Mehrere Wochen stand er im Fokus der Medien. Aus gutem Grund: Mit den Gedankenspielen, zu den Freien Wählern zu wechseln, hat der Landtagsabgeordnete der CSU für den Stimmkreis Haßberge und Rhön-Grabfeld, Bernd Weiß (44), für viel politischen Wirbel in der Region gesorgt. Weiß hat sich entschieden und bleibt schwarz. Nachdem sich die Wogen etwas geglättet haben, deckt er im Main-Post-Interview die Hintergründe und seine Beweggründe auf.
Frage: Wir waren wie viele Menschen der Region etwas überrascht, dass Sie nach der Rückzugsankündigung so schnell wieder in den Ring steigen wollten. Und dann auch noch in der anderen Ecke, beim bisherigen politischen Gegner. Was war denn da los?
Bernd Weiss: Ich habe den Ring nicht ganz so freiwillig verlassen, wie das im vergangenen Jahr nach außen gewirkt hat. Die Gespräche, die ich in der Sommerpause mit Kollegen von den Freien Wählern geführt habe, waren wohl das Ergebnis eines langen, schleichenden Prozesses. Ich habe, wenn ich ehrlich mit mir selbst bin, dabei vor allem auch nach einem politischen Neuanfang gesucht.
Den Ring nicht freiwillig verlassen? Suche nach einem Neuanfang? Im vergangenen Jahr hieß es doch, Sie ziehen aus familiären Gründen nach Schweinfurt und nehmen sich deshalb auch eine Auszeit von der Politik.
Weiss: Wahr daran ist, dass ich mich im vergangenen Jahr entschlossen habe, aus familiären Gründen nach Schweinfurt zu ziehen. Aber ich selbst hatte dabei nicht im Hinterkopf, aus der Politik auszusteigen und den Menschen, die mich gewählt haben, das Mandat quasi vor die Füße zu werfen.
Im Gegenteil: Ich habe ja schon mehrfach erwähnt, dass ich von Schweinfurt aus den Stimmkreis verkehrstechnisch viel besser hätte betreuen können. Ich bin dann zwar weiter von Mellrichstadt weg, aber näher an Eltmann dran, praktisch im Zentrum meines Stimmkreises. Beruf, Familie und Abgeordnetenmandat wären mit einem Schlag viel einfacher unter einen Hut zu bringen gewesen. Das war meine ursprüngliche Überlegung.
Klingt ja plausibel. Aber warum haben Sie das im vergangenen Jahr nicht so gesagt?
Weiss: Ich musste ja zuerst mit meinen Leuten aus dem CSU-Kreisverband reden. Im ganz kleinen Kreis habe ich zunächst meine Umzugspläne eröffnet. Die Reaktionen haben mich ehrlich gesagt geschockt. Es war sogar davon die Rede, die Menschen in Rhön-Grabfeld würden einen solchen Umzug als „Verrat“ verstehen. Ich glaube bis heute nicht, dass das wirklich die Wahrnehmung der Menschen gewesen wäre. Ich mache ja schließlich meine Arbeit. Und aus einem, der hier geboren ist und sein ganzes Leben in Rhön-Grabfeld gewohnt hat, wird kein Fremder, nur weil er ein paar Kilometer über die Landkreisgrenzen hinauszieht. Selbst Ministerpräsident Horst Seehofer wird im nächsten Jahr für einen Stimmkreis antreten, in dem er nicht direkt wohnt – sondern eben knapp nebenan. Was also sollte das schon heißen? Und mein Nachfolgekandidat kommt ja auch nicht aus Rhön-Grabfeld, sondern wohnt sogar noch ein Stück weiter weg.
Nach diesen ersten Gesprächen bin ich aber dann schon mit einer ziemlichen Defensivhaltung in die beiden Kreisvorstandssitzungen gegangen, in denen wir das Ganze ausführlich besprochen haben. Die Skeptiker haben sich durchgesetzt. Am Ende war mein Vorgänger Hans Böhm (Landtagspräsident a.D.) der Letzte, der noch gesagt hat: Es macht doch nichts, er zieht doch nicht nach München, sondern nur nach Schweinfurt. Da kann er doch ohne weiteres für den Stimmkreis Abgeordneter bleiben.
