuhl als Markenzeichen machte zuletzt mit der Übernahme von Poco im April 2018 und Teilen des Discounters Roller im vergangenen Oktober Schlagzeilen.
Mehr noch: Deutschland-Chef Alois Kobler hatte vor zwei Monaten bei der Eröffnung der neuen XXXLutz-Deutschlandzentrale auf dem Würzburger Heuchelhof verkündet, dass sein Unternehmen die Nummer eins der Branche werden möchte.
Das lässt aufhorchen, ist doch Platzhirsch Ikea noch große Schritte voraus. Dennoch sieht sich Kobler auf der Überholspur. Was das für das Unternehmen, seine Kunden und die Möbelbranche im Land bedeutet, erklärt er im Interview.

Frage: Herr Kobler, Sie haben kürzlich verkündet, XXXLutz zum Möbelhändler Nummer eins in Deutschland machen zu wollen. Ikea hat mit 5 Milliarden Euro Jahresumsatz etwa 1 Milliarde Vorsprung. Das aufholen zu wollen, ist sportlich.
Alois Kobler: Wir sind grundsätzlich sportlich ausgerichtet. Und wir wachsen in Deutschland schneller als Ikea.
Wann wollen Sie denn Ikea überholt haben?
Kobler: Ich habe vor kurzem gesagt: in fünf Jahren. Dabei möchte ich bleiben.
Was tun Sie für die Kunden, damit XXXLutz Ikea überholen kann?
Kobler: Das ist tägliches Arbeiten, das sind tägliche Veränderungen. Wir sind sehr darauf bedacht, auf alle Marktveränderungen schnell zu reagieren. Das ist eine unserer Stärken.
Das wird Ikea auch sagen.
Kobler: Mag sein, aber wir haben zusätzlich den Vorteil, dass wir auch Betriebe übernehmen. Das ist zum einen schwer, weil diese Betriebe integriert werden müssen. Dazu zählen auch Umstrukturierungsprozesse, damit alles zusammenpasst. Zum anderen haben wir über Jahre hinweg bei jeder Übernahme etwas dazugelernt. Jeder Betrieb, den wir übernommen haben, hat Sachen gut gemacht. Wir versuchen, das Gute zu bewahren. Und wir versuchen, das vielleicht nicht ganz so Gute zu korrigieren und an die XXXLutz-Struktur anzupassen. Insgesamt macht uns das jedes Mal stärker.
"Am liebsten alle."
Alois Kobler auf die Frage, welche Möbelhändler XXXLutz noch übernehmen will.
Wen wollen Sie als Nächstes übernehmen?
Kobler: Am liebsten alle (lacht). Da sind wir relativ offen. Es stellt sich ja nicht nur die Frage: Wen wollen wir übernehmen? Sondern: Wer will übernommen werden? Eine Firmenübernahme ist eine ganz spezielle Sache. Da müssen beide Seiten hundertprozentiges Vertrauen zueinander haben. Wir sind mittlerweile ein sehr angesehener Partner. Man vertraut uns. Man weiß, dass die Sachen, die wir vereinbart haben, auch umgesetzt werden.
Kurzum: Sie streben Wachstum durch Übernahmen an. Nochmal die Frage: Was genau werden Ihre Kunden in diesem Zusammenhang spüren?
Kobler: Das Wachstum wird nicht nur durch weitere Übernahmen passieren, sondern auch durch Weiterentwicklung der eigenen Standorte.
Jetzt haben Sie die Frage noch nicht beantwortet, was Ihre Kunden spüren werden. Etwa besondere Rabatte, ganz neue Angebote, Überraschungen im Sortiment?
