«Gute, erfahrene Bergsteiger schaffen's locker», sagt Michael Gratz, «und normale Bergwanderer auch, wenn sie trittsicher und schwindelfrei sind, etwas Klettererfahrung und eine gute Kondition haben.» Michael ist 36 Jahre alt, Bergführer und spricht von der Besteigung des Großglockners, der 1855 erstmals bezwungen wurde.
«König Glockner», wie sie Österreichs höchsten Berg hier in der Osttiroler Ortschaft Kals nennen, wo viele Touren starten, rangiert in der Rangliste der höchsten Gipfel der Alpen zwar weit abgeschlagen hinter den etlichen Viertausendern. Doch unterschätzen sollte man die Hochtour nie. Selbst der Normalweg zum Gipfel führt über Gletscherpassagen und steile Firnhänge. Es ist ein Unterfangen, für das sich ein Bergführer dringend empfiehlt.
Wenn Michael, einer von 21 Bergführern in Kals, also von guter Kondition spricht, dann heißt das für ihn, dass man ohne größere Probleme mindestens 400 Höhenmeter pro Stunde schafft. Eineinhalb Tage sollte man für die Tour mindestens einplanen. Vom Talboden in Kals bis zum Lucknerhaus fährt man noch bequem mit Auto oder Bus, dann wird stramm und zum Teil recht steil zur Stüdlhütte auf 2.802 Meter marschiert.
Hier treffen die Gäste ihren Führer, der sie mit Steigeisen, Helmen und Seilen ausrüstet, gemeinsam geht’s dann gut zwei Stunden hinauf zur Erzherzog-Johann-Hütte auf bereits stolze 3.454 Meter Höhe. Sie befindet sich auf einem Felsen in der Glocknergruppe, vor ihr baut sich dann der Großglockner auf.
Hart an der Grenze
In der Hütte wird übernachtet, um 5 Uhr gibt's Frühstück, die restlichen 350 Höhenmeter zum Gipfel auf 3.798 Metern sind in einer bis eineinhalb Stunden gut zu schaffen. Was so leicht und undramatisch klingt, ist in der Realität schon ziemlich hart. Der Weg ist anstrengend, 16 Kilometer Strecke und 1.900 Höhenmeter sind zu bewältigen – und das bringt viele Wanderer an ihre Grenzen.
«Da setzt man halt Schritt vor Schritt und hält mal zum Luft holen an», sagt Michael. Manchmal ist der Pfad ein wenig ausgesetzt - heißt: auf einer oder beiden Seiten fällt das Gelände steil ab - oder führt ein kurzes Stück auch über den Gletscher. Einige Stellen erfordern eine leichte Kletterei, doch sie sind gut gesichert.
Der jüngste Gast, den die Kalser Bergführer auf den Glockner gebracht haben, war zehn, der älteste 85 Jahre alt. «Wenn man dann bei Sonnenaufgang am Gipfelkreuz steht, erleichtert und stolz, ist das schon ein besonderer Moment», sagt Michael. «Da stellt sich bei jedem ein totales Glücksgefühl ein, erst recht bei denen, die oft viele Jahre vom Gipfel geträumt und sich lange vorbereitet haben.»
Unvergesslich bleibt dem Kalser Bergführer die Frau, die es trotz ihrer Multiplen Sklerose bis ganz hinauf geschafft hat; auch der junge Mann, der sich nach einem schweren Motorradunfall fast schon aufgegeben hatte und trotzdem mit eisernem Willen den Gipfel erreichte. An Michael Gratz geht das nicht spurlos vorbei. Mit solchen Leuten am Gipfelkreuz, das bewege: «Das berührt auch mich ganz tief drinnen.»