Was hat Ihre CSU denn dazu getrieben, das so zu sehen? Sie sind im Kreisverband sehr angesehen, sind sogar Ehrenkreisvorsitzender.
Weiss: Es war wohl die Angst davor, das Mandat nach Haßberge abgeben zu müssen. Dass die Nachbarn aufgrund einer alten Absprache das Mandat zurückfordern würden, auch wenn sich die Verhältnisse grundlegend geändert haben und dass ein Gegenkandidat aus dem Nachbarstimmkreis kommen würde, war ja schon abzusehen. Da meinte man wohl, wenn ich nach meinem Rücktritt aus dem Kabinett auch noch mit einem Umzug aus dem Stimmkreis heraus „belastet“ bin, würde ich schlechte Chancen haben. Man entschloss sich deshalb, mit Christian Machon ins Rennen zu gehen. Ich habe das akzeptiert, hätte mit der Lösung sogar gut leben können, denn von Christian Machon bin ich nach wie vor persönlich wie inhaltlich überzeugt und habe ihn offen unterstützt. Dass ich dagegen mit meinem jetzigen Nachfolger Steffen Vogel Reibungspunkte habe, ist ja kein großes Geheimnis.
Deswegen habe ich dann im vergangenen Jahr nach außen auch nur gesagt: Ich ziehe aus familiären Gründen um und höre deshalb mit der Politik auf. Es hätte den Kreisverband vielleicht gespalten und Christian Machon und seinen Chancen nur geschadet, wenn ich damals rumposaunt hätte: Ich hätte gern auch selbst noch weitergemacht.
Und dass sich die „Strategen“ in Ihrem Kreisverband verrechnet haben und das Mandat dann doch nach Haßberge ging, war der einzige Grund für Ihren Flirt über die Parteigrenze hinweg? Sie haben ja erst diese Woche in einem Zeitungsinterview sehr deutliche Worte über die Arbeit in der Landtagsfraktion und Ministerpräsident Horst Seehofer gefunden.
Weiss: Ich glaube, Christian Machon hätte sich auch von anderer Seite mehr Unterstützung gewünscht, nachdem er die Aufgabe einmal übernommen hatte. Und er hätte sie auch verdient gehabt. Tatsächlich war das der letzte Auslöser für mich zu sagen: „So geht's nicht.“ Aber es hat sich schon auch bei der Arbeit in der Fraktion in München so einiges aufgestaut. Ich habe das in dem ausführlichen Gespräch, das ich vor Allerheiligen mit meinem Fraktionsvorsitzenden Georg Schmid hatte, auch deutlich zum Ausdruck gebracht. Und wenn ich sagte, dass ich das, was mich ärgert, jetzt eben innerhalb meiner Partei aufarbeiten werde, dann wird sie das aushalten müssen.
Nach meinem Rücktritt aus dem Kabinett war ich zwar für den Stimmkreis weiterhin erfolgreich unterwegs. Das lag vor allem daran, dass mir dieser Schritt viel Respekt auf der Arbeitsebene bei den Beamten verschafft hat. Aber man ist als Abgeordneter nicht nur der Laufbursche der Region zum Abholen von Fördermitteln. Und obwohl ich mich an vielen Stellen in der Fraktion eingebracht habe, wenn es um die „große Politik“ ging – irgendwie hat man mich seither allzu oft ins Leere laufen lassen.
Bei den Freien habe ich dann endlich wieder einmal gespürt, dass ich denken darf und dass ich mit meinen Gedanken auch ernst genommen werde. Und wie gesagt: Die Chance, politisch doch noch weitermachen zu können, ist für einen politischen Menschen wie mich einfach die Überlegung wert gewesen.
Und warum haben Sie den Schritt nicht gemacht?