Kobler: Über den Giga-Einkaufsverband haben wir Möglichkeiten, die kein zweiter Anbieter in der Branche besitzt, wenn es um Tiefe und Breite des Sortiments im Zusammenspiel mit Bestpreisen und Leistung geht. Wir können Trends, die viele nur online spielen können, mit attraktiven und zeitgemäßen Präsentationen in unseren Möbelhäusern zeigen – so schaffen wir die Verknüpfung zwischen Online-Geschäft und stationärem Handel. Unsere Mitarbeiter sind weltweit auf Messen unterwegs, sie wissen heute schon, was in zwei Jahren angesagt sein wird. Entsprechend geben wir dieses Wissen an unsere Produktentwicklung und den Einkauf weiter. Mit der Bündelung und den günstigen Einkaufskonditionen treffen wir klare Aussagen. Das kann beispielsweise ein sehr hoher Rabatt auf einzelne Warengruppen oder auf einen ganzen Modellbereich sein.
Für Händler ist die Kombination von Online-Shop und stationärem Laden ein Spannungsfeld, ein Spagat. Wie gehen Sie damit um? Wollen Sie an beidem in gleichem Maß festhalten?
Kobler: Ja. Ich glaube, es gibt nicht den einen Sieger. Sieger wird vielmehr der sein, der das Thema Online/Stationär am besten umsetzt. Stichwort: Omni-Channel. Da sind wir mit Sicherheit die Nummer eins – und das wollen wir auch bleiben. Wir wollen unsere Kunden online erreichen, ihnen aber auch alle stationären Möglichkeiten anbieten. Damit haben wir 2013 begonnen und damals das Thema rechtzeitig erkannt. Der Idealfall ist, dass der Kunde online bestens vorbereitet wird, um dann im stationären Geschäft das Produkt nochmal anzusehen. Fühlen, greifen, nochmal draufsitzen. Wir glauben, dass diese Kombination die richtige ist.
"Ich schaue zwar auf Ikea, aber kaufe da nichts."
Alois Kobler über den Konkurrenten.
Ikea hat angekündigt, jetzt auch mit kleinen Läden direkt in die Innenstädte gehen zu wollen. Hat XXXLutz Ähnliches vor?
Kobler: Wir prüfen alle Möglichkeiten. Aber wir sehen die Zukunft aktuell nicht so sehr im City-Store. Wir beobachten das aber. Und sollte sich da etwas Interessantes entwickeln, sind wir die Letzten, die einen Trend verschlafen.
Mal ehrlich: Gehen Sie ab und zu mal zu Ikea?
Kobler: Nein. Ich schaue zwar auf Ikea, aber kaufe da nichts.
Was kann Ikea von XXXLutz lernen?
Kobler: Der wesentliche Unterschied zwischen Ikea und XXXLutz ist: Ikea setzt auf ein einziges Pferd. Nämlich die Vermarktung der Eigenprodukte unter der Marke Ikea. So etwas ist für uns nur ein Randbereich. Wir sind viel breiter aufgestellt. Wir setzen viel mehr – und das müssen wir – auf Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter, auf Beratung und Service – in Kombination mit einem breitgefächerten Sortiment. Das wird Ikea nicht mehr probieren können. Das ist gleichzeitig deren Stärke und Schwäche.
"Wir wollen und werden kein Ikea werden."
Alois Kobler über die Strategie der XXXLutz-Gruppe.
Ikea hat in mancherlei Hinsicht Kultcharakter: Schweden-Charme mit Inbus-Schlüssel, Köttbullar und Möbel mit ungewöhnlichen Namen. Vergleichbares hat XXXLutz nicht. Hinzu kommt, dass Ihr Unternehmen mit einer Vielfalt von Zusatznamen auftritt wie Neubert, Bierstorfer oder Mann Mobilia. Wie gehen Sie damit um?
Kobler: Wir wollen und werden kein Ikea werden. Die Marke XXXLutz und die Marken darunter sind ein deutsches Thema, weil wir in Deutschland viele Betriebe übernommen haben. Ich sehe das als Stärke von uns. Die Marken sind jeweils mit Gutem und mit nicht ganz so Gutem aufgeladen. Das Gute bewahren wir. Darum gibt es Marken wie Neubert, Mann Mobilia oder Hiendl. Ikea hingegen kann niemanden übernehmen. Die müssen ihre Häuser hinstellen: quadratisch, praktisch, gut. Und Ikea muss eine gewisse Größenordnung haben. Unser Vorteil ist: Wir können von 15 000 bis 55 000 Quadratmeter Fläche Möbelhäuser abbilden. Das kann Ikea nicht.
