Neustadt an der Donau (dpa/tmn) − Langsam schälen sich die Ufer klarer aus dem Dunkel der Nacht heraus. Äste recken sich aus den Auwäldern übers Wasser. Tote Bäume ragen aus dem Fluss. Hinter Gebüsch glänzen Feuchtwiesen im Tau. Wir sind auf der Donau, unterwegs mit dem letzten aktiven Berufsfischer der Gegend.
Sein Revier ist der Fluss um die Weltenburger Enge, Bayerns nationales Naturmonument, Kern des gleichnamigen Naturschutzgebiets und zugleich ein Touristenmagnet. Etwa fünf Flusskilometer vor der Schlucht, in Eining, herrscht beschauliche Ländlichkeit. Selbst das Tuckern der Zille - so heißen die traditionellen hölzernen Fischerboote auf der Donau - geht im Konzert der Singvögel unter.
Hier fließt die Donau noch frei. Nur spitze Stümpfe und angenagte Stämme zeigen, dass Biber das Ufer wieder mitgestalten. Kaum zu glauben, dass diese Flussidylle Weltstädte verbindet und zu Europas bedeutendem Handelsweg gehört.
Der Fluss wurde passend gemacht
Schon von alters her wird der Fluss genutzt. In der Kulturlandschaft erinnern die Ruinen des Kastells Abusina in Eining und ein Wachtturmnachbau in Hienheim daran, dass die Donau zu Zeiten der Römer zum «nassen Limes» gehörte. Seit Jahrhunderten wird der Fluss mit zahlreichen Begradigungen, Uferverbauungen und Staustufen für Schifffahrt und Hochwasserschutz passend gemacht.
Industrieanlagen und Kraftwerke an den Ufern nutzen das knapp 2.900 Kilometer lange Gewässer. Doch zwischen der Hallertau und dem Oberpfälzer Jura drängen sich, vom Wasser aus gesehen, noch nicht einmal die verstreuten Dörfer in den Blick.
Lothar Ziegler drosselt das Tempo seiner Zille. Die silbrigen Wellen, die das hölzerne Flachbodenboot übers seidig glänzende Wasser schickt, ebben ab. Hier, im Nebenfluss Abens, hat der Fischer das erste seiner fünf Stellnetze aufgespannt.
Die Abens, die sich bei Eining mit der Donau trifft, zählt zum knapp 45 Kilometer großen Fanggebiet der Fischereigenossenschaft zwischen Kelheim und der Naabmündung bei Regensburg. Ziegler ist ihr erster Vorsitzender. Das Revier hat seit 1472 unzählige Berufsfischer mit vererbbaren Fischrechten ernährt. Doch seit etwa vier Generationen kommt kein Fischer mehr ohne zweites Einkommen über die Runden.
Ein stattlicher Karpfen im Netz
Ziegler selbst war lange Zeit im Handel tätig, unterbrochen durch drei Jahre als Jäger in der kanadischen Wildnis. Jetzt übergibt der 69-Jährige die Leitung seiner Bio-Textilfirma seinem ältesten Sohn. Fischer will er bleiben. Aus Tradition, aber auch, um Gästen das Früher, Heute und Morgen eines Donaufischers aus erster Hand nahezubringen.
Im Netz zappelt ein stattlicher Karpfen. Früher wäre es voller Äschen gewesen. Doch Wehre und Triebwerke haben den Fischen und dem Kiesnachschub aus den Alpen den Weg versperrt. Die Kiesbetten, in denen die Hauptnahrung der Äschen, Algen, gedeiht, sind heute verschlammt.
Und immer mal wieder schwemmt Regen Sedimente von Äckern und Hopfengärten in den Fluss. So finden Karpfen immerhin passende Bedingungen.
Das nächste Stellnetz dümpelt in Schlangenlinien im Strom der Donau. «Das war der Biber.» Ziegler nimmt's gelassen. Und bei der leeren Reuse in einem sonst ertragreichen Nebenarm zuckt er nur die Achseln. So ist das eben, vielleicht hat er morgen mehr Glück. Doch dass Vielfalt und Menge des Fischbestands im Revier zurückgehen, bereiten ihm Sorge.
Wir passieren die Donauschleife und damit das Kloster Weltenburg mit der prächtigen Barockkirche der Asambrüder und dem ältesten Klosterbier der Welt. Ziegler steuert durch die kurvenreiche, etwa fünf Kilometer lange Enge zwischen den bis zu 80 Meter aufragenden Jurakalkfelsen, Überbleibsel eines urzeitlichen subtropischen Meeres.
Unterwasserhöhlen als Fisch-Refugium
Unterwasserhöhlen dienten hier früher dem heimischen Huchen als Schutz. Mit Nachzucht dieser rar gewordenen Donaulachse und anderer Arten wie Nasen, Streber oder Zingel konnten die Fischer den Schwund nicht aufhalten.
