Der "DenkOrt Deportationen" vor dem Hauptbahnhof wird immer mehr zum zentralen Punkt eines ganzen Netzwerks von Gedenkstätten: Die am Bahnhofsplatz aufgestellten Gepäckstücke erinnern an fast 2100 jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger aus ganz Unterfranken, die zwischen 1941 bis 1944 von den Nationalsozialisten in die Vernichtungslager nach Osteuropa deportiert wurden.
Jeder Koffer und Rucksack – im Moment sind es 47, es sollen aber weitere hinzu kommen – steht für eine der unterfränkischen Gemeinden, aus denen die Opfer kamen. In den Kommunen steht jeweils ein identisches Gepäckstück als eigenes Mahnmal.

In Würzburg sind es inzwischen sogar zwei: Eine Woche nach dem Betonkoffer am Ort der in der Progromnacht vom 9. November 1938 niedergebrannten Heidingsfelder Synagoge wurde jetzt ein weiteres Gepäckstück offiziell eingeweiht. Heidingsfeld war bis zur Eingemeindung 1930 eine eigenständige Stadt mit jüdischer Gemeinde und hat deshalb einen eigenen Koffer bekommen.
Der Würzburger Koffer steht an einem stark frequentierten Ort in der neuen Fußgängerzone Spiegelstraße und gewährt einen Blick in sein Inneres: Ein Teddybär, eine Zahnbürste und ein Tagebuch mit einigen Sätzen des damals zwölfjährigen Helmut Mai erinnern symbolisch an das Schicksal von 202 Kindern, Frauen und Männern, die sich am 26. November 1941 an der Schrannenhalle einfinden mussten, um von dort aus von den Nazis in den Tod geschickt zu werden. Im transparenten Koffergriff steht ein Stück Stacheldraht für die Konzentrationslager, die das Ziel der Deportationen waren. Entworfen wurde er von Schülerinnen und Schülern des Matthias-Grünewald-Gymnasiums.
"Drei Denkorte in unserer Stadt sind ein wertvoller Beitrag zur vielfältigen und lebendigen Würzburger Erinnerungskultur." .
Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt
Direkt neben dem ehemaligen Standort der Schrannenhalle, auf dem Kardinal-Faulhaber-Platz, kamen am Dienstagnachmittag rund 40 Menschen zusammen, um das Mahnmal mit Mundschutz und dem erforderlichen Abstand offiziell einzuweihen.

"Insgesamt drei Denkorte in unserer Stadt sind ein wertvoller Beitrag zur vielfältigen und lebendigen Würzburger Erinnerungskultur", sagte Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Wegen der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands sei es wichtig, die Erinnerung an den Völkermord der Nationalsozialisten wach zu halten: "Wir sind es den Opfern schuldig, alles zu tun, damit es nie wieder zu einer solchen Herrschaft des Unrechts und zu solchen grauenhaften Verbrechen kommt."
Antisemitismus sei in der heutigen Zeit wieder zu einem "massiven Problem" geworden, betonte Schuchardt. Das sieht auch Marat Gerchikov, Mitglied des Vorstands der Jüdischen Gemeinde Würzburg und Unterfranken so: "Was wir aktuell erleben, zeigt, dass wir solche Mahnmale brauchen. Viele Menschen sind vergesslich oder bequem geworden. Deshalb müssen wir uns immer wieder neu erinnern", sagte er in seinem Grußwort.