Was kann XXXLutz von Ikea lernen?
Kobler: Eigenmarke. Produktentwicklung. Dafür nimmt sich Ikea mehr Zeit, da ist Ikea weiter als wir. Da geht es aber nur um einen Teil eines Vollsortiments.

Vor einigen Jahren war Ihr Unternehmen in den Schlagzeilen, weil es Streit mit der Gewerkschaft um Betriebsräte und Mitbestimmung gab. Wo steht XXXLutz jetzt?
Kobler: Wir haben in Deutschland, wie auch seinerzeit schon, insgesamt 32 Betriebsratsgremien und die Zusammenarbeit ist absolut vernünftig.
Es fällt seit einiger Zeit auf, dass auch in Mainfranken Möbelhändler mit zum Teil wuchtigen Anzeigenkampagnen und aggressiven Angeboten auf sich aufmerksam machen. Was ist das: besonders harter Konkurrenzkampf? Nervosität? Ist die Branche in Panik?
Kobler: Der Onlinehandel macht den Preisvergleich für die Kunden immer einfacher. Aus diesem Grund ist es wichtig, nicht nur mit Rabatten zu werben, sondern diese auch zu geben. Bestes Beispiel hierfür sind unsere monatlichen Prospekte unter dem Titel „Deutschlands bester Preis“. Hier werben wir nicht mit Rabatten, sondern mit Produkt und Preis, welche der Kunde nachweislich nirgends günstiger findet. Deshalb sind das auch unsere stärksten Prospekte, weil der Kunde sehr wohl erkennt, dass er einen guten Preis bekommt. Daher liegt es nahe, dass Mitbewerber so darauf reagieren.
XXXLutz und Alois KoblerFirmengruppe: XXXLutz ist eine österreichische Gruppe mit 320 Filialen in zwölf Ländern Europas und fast 24 000 Beschäftigten, 11 000 davon in Deutschland. Der Jahresumsatz liegt bei 4,4 Milliarden Euro. Jedes Jahr stellt XXXLutz nach eigener Darstellung etwa 1000 Auszubildende ein. Den Mitarbeitern steht eine interne Akademie für Fortbildungen zur Verfügung. Hierzulande hat XXXLutz nach eigenen Angaben 48 Einrichtungshäuser und 42 Mömax-Mitnahmemärkte. Die Gewerkschaft Verdi sieht die Lutz-Gruppe kritisch: Es handle sich um ein undurchsichtiges Geflecht aus Gesellschaften, die Verantwortlichkeiten seien schlecht zu durchschauen.Rolle von Würzburg: Die Fäden der Geschäfte in Deutschland laufen in Würzburg zusammen. Dort übernahmen die Österreicher im Jahr 2000 das 1876 als Schreinerei gegründete Möbelhaus Neubert. Unter dem Dach von XXXLutz ist auch der Giga-Einkaufsverband für Möbel und Einrichtungsgegenstände, der sich als größter seiner Art in Europa sieht.Geschichte: XXXLutz hat seine Wurzeln im kleinen Ort Haag am Hausruck in Oberösterreich, wo Gertrude Seifert, geborene Lutz, ab 1945 mit bemalten Bauernmöbeln handelte. Die Familie Seifert steht bis heute hinter der Firmengruppe.Alois Kobler begann 1990 in Österreich bei XXXLutz als gelernter Tischler. Zunächst arbeitete er dort als Verkäufer von Küchen. Später wechselte Kobler in die Unternehmensgruppe nach Deutschland, wo er unter anderem in Hannover und Braunschweig Filialen leitete. 2005 koordinierte er die Übernahme von Mann Mobilia in den XXXLutz-Verbund. Seit 2009 ist er dessen Deutschland-Chef mit Sitz in Würzburg. Der 56-Jährige ist in der Freizeit Ausdauersportler: Auf dem Fahrrad und laufend legt er gerne über Tage hinweg viele hundert Kilometer am Stück zurück.