Weiss: Ich glaube zum einen, die Menschen hier bei uns hätten den Wechsel nicht verstanden, nachdem ich im letzten Jahr ja nur erklärt hatte, ich ziehe aus familiären Gründen um. Die Leute hätten gesagt: „Was will der denn jetzt auf einmal, da hätte er doch auch gleich bei der CSU bleiben können.“
Selbst Leute aus meinem CSU-Kreisvorstand, die die Überlegungen für meinen Rückzug im vergangenen Jahr mitbekommen haben und sich zum Teil furchtbar über den Ausgang der Wahl für meinen Nachfolger aufgeregt hatten, wollten davon nichts mehr wissen, als sie von den Wechselgerüchten erfahren haben. Wie soll da der Normalbürger auf der Straße die Zusammenhänge erfassen?
Und auch den Ärger über manche Dinge in München habe ich vielleicht viel zu lange mit der Faust in der Tasche geschluckt, um damit gleich einen Parteiwechsel zu begründen. So läuft das Spiel in der Politik halt manchmal. Um mir darüber klar zu werden, war es wichtig, mir die zwei Wochen Zeit zu nehmen und zu überlegen, ob ich den Schritt mache. Und am Ende hat wohl das Bauchgefühl den Ausschlag gegeben, dass man 25 Jahre nicht so einfach abstreift.
Die Männerfreundschaft mit Landrat Thomas Habermann scheint unter dem Ganzen stark gelitten zu haben?
Weiss: Ich glaube, alles hat seine Zeit. Mein Verhältnis zu so manchem anderen Funktionär in meiner Partei ist schon seit meinem Rücktritt als Staatssekretär angeknackst. Die normalen Menschen fanden das damals gut und richtig. Aber in einer Partei wird Gefolgschaft dadurch organisiert, dass ganz oben einer sitzt und die Posten verteilt und jeder einen möglichst schönen Posten haben will, für den er sich vielleicht nicht seine Gliedmaßen, aber jedenfalls die eigene Meinung – ohne nachzudenken – amputieren lassen würde. Wenn man da aus der Reihe tanzt, wird man schief angeschaut, weil sich viele in ihrem eigenen Lebensmodell infrage gestellt sehen. Von einem wie Thomas Habermann, der selbst eine größere persönliche Unabhängigkeit mitbringt, entfremdet man sich zwar nicht so schnell. Aber wenn man so wie ich sehr eigene Wege geht, dann trennt sich in der Politik auch ein solcher gemeinsamer Weg irgendwann einmal. Nicht schön, aber der Lauf der politischen Welt.
Werden wir denn noch einmal etwas von Ihnen hören?
Weiss: Vielleicht schneller, als mancher denkt – vor allem diejenigen, die nach meinem Rücktritt damals ebenso schnell wie böswillig behauptet haben, es ginge mir nicht um Politik, sondern vor allem um ein bequemes Leben in meinem Notariat. Es wird keine Worthülse bleiben, wenn ich in meiner Stellungnahme erklärt habe, ich werde die Dinge, die mich an der Politik ärgern, jetzt in und mit meiner Partei aufarbeiten. Mein Interview zu Seehofer war ja nur eine grundsätzliche Betrachtung darüber, wo es in meiner Partei hakt.
Bernd Weiß als der Partei-Rebell oder eher der, der ausspricht, was ihm an seiner Partei nicht gefällt?
Weiss: Das Wort Rebell gehört in die Sprache der Soldaten. Und ein bloßer Parteisoldat bin ich nie gewesen. Eine Politik, die darauf ausgerichtet ist, sich eine Bevölkerung zu erziehen, die keine harten Wahrheiten mehr hören will, ist nicht meine Sache. Mich beschäftigt, dass die CSU so zur Mitmach-Partei wird.
Ein Wechsel, wenn auch nicht von Schwarz zu Weiß, steht 2013 dennoch an. Was passiert mit dem Umzug nach Schweinfurt?
Weiss: Bis zum Ende der parlamentarischen Arbeit im Landtag im Juli 2013 bleibe ich als Abgeordneter dem Stimmkreis wie auch als Parteimitglied meinem Kreisverband treu. Mit dem Umzug nach Schweinfurt Mitte des Jahres wird dann aber der Wechsel zum CSU-Kreisverband Schweinfurt-Stadt erfolgen.