Wer mit Bergführen unterwegs ist, sei möglichst sicher unterwegs, sagt Michael. Schwere Unfälle oder gar Abstürze hat es mit den Kalser Guides seit 15 Jahren nicht gegeben. 95 Prozent aller Unglücke, schätzt der Bergführer, gingen aufs Konto von Alleinbesteigern, die sich im Nebel verirrten, in Fels und Eis ausrutschten und dann von der Bergwacht geborgen werden müssten.
Ein Bergdorf erfindet sich neu
Vor einigen Jahren stand es zwischenzeitlich um das Bergsteigerdorf selbst nicht gut: Die Besteigungen des Großglockners brachten nicht genug ein, und die wenigen Lifte für den Skibetrieb waren hoffnungslos veraltet.
Dann investierte Österreichs größter privater Liftbetreiber: Die Schultz Gruppe modernisierte die Anlagen, schuf eine Liftverbindung hinüber ins Haupttal nach Matrei und eröffnete in Kals mit dem «Gradonna Mountain Resort» ein luxuriöses Viereinhalb-Sterne-Hotel, das dem Ort eine neue, finanzstarke Klientel erschloss.
Seither floriert der Tourismus in Kals. Feriengästen, die sich nicht auf den Großglockner wagen, steht eine Fülle von ungleich leichteren und trotzdem spektakulären Wanderwegen zur Verfügung. Wer etwa mit der Kabinenbahn vom Kalser Tal hinauf zur «Adler Lounge» auf 2.421 Meter fährt, kann bei klarer Sicht und etwas Glück den Blick auf den Großglockner und 60 weitere Dreitausender genießen.
Es geht auch familienfreundlich
Gut markierte Wege führen anspruchsvolle Wanderer über den Gornergrat auf den Rotenkogel (2.762 m), weniger ambitionierte spazieren über das Hochplateau oder bequem hinunter nach Kals. Dort lockt der knapp 20 Kilometer lange Talrundweg, den Wanderer mit strammen Waden in sechs bis sieben Stunden bewältigen, die kühne Hängebrücke über den tosenden Kalserbach inklusive.
Familien mit Kindern können sich den Weg in sieben Etappen aufteilen und problemlos auch durch die wild-romantische Daberklamm gehen, die wie der Großglockner zum Nationalpark Hohe Tauern gehört. Mit zwei gemütlichen Hütten am Ausgang ist die Schlucht eine spektakuläre, aber familienfreundliche Alternative zum «König Glockner».
Links, Tipps, Praktisches:
Das Reiseziel: Kals am Großglockner, wie der Ort offiziell heißt, liegt im Kalsertal in Osttirol und ist von Bergen umgeben, darunter der 3.798 Meter hohe Großglockner, Österreichs höchster Berg. Auch der Ort liegt im Nationalpark Hohe Tauern.
Anreise: Zu erreichen ist Kals/Matrei mit dem Auto via München (von dort noch drei Stunden) und die Inntalautobahn A 12 kostenfrei bis zur Ausfahrt Kufstein und die anschließende, mautpflichtige Felbertauernstraße. Die nächste Bahnstation ist Lienz, von der Busse nach Matrei und Kals verkehren.
Großglocknerbesteigung: Der Berg- und Schiführerverein Kals bietet Glocknerbesteigungen bei zwei Personen für 430 Euro pro Person an; allein mit einem Führer werden 675 Euro fällig; Ausrüstung ist inklusive, hinzu kommen Hüttenkosten.
Alternativen: Der Talrundweg Kals führt auf maximal 1.582 Meter und verspricht «sanftes Wandern für alle Altersgruppen». Er ist 19,5 Kilometer lang, sieben Stunden sollte man veranschlagen. Als mittelschwere Tour ist der 65,6 Kilometer lange Höhenweg Glocknerkrone eingestuft, der in sechs Tagesetappen zu schaffen ist und auf bis zu 2.834 Meter auch durch hochalpines Gelände führt. Als reine Gehzeit sind 31 Stunden angegeben.
Weiterführende Informationen: osttirol.com/kals








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