Alexander Filipovic hat seit September den Lehrstuhl für Medienethik an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München inne. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) spricht der 38-Jährige über die derzeitigen Kirchenschlagzeilen als „medienethisches Lehrstück“, die aus seiner Sicht übertriebene Berichterstattung zu Bischöfen und ihrem Lebensstil sowie über die Mängel in der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit und eine fehlende zentrale Kommunikationsstrategie.
Frage: Professor Filipovic, die Debatte um Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst bestimmt die Schlagzeilen und TV-Talkrunden. Was fasziniert Medien an diesem Thema?
Filipovic: Da kommt viel zusammen: Man kann einem Menschen beim Fehlermachen praktisch hautnah zuschauen. Man kann darüber spekulieren, was ihn treibt oder nicht treibt. Zur Personalisierung kommt die katholische Kirche mit ihren Insignien und ihren schönen Bauten. Die Bilder geben ganz viel her. Und die katholische Kirche ist in den Augen der Öffentlichkeit sowieso in vielerlei Hinsicht kritikwürdig.
Liegt in den Schlagzeilen nur eine Gefahr, oder gibt es auch eine Chance?
Filipovic: Es ist ja ein medienethisches Lehrstück, diese Diskussion um Tebartz-van Elst, denn man sieht auch, was Medien gut machen können: nämlich recherchieren, eine Öffentlichkeit herstellen, um Dinge ans Licht zu bringen. Die Informationspflicht von Journalisten kann man hier ganz gut beobachten. Man kann aber auch das Schlechte beobachten: Dass es eine Überberichterstattung gibt, dass sich Rudel bilden, dass sich die Berichterstattung verselbstständigt bis hin zu meines Erachtens unangemessenen Sondersendungen und Spekulationen über den Gesundheitszustand dieses Menschen. Für die Kirche ist es eine ziemliche Kommunikationskrise.
Hat nicht die Debatte um Limburg eine Welle von Veröffentlichungen zum Vermögen der Kirche ausgelöst?
Filipovic: Also, was da passiert, halte ich für übertrieben. Man kann jetzt für jeden Bischof nachschauen, was für ein Auto er fährt und wie er wohnt en Detail. Natürlich muss sich die Kirche für das Vermögen rechtfertigen, das sie angehäuft hat, oder dafür, wie sie das Geld ausgibt. Das muss auch vor dem Forum der Öffentlichkeit geschehen. Aber es ist schon ziemlich absurd, was gerade abläuft: Deutschland sucht den ärmsten Bischof. Das kommt natürlich durch unseren Papst Franziskus, der einen neuen Stil hat und sehr, sehr glaubwürdig etwas von Armut erzählt. Deshalb ist das jetzt so ein Gegenmodell.
Wo liegen die Probleme kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit?
Filipovic: Das größte Problem in Deutschland ist, dass es unter den Bischöfen und Bistümern keine abgestimmte Kommunikationsstrategie gibt. Es scheint einfach nicht möglich zu sein, dass man die Kommunikation zusammenzieht. Vielleicht gibt es dafür gute Gründe, aber die Medien reagieren darauf höchst verstört, dass es keinen Ansprechpartner gibt für die katholische Kirche in Deutschland, sondern dass es 27 gibt. Daran müsste man arbeiten: an einer verstärkten, zentralen Kommunikationsstrategie und Öffentlichkeitsarbeit. Da müssen dann auch Posten geschaffen werden.
Welche weiteren Reformen würden Sie den Bischöfen empfehlen?
Filipovic: Transparenz ist ein sehr hohes Gut in der Mediengesellschaft. Das muss die Kirche erst einmal anerkennen – und sich dann entsprechend verhalten. Daran führt kein Weg vorbei. Wenn so etwas wieder passiert, muss darauf mit offenen Worten geantwortet werden – und mit einer professionellen Kommunikationsstrategie.
Heiner Geißler: Tebartz-van Elst könnte nach Afrika gehen
Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler (rechts) könnte sich einen Neuanfang für den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst durch den Wechsel in ein Entwicklungsland vorstellen. „Möglicherweise kann man dem Bischof empfehlen, dass er mal ein Bistum in Afrika übernimmt, wo er beweisen kann, dass er seine Glaubwürdigkeit wieder zurückbekommt, denn er ist ja und bleibt ja Bischof“, sagte der Jesuitenschüler Geißler am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. „Deswegen wird der Papst, glaube ich, ihn nicht verdammen, sondern wird ihm eine neue Aufgabe geben.“ Einen Verbleib im Bistum Limburg dagegen könne er sich nicht vorstellen, da der Bischof seine Glaubwürdigkeit verloren habe, sagte Geißler: „Die muss er wiedergewinnen, aber die hat er nicht mehr. Und deswegen wird er im Bistum nicht mehr akzeptiert werden.“ Wenn Tebartz-van Elst dem Papst seinen Rücktritt anbieten würde, so Geißler, würde er sich wünschen, dass der Bischof zugleich anbieten würde, sich im Sinne des Evangeliums und der Nächstenliebe in den Dienst der Caritas zu stellen – entweder national oder international. „Das würde ich ihm sagen.“ Text: KNA Foto: dpa