Wie lässt sich in Zeiten, in denen die Zeitzeugen immer weniger werden und die Spuren der Zerstörung kaum noch wahrnehmbar sind, das Gedenken an den 16. März 1945 noch so wach halten, dass es auch bei den Menschen ankommt? Mit dieser Fragestellung und konkret mit der Neugestaltung des Gedenkraums im Rathaus beschäftigten sich die Redebeiträge bei den Gedenkveranstaltungen zum 66. Jahrestag der Zerstörung Würzburgs.
Nur schwach besetzt war der Ratssaal, als Oberbürgermeister Georg Rosenthal, Stadtheimatpfleger Hans Steidle und Hans-Peter Baum vom Stadtarchiv die Umgestaltung des Gedenkraums erläuterten, die zuletzt im Stadtrat kontrovers diskutiert wurde. Möglicherweise war dies auch ein Indiz dafür, dass die Debatte darüber, ob die Zerstörung Würzburgs durch alliierte Bomber auf den Infotafeln im Gedenkraum als „Terrorangriff“ bezeichnet werden soll, in der breiten Öffentlichkeit keine allzu maßgebliche Rolle spielt.
OB Rosenthal nahm hierzu unmissverständlich Stellung: Der 16. März als „schwärzester Tag der Stadtgeschichte“ dürfe nicht vergessen werden. Es sei ein Tag, „der in den Verbrechen der nationalsozialistischen Herrschaft eine Vorgeschichte hat“, an die man ebenfalls erinnern müsse. „Das Ausschlaggebende ist aber, dass dieses Gedenken niemals ein Rachegedanke werden darf, dass wir nicht zulassen, dass dieses Gedenken von interessierter politischer Seite in revanchistischem Sinn funktionalisiert wird“, sagte der OB auch im Hinblick auf den Versuch von Neonazis, die vor sechs Jahren versuchten, den 16. März für sich zu vereinnahmen.
Ein angemessenes Gedenken braucht nach Rosenthals Ansicht als Grundlage eine „unvoreingenommene und vollständige Erforschung aller Umstände und Gründe“, die zur Zerstörung Würzburgs geführt haben. Dies sei weitgehend geleistet und neue Erkenntnisse nicht mehr zu erwarten. „Nicht zu der anzustrebenden Erkenntnis gehört der Versuch, die Ereignisse unter Schlagworten wie 'Terror' oder 'Kriegsverbrechen' abzulegen“, so der OB.
Für die Zukunft wünscht sich Rosenthal, das Ereignis des 16. März stärker in den Schulen zu verankern. Auch Veranstaltungen von Stadt, Universität, Fachhochschule und Kirchen mit ihren jeweiligen Institutionen seien geeignet, dass der Gedenktag des 16. März sein Gewicht behält. Denkbar sei auch ein gemeinsames Gedenken mit Bürgern aus den Partnerstädten. Zudem sollten auch die in die Zukunft weisenden Aspekte dieses Tages in die städtische Erinnerungskultur einfließen.
Für Stadtheimatpfleger Hans Steidle gehört der Gedenkraum ins Rathaus, weil hier seit Jahrhunderten das Zentrum der Stadt sei. Für Steidle handelt es sich aber nicht um einen Gedenkraum, sondern vielmehr um einen Platz der Information und Dokumentation. Gerade hier hätten Begriffe wie „Terrorangriff“ keinen Platz: „Sie führen nur dazu, dass diejenigen sich bestätigt fühlen, die nichts aus der Geschichte lernen wollen.“
Hans-Peter Baum, der maßgeblich für die Texte der neuen Infotafeln im Gedenkraum zuständig war, erläuterte deren Inhalt und Zustandekommen. Die alten Tafeln seien äußerlich nicht mehr sehr ansehnlich gewesen, außerdem habe man die Texte als zu emotional und zu lang empfunden. Eine Verringerung der Textmenge sei möglich, weil die Mehrzahl der Besucher in Begleitung von Gästeführern komme und mündliche Erläuterungen erhalte. „Weniger Text mit hinreichender Genauigkeit“ sei eine Herausforderung gewesen, gleichwohl wäre es unangemessen gewesen, die Ereignisse mit Schlagworten zu beurteilen, so Baum.
Gedenkkonzert mit Mahnungen
Voll besetzt bis auf den allerletzten Platz war anschließend die Neubaukirche der Universität beim traditionellen Gedenkkonzert, wo das Requiem von Maurice Duruflé aufgeführt wurde. Uni-Präsident Alfred Forchel rief dazu auf, die Erinnerung an Tage wie den 16. März wach zu halten, vor allem weil dessen äußere Spuren so gut wie nicht mehr sichtbar seien.
Prof. Matthias Stickler hob in seinem Vortrag über städtische Gedenkkultur eine Würzburger Besonderheit hervor. Bereits in den 1950er Jahren sei in Würzburg, beispielsweise von Max Domarus, ein Zusammenhang zwischen der Zerstörung der Stadt und der Kriegs- und Vernichtungspolitik des Dritten Reichs hergestellt worden. Fast zur gleichen Zeit habe OB Franz Stadlmayer auf die Shoa, und damit auf das Leid, das der Krieg anderen, nämlich dem jüdischen Volk, zugefügt habe, hingewiesen. „Das war einmalig für die damalige Zeit“, so der Historiker. Auch der damalige Bischof Josef Stangl habe aus theologischer Sicht den Bombenangriff als Sühne für die Schuld betrachtet.
Die aktuellen Bemühungen für eine neue Erinnerungskultur stünden demnach in einer langen Tradition. Umso mehr warnte Stickler davor im neu gestalteten Gedenkraum Schlagworte wie „Barbarei“ oder „Terrorangriff“ zu verwenden, denn „sie sind verkettet mit der Propagandasprache zweier deutscher Diktaturen.“