Der Kulturwissenschaftler Dr. Christian Naser aus Würzburg gab vergangenes Jahr ein Buch über ein Palais heraus, das 1744 nach Plänen des Architekten Balthasar Neumann für den Weinhändler Andreas Wiesen in Zell am Main entstand. In seinem Werk befasst sich Naser mit der Bedeutung des Weinhandels in Unterfranken im 18. Jahrhundert. Naser entwickelt einen Bautypus und ein Raumkonzept von Weinhändlerhäusern des 18. Jahrhunderts in Unterfranken mit Manufakturbetrieb, Geschäftshaus und Wohngebäuden. Dazu stellt er Bezüge zu anderen palaisartigen Weinhändlerhäusern der Region her. Bei diesen Betrachtungen fehlt auch das 1745 errichtete Franck-Haus in Marktheidenfeld nicht, ebenso wie das Abendanz-Anwesen in Distelhausen, das Buchler-Haus in Gerlachsheim, das Bögner-Haus und das Schäffner-Haus in Tauberbischofsheim sowie das Schelfenhaus in Volkach.
Kunden in Frankfurt
Die Weinhändler jener Tage in Zell und in Marktheidenfeld waren sich übrigens keineswegs fremd, wie Naser in seinem Buch nachweisen konnte. Die Zeller pflegten auch zu ihren Marktheidenfelder Kollegen Kontakt und bedienten durchaus ähnliche Kunden mit einem deutlichen Schwerpunkt in Frankfurt.
Aber auch Hochzeiten und Verwandtschaften spielten bei den Beziehungen unter den oftmals versippten Händlern jener Tage ihre Rolle. So wird der Marktheidenfelder Weinhändler Johann Kaspar Stöber 1741 unter den Trauzeugen einer Doppelhochzeit in Zell aufgeführt. 1717 hatte er dort selbst die Weinhändlerstochter Magdalena Fleischmann geheiratet. Weitere Verwandtschaften werden mit dem Marktheidenfelder Weinhändler Johann Adam Rohs(s)mann und mit der Lengfurter Weinhändlerfamilie Bauer erwähnt.
In Bezug auf das Marktheidenfelder Weinhändlerhaus von Franz Valentin Franck (1702-1777) beschränkt Christian Naser seine Betrachtungen auf das Hauptgebäude mit der reich verzierten, smalteblauen Schaufassade zur Untertorstraße hin. Kelleranlagen, Wohnung, Manufaktur und Nebengebäude blieben in diesem Fall außer Betracht. Das Gebäude war im Unterschied zu Neumanns Neubau in Zell 1745 unter Umgestaltung von Vorgängerbauten entstanden.
Ein an Weinhändlerhäusern in Unterfranken immer wieder kehrende Gestaltungselement, das man in Marktheidenfeld auch an weiteren Gebäuden und Toreinfahrten finden kann, ist das Händlerzeichen mit dem charakteristisch dreigeteilten Herzen. Am Franck-Haus sind dort die Initialen „FVF“ des Erbauers Franz Valentin Franck eingeschrieben.
Eine eigene Rolle schreibt der Würzburger Kulturwissenschaftler dem Fassadenschmuck zu. Er verweist auf die allegorischen Darstellungen auf den Scheitelsteinen der Fenster im Erdgeschoss an den ehemaligen Kontorräumen zur Untertorstraße. Rechts vom Haupteingang sind die vier Jahreszeiten dargestellt, wo die Verwaltung des Einkaufs vermutet werden könnte. Denn für diesen sei das zyklische Gedeihen des Weins von besonderer Bedeutung. Auf der anderen Seite finde man die damals übliche Darstellung von vier Erdteilen vor den Verkaufsräumen als Hinweis auf sehr weitläufige Handelsgeschäfte.
Größere Rätsel geben die zehn Frauenköpfe über den teils aufwändigeren Fenstern des Obergeschosses auf. Der Autor vermutet eventuelle Bezüge zu den Musen, die auf die dahinterliegenden Festsäle deuten könnten.
Die Einheit von Bildprogramm und Raumfunktion sieht Christian Naser jedoch im Hauptfresko an der Decke des Festsaals im ersten Stock bestätigt, wo die Darstellung des Festmahls aus der alttestamentarischen Josefsgeschichte die Funktion als Speise-, Fest und Empfangsraum unterstreiche.
Stuckmedaillons
Auf die Tatsache, dass die Weinproduktion von göttlichem Willen abhängig sei, habe die Kunden und den Hausherren die Darstellung des Weingottes Bacchus und der Erntegöttin Ceres in den Stuckmedaillons der Toreinfahrt hinweisen sollen. Solche und ähnliche allegorische Elemente fanden ebenso unter den Resten des Skulpturenschmucks der Gartenanlage am Weinhändlerpalais in Zell.
Zusammenfassend kommt Christian Naser im Vergleich mit den anderen Weinhändlerhäusern zu dem Schluss, dass diese palaisartigen Geschäftshäuser nicht zufällig geplant und ausgestattet wurden. Sie folgten als Ausdruck des Selbstbewusstseins und der Selbstdarstellung der reichen Weinhändler bestimmten architektonischen Kriterien und Raumplänen.
Buchtipp: Christian Naser, Das vergessene Schloss – Balthasar Neumanns Weinhändlerpalais in Zell, 200 Seiten, Verlag Könighausen & Neumann, Würzburg 2013, ISBN: 978-3-8260-5297-2
Weinbau und -handel in Marktheidenfeld
Wie Dr. Leonhard Scherg, Historiker und früherer Bürgermeister von Marktheidenfeld, in einem Aufsatz über Weinhandel und Weinbau in der kürzlich erschienen Stadtchronik des Historischen Vereins schreibt, war der Weinbau schon im 17. Jahrhundert ein bedeutsamer Wirtschaftsfaktor in der Stadt. Winzer- und Weinhändlerfamilien erlebten um die Mitte des 18. Jahrhunderts eine wahre Blütezeit mit weitreichenden Handelsbeziehungen unter anderem bis nach Frankfurt aber auch hin bis nach Lübeck oder Belgien.
Seit Ende des 18. Jahrhunderts gingen die Rebflächen kontinuierlich zurück. Weinbau und Weinhandel verloren in Marktheidenfeld ihre herausragende wirtschaftliche Bedeutung zusehendes, verschwanden bis auf wenige Reste völlig. Allerdings sollte Marktheidenfeld mit einer staatlichen Rebzuchtanlage im 20. Jahrhundert wieder eine wichtige Rolle für den unterfränkischen Weinbau spielen.
Ende der 70-er Jahre erlebte die Lage „Marktheidenfelder Kreuzberg“ bei der Staatlichen Hofkellerei in Würzburg eine Renaissance mit von Kenner hochgeschätzten Weißweinen. Inzwischen ist diese Episode beendet und man findet dort keine Marktheidenfelder Weine mehr im Angebot. Kleinere Pachtflächen privater Winzer sorgen vorläufig dafür, dass der „Kreuzberg“ zunächst nicht wieder völlig von den regionalen Weinkarten verschwindet. Text: maha