Die deutsche Wirtschaft kommt wegen teurer Energie und dem Zollstreit mit US-Präsident Donald Trump auch in diesem Jahr nicht richtig vom Fleck - doch Besserung ist in Sicht. Während schwelende Zollkonflikte Unternehmen am Investieren hindern, greifen Verbraucher nach den Jahren der Inflation wieder tiefer in die Tasche. Und kurbeln so bald die Wirtschaft an.
Das sind die Ergebnisse des neuen wirtschaftlichen Ausblicks, den die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris vorlegte. Steht der deutschen Wirtschaft damit die Trendwende bevor?
Maues Wachstum: Kaum ein Land steht schlechter da
Handelskonflikte, teure Energie und weitere Strapazen lassen der deutschen Wirtschaft vorerst kaum Luft zum Atmen. Die OECD belässt ihre Prognose beim Mini-Wachstum von 0,4 Prozent. Unter den 54 untersuchten Wirtschaftsräumen schneiden lediglich Österreich und Norwegen schlechter ab.
In den vergangenen Monaten hätten Handelsbarrieren und einhergehende Unsicherheiten drastisch zugenommen, so OECD-Chefökonom Álvaro Pereira. «Die schwächeren Wirtschaftsaussichten werden fast ausnahmslos in der ganzen Welt zu spüren sein.»
Besonders frappierend: Die OECD-Prognose fällt noch vergleichsweise rosig aus. Sowohl die EU-Kommission als auch die deutschen «Wirtschaftsweisen» strichen jüngst ihre Aussichten auf Wachstum zusammen. Sie erwarten für dieses Jahr nur noch eine Stagnation der Wirtschaftskraft.
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung prognostizierte im März gar das dritte Rezessionsjahr infolge. Es wäre ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik.
Kauflaune der Verbraucher kurbelt die Wirtschaft an
Anders sieht es fürs kommende Jahr aus: Hier erwarten die Fachleute der OECD statt 1,1 Prozent nun 1,2 Prozent Wachstum - damit trauen sie der deutschen Wirtschaft ähnlich viel zu wie «Wirtschaftsweise» und EU-Kommission. Der Anstieg geht dabei unter anderem auf die geplanten Milliarden-Investitionen der Bundesregierung zurück. Sie waren in der vergangenen OECD-Prognose noch nicht voll berücksichtigt.
«Die Fiskalmaßnahmen der neuen Bundesregierung sorgen für einen spürbar expansiven Impuls», sagte Timo Wollmershäuser, Leiter für Konjunkturforschung und -prognosen am Ifo-Institut. Zusammen mit angekündigten Maßnahmen des Koalitionsvertrags dürften sie das reale BIP in diesem und dem kommenden Jahr um insgesamt 0,7 Prozent anheben. Das Gros des Effekts dürfte 2026 eintreten.
Nach Meinung von Geraldine Dany-Knedlik, Konjunktur-Chefin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), geht die OECD-Prognose noch von keinem größeren Effekt der Investitionen im kommenden Jahr aus. «Das erscheint etwas konservativ, wenn man davon ausgeht, dass einige Projektpläne bereits in den Schubladen der einen oder anderen Kommune liegen.»
Für wichtige Impulse sorgen laut OECD die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst, deren Konsumlaune nach den Jahren der Inflation wieder anziehen dürfte. Deutschland leidet seit Jahren unter einem schwachen Konsum. Verbraucher halten ihr Geld zusammen, weil die Preise infolge des Ukraine-Krieges deutlich anzogen. Doch obwohl sich die Teuerung wieder normalisierte und die Löhne stiegen, kam der private Konsum zuletzt nicht in Schwung - das wird sich laut OECD ändern.
Gefahr für Verbraucher - springt die Inflation wieder an?
Unterstützt wird der private Konsum durch höhere staatliche Ausgaben, vor allem wegen der neuen Schuldenregeln. Vor diesem Hintergrund warnen die OECD-Fachleute allerdings vor einer wieder erstarkenden Inflation: Im Zusammenspiel mit dem Fachkräftemangel könnte die steigende Nachfrage die Preise befeuern. Das Anwerben qualifizierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Ausland müsse deshalb Priorität haben.
Gerade die exportstarke deutsche Wirtschaft bleibe zudem besonders verwundbar für Eskalationen im Zollstreit, so die OECD. Demnach gehen rund 10 Prozent der ausgeführten Güter in die Vereinigten Staaten. Aus diesem Grund ist das Zahlenwerk der OECD auch mit Vorsicht zu genießen. Je nach Ausgang der Verhandlungen könnte das Wachstum deutlich schlechter oder besser ausfallen.
Ist die Trendwende in Sicht?
Bessere Aussichten im kommenden Jahr setzten häufig voraus, dass die Handelskonflikte in diesem Jahr weitestgehend beigelegt werden und sich die Lage dann normalisiere, sagt Michael Grömling, Konjunktur-Chef am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). «Das ist schon eine gewaltige Annahme, wenn man sich die erratische Politik des US-Präsidenten anschaut.»
Auch die geplanten Investitionen der Bundesregierung könnten das Problem nicht allein lösen. «Die Frage ist, ob die öffentlichen Investitionen auch Investitionen von Unternehmen auslösen - oder die sich weiter zurückhalten.»
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