Um sich in einer Grabkammer bestatten zu lassen, muss man nicht etwa ins alte Ägypten zurück reisen. Auch im Landkreis Würzburg geht das. Die Marktgemeinde Reichenberg stattet ihre fünf Friedhöfe mit einer neuartigen Bestattungsmöglichkeit aus. Dadurch sollen Platz und Kapital eingespart, aber auch Angehörige bei der Grabpflege entlastet werden.
Und so funktioniert es: Eine Beton-Konstruktion mit zwei übereinander liegenden Kammern wird in die Erde gelassen und anschließend verschüttet. In den Kammern ist jeweils Platz für einen Sarg. Bei einer anstehenden Beerdigung muss dann nur noch die Erdoberfläche abgetragen und die Abdeckung der Grabkammer entfernt werden. Anders als bei einem üblichen Erdgrab besteht hier noch Freiraum zwischen dem Sarg und den Wänden der Kammer.
Grabkammern beschleunigen Verwesungsprozess
Ein Belüftungssystem sorgt für die Sauerstoffzufuhr in den Zwischenräumen des Grabes. Das hat den Grund, dass so der Verwesungsprozess des Leichnams schneller voran schreiten kann, erklärt Stefan Hemmerich, Bürgermeister der Gemeinde Reichenberg. Da die dichten Lehmböden der Region das Grab bei herkömmlicher Bestattungsweise weitestgehend luftdicht verschließen, kann es sogar bei der standardmäßigen Liegezeit von 20 Jahren zu Wachsleichen, also nicht vollständig verwesten Körpern kommen, so Hemmerich weiter. "Ziel war es, die Ruhefristen einheitlich runter zu bekommen."

Mit der neuartigen Bestattungsmethode ist das auch möglich: Etwa zwölf Jahre dauert hier die Verwesung. "Da steckt ein öffentliches Interesse dahinter. Wir wollen die Familien bei der Bestattung nicht finanziell überbelasten", sagt der Bürgermeister und weist darauf hin, dass gerade auf dem Land viele Angehörige nicht mehr vor Ort sind, um sich um die Grabpflege zu kümmern. In diesem Bezug ist auch das automatische Bewässerungssystem ein Fortschritt. So wird das Grab regelmäßig gegossen, ohne dass sich die Grabpflegenden dafür auf den Friedhof begeben müssen.
Automatische Wasserversorgung vorerst nur in zwei Ortsteilen vorhanden
Markus Schwarzkopf ist der ausführende Bauunternehmer. Er hat in über zwölf Jahren schon etwa 700 der Grabkammern auf verschiedenen Friedhöfen gebaut. Der Zyklus des Bewässerungssystems ist individuell regelbar und kann auf die einzelnen Jahreszeiten abgestimmt werden, erklärt er. Außerdem fällt der Erdaushub bei einer Bestattung viel weniger aufwändig an und durch ein vorab angebrachtes Grabsteinfundament können sogar die Kosten für den Steinmetz verringert werden, so Schwarzkopf. 16 dieser Grabkammern entstehen auf dem Friedhof in Reichenberg.
Das Projekt wird jedoch auch auf den Friedhöfen der übrigen Ortsteile der Gemeinde umgesetzt. Einzig mit der automatischen Wasserversorgung sind vorerst nur Reichenberg und Albertshausen ausgestattet. Man habe aber im Blick, wie das Ganze angenommen werde und entscheide später über den weiteren Ausbau, versichert Stefan Hemmerich.
"Die Gemeinde hat eine Vorreiterrolle."
Thomas Struchholz, Landschaftsarchitekt
Der Landschaftsarchitekt Thomas Struchholz hat das Projekt von Anfang an begleitet. "Die Gemeinde hat eine Vorreiterrolle, dass sie sich dem Problem der Erdbestattung annimmt", erklärt er. Obwohl die Zahl der Urnenbestattungen stark steigt, gebe es immer noch das Bedürfnis nach der klassischen Erdbestattung. Dass sich durch die Grabkammern die Höhe der Kosten auf allen Seiten stark verringern lässt, hätten die wenigsten Gemeinden erkannt. Oft herrsche bei diesem Thema unbegründete Skepsis, so Struchholz.

Trend geht hin zu unkomplizierten Bestattungsformen
Der Umfang des Projektes war eine Mammut-Aufgabe für die Marktgemeinde: Von der Planung bis zur Umsetzung vergingen drei Jahre. Für jeden der fünf Friedhöfe fielen im Durchschnitt rund 200 000 Euro an. Im Februar 2020 ist der Ausbau voraussichtlich abgeschlossen, bevor dann im Juni die ersten Bestattungen vorgenommen werden können, schätzt der Bürgermeister.
Der ursprüngliche Anstoß zu dem Projekt kam aus dem Gemeinderat, welcher die Wasserversorgung von Reichenberg behandelte. Dazu gehört nämlich auch der Friedhof, der seine Kosten nicht deckte. Weil man aber die Kosten nicht einfach auf die Bürger abwälzen wollte, begann der Verwaltungsapparat damit, sich über alternative Bestattungsmethoden zu informieren. In Veitshöchheim gab es viele Anregungen, erklärt Hemmerich. Auch Grabkammern aus Beton werden dort schon genutzt.
Den Umbau der Friedhöfe seiner Gemeinde begreift Bürgermeister Hemmerich als langfristige Strategie. Nachdem die Friedhöfe Jahre lang vergrößert wurden, soll es nun wieder in die andere Richtung gehen: "Ziel ist es, die Friedhöfe wieder auf ihr Zentrum zurück zu bringen." Die Anzahl der Bestattungen gehe nämlich zurück. Immer mehr Anklang finden unkomplizierte Bestattungsformen wie etwa die in Urnen. Auch hierfür hat die Gemeinde im Zuge der Baumaßnahmen neue Gräber geschaffen. Insgesamt sollen somit Kosten, Platz, aber auch die für die Grabpflege aufgewendete Zeit eingespart werden.