Das liegt weniger an den zugewanderten Fischräubern Kormoran und Gänsesäger oder der invasiven Schwarzmaulgrundel als an den Eingriffen des Menschen, sagt Ziegler. «Die Leute wissen einfach nicht, was der Fisch braucht.» Er meint, dass die Behörden zwischen Tourismus und Naturschutz, Tradition und Zukunft kein richtiges Maß finden.
«Wir Fischer entwickeln durch aufmerksames Beobachten und Erfahrung ein Gefühl für die Zusammenhänge der Natur», erklärt der Mann, der schon als kleiner Junge mit dem Großvater Stellnetze und Reusen eingestellt und tags darauf im Morgengrauen eingeholt hat. Von den nicht einmal mehr 20 Mitgliedern seiner Innung fischt nur er noch regelmäßig – und gibt nicht auf, sich für das Gleichgewicht im und am Fluss einzusetzen.
Er ist gegen lärmende Partyflöße mit Bier, Brotzeit und Musik, ahnungslose Freizeitsportler, Hobbykapitäne und Angler. Pikanterweise auch gegen einige Nachfahren jener Berufsfischer, die sich im 19. Jahrhundert ihre Fischrechte von einer Zellstofffabrik abkaufen ließen. Sie sind Eigner der Ausflugsschiffe in der Weltenburger Enge und haben sich ihre Exklusivrechte bis 2031 sichern lassen.
Die Frage um den Nachwuchs
«Gäste um jeden Preis» ist für Ziegler ein Anti-Motto. Er plädiert für einen sanften Tourismus, der weder die scheue Fischwelt in ihren Laichgründen noch ihre Nahrungsquellen stört. Doch der Berufsfischer finde beim Landratsamt wenig Gehör für seine Argumente, sagt er. Immerhin hat er Mitstreiter. Umweltverbände gingen schon gegen Tempo und Anzahl der wasserrechtlich erlaubten Fahrten vor Gericht.
Den einzigen regelmäßig aktiven Berufsfischer im Naturschutzgebiet um die berühmte Kalksteinformation treibt aber noch eine weitere Sorge um. Wird er wirklich der letzte seiner Art sein? Er hofft, dass sein zweitgeborener Sohn das 500-jährige Familienerbe in die Zukunft retten wird.
Links, Tipps, Praktisches:
Reiseziel: Im Donaudurchbruch in Niederbayern zwängt sich Europas mächtiger Strom zwischen Kelheim und dem Kloster Weltenburg durch die tiefste und engste Stelle der bayerischen Donau.
Beste Reisezeit: Ziegler empfiehlt Frühling und Herbst für eine Zillenfahrt. Das sind auch die besten Zeiten für Wanderer auf den Wanderwegen der Gegend.
Anreise: Die nächsten ICE-Bahnhöfe befinden sich in Regensburg und Ingolstadt, weiter mit dem Regionalzug (bahnland-bayern.de) nach Neustadt an der Donau oder Saal an der Donau. Der Rufbus Kexi (kexi.de) bedient den Landkreis Kelheim mit 1000 Haltepunkten.
Touren/Aktivitäten: Der letzte Berufsfischer nimmt bei Sonnenaufgang nicht mehr als zwei Personen von Eining aus für etwa zwei Stunden mit zum Einholen der Netze und Fahrt über den Donaudurchbruch bis zum Michelsberg und zurück. Pro Person 50 Euro; Anfrage unter donaufische.de. Wem eine kurze Fahrt mit einer Zille genügt, kann von Ostern bis Oktober vom Kiesstrand des Klosters ans andere Ufer übersetzen (1,50 Euro pro Person). Geführte Naturwanderungen bietet der Landschaftspflegeverband Kelheim an.
Unterkunft: in Bad Gögging beispielsweise im Hotel «Eisvogel», dessen Spa bei Anwendungen Hopfen als regionale Heilpflanze einsetzt (Übernachtung ab 105 Euro pro Person). Im «The Monarch», wo die Wellness-Abteilung ebenfalls auf Hopfen setzt, kostet die Übernachtung pro Person ab 80 Euro. Im Ort gibt es auch Pensionen, Ferienwohnung und einen Campingplatz, Übersicht unter bad-goegging.de.
Frischer Fisch und Gastronomie: Fischer Ziegler beliefert mit Wildfang unter anderem den «Gasthof Stockhammer» in Kelheim und den «Gasthof Krieger» in Pettendorf-Mariaort. Die «Fischbraterei Stadler» in Kelheim ist ein Familienbetrieb, der seinen Ursprung in einer Fischerfamilie hat. Zu den regionalen Spezialitäten gehören Fischpflanzerl (Fischfrikadellen, nicht immer aus Wildfang). Die Brauerei Weltenburg gilt als älteste Klosterbrauerei der Welt. Biere nach Rezepten, die auf das Jahr 1050 zurückgehen, können zum Beispiel im Brauereibiergarten oder während Brauereiführungen probiert werden. Als Spezialist des regionalen Weißbieres gilt die Brauerei Kuchlbauer in Abensberg.
Weiterführende Informationen: bad-goegging.de; herzstueck.bayern






Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden