Feierabend! Freunde treffen, ein Bier trinken und ausgelassen quatschen. Was dabei für viele Kneipenbesucher mittlerweile nicht mehr fehlen darf: das Smartphone. Und das kann teilweise ganz schön nerven. Die ersten Kneipen in Würzburg gehen jetzt dagegen an – und stellen bewusst kein drahtloses Netz zur Verfügung. Die Wirte wollen, dass die Gäste miteinander reden – und nicht auf ihre Smartphones glotzen.
Gesenkte Köpfe überall
Wer sich in Gaststätten oder öffentlichen Verkehrsmitteln umsieht, findet leicht Situationen, wie sie Benjamin Kolb, Barmann im Reuererbäck in der Sanderstraße beschreibt: Gesenkte Köpfe, vertiefte Blicke – volle Konzentration auf die ständigen Begleiter. „Immer mehr Leute starren auf ihre Smartphones anstatt sich zu unterhalten.“
Macht uns die ständige Erreichbarkeit nun kontaktfreudiger oder stört das mobile Internet die direkte Kommunikation? Unsere Redaktion hat sich in der Sanderstraße, Würzburgs Kneipenmeile, umgesehen. Dort hat das „Reuererbäck“ eine ungewöhnlich Maßnahme ergriffen: „Sorry – no Wi-Fi, talk to each other and get drunk!“, übersetzt: „Sorry – kein Drahtlos-Netz, sprecht miteinander und trinkt“. Mit dieser provokanten Aufforderung auf einem Schild an den Fenstern setzt die Kneipe ein klares Zeichen: Permanentes Handy-„Daddeln“ – das Dauersurfen im Internet – stört.
Eindrücke und Meinungen aus der Sanderstraße
Rausgeworfen wird deshalb zwar niemand. Aber das Barpersonal sieht die „Generation Smartphone“ kritisch. „Die Handys liegen immer zum Chatten und Mailen auf den Tischen. Ich glaube, das tut dem gesellschaftlichen Umgang nicht gut“, findet Barmann Kolb. Ihn ärgert das ständige Tippen und Telefonieren in der Bar. Deshalb hängte er das Schild auf.
Kellnerin Caro Baranski erzählt aus dem Kneipenalltag: „Ihre Handys haben die Gäste immer dabei. Aber uns ist aufgefallen, dass nach ein paar Gläsern Bier oder Wein eher geredet als getippt wird.“ Kollegin Mara Schnorfeil berichtet aus ihrem Freundeskreis: „Bei uns gilt immer: Die Zeit mit Freunden ist handyfreie Zeit.“
Kein Wi-Fi für Gäste
Ein paar Häuser weiter, in der Loma-Bar, berichtet Kellner Oliver Sonntag von ähnlichen Situationen: „Ja, immer mehr Leute sitzen mit ihren Handys in der Bar. Deswegen bieten wir auch kein Wi-Fi für die Gäste an“. Stattdessen gibt es im Loma gesellige Alternativen: Eine bunte Spielesammlung im Regal und Super-Mario-Rennen auf der Nintendo 64-Konsole.
„Das Schlimmste, was den Leuten passieren kann, ist nicht mehr ein liegen gelassener Geldbeutel, sondern, wenn das Handy verloren geht.“ Dann, so Sonntag, werden Gäste oft richtig wütend. Auch die Wohnzimmer Bar & Lounge stellt Gesellschaftsspiele auf jedem Tisch zur Verfügung. Kellnerin Alina Sikorski: „Beim Mittagstisch sehe ich kaum Handys, zu der Zeit unterhalten sich die Gäste eher.“ Abends im Barbetrieb werden dann mehr Smartphones gezückt.
Kellnern per Smartphone
Und nicht nur Gäste tippen auf den Mobilgeräten: Im „Wohnzimmer“ werden seit kurzem auch Bestellungen und Rechnungen über das Smartphone aufgenommen. „Am Anfang war das gewöhnungsbedürftig, aber mittlerweile ist es eine echte Arbeitserleichterung. Alles geht schneller“, sagt Sikorski über die Umstellung. Umständliches Rechnen und Abheften von Barbelegen ersparen sich die Mitarbeiter durch die handlichen Multifunktions-Geräte.
Anna Kunkel, Bedienung im Café „Muck“ ist zwiegespalten, was das mobile Internet angeht: „Einerseits ist das ein tolles Medium, um sich Wissen auch unterwegs zu beschaffen. Andererseits ersetzt es oft Unterhaltungen“. Ihre Beobachtung: Vor allem jüngere Gäste beschäftigen sich mit ihren Smartphones, ältere vertiefen sich eher ins Gespräch.
Daddeln statt flirten
Unterschiedlich ist die „Handysucht“ bei Pärchen und Gruppen. „Vor allem bei Verabredungen sind mir Situationen aufgefallen, wo sich zwei Leute gegenübersitzen und sich nur mit den Handys beschäftigen“, berichtet Loma-Barmann Sonntag. Und Korbinian Aßbichler, Kellner im Unicafé, bestätigt: „Zwei Leute sitzen sich eher mal mit den Handys in der Hand gegenüber, ohne sich großartig zu unterhalten. Bei größeren Gruppen kommt das eigentlich nie vor.“
Ist es nicht unhöflich, sich mit seinem Handy anstatt dem Gegenüber zu beschäftigen? Ist es ein Ausdruck von Verlegenheit? Sonntag stellt dazu eine interessante These auf: „Wir aus der Bar vermuten, dass es sich oft um Online-Dates handelt und die Leute sich noch nicht so viel zu erzählen haben.“
Werbung für die Lokale
Für den Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband sind die Smartphones in den Kneipen noch kein Grund zur Sorge. Der stellvertretende Würzburger Kreisvorsitzende Ralf Barthelmes – er betreibt das Martinz – kann dem Massenphänomen sogar etwas Gutes abgewinnen: „Wer seine E-Mails in Lokalen checkt, der trinkt und isst auch etwas dabei. Und wer dazu noch auf Facebook postet, wo er sich befindet und ein Foto vom schön angerichteten Essen hochlädt, macht dadurch Werbung.“ Deshalb hat Barthelmes in seinem Restaurant zum Gratis-Einloggen ins Internet eigens einen „Social Hotspot“ eingerichtet.
Und auch nicht immer bedeutet die Handy-Präsenz weniger Unterhaltung. Kollektives Verzichten auf die Smartphones hat sich in manchen Bars und Kneipen zu einem echten Spiel entwickelt: Alle Handys werden dazu auf den Tisch gelegt. Wer im Laufe des Abends zuerst sein Smartphone benutzt, hat verloren und zahlt die nächste Getränkerunde. In diesem Fall gilt: Gemeinsamer Spaß mit den kleinen und praktischen Zeitdieben.
Unsere Umfrage in Kneipen der Sanderstraße:
Verena Rückert, 27 Jahre:
„Ich gehe da nach Knigge. Wichtige Anrufe sind okay. Aber ich hasse es, wenn jemand die ganze Zeit auf's Handy schaut. Da beschwere ich mich auch mal.“
David Kreuzlein, 27 Jahre:
„Immer mit dem Handy unterwegs sein – das nervt. Das stört einfach in der Gesellschaft. Ein Freund von mir hängt immer an seinem Smartphone, das ist uncool.“
Max Walther, 26 Jahre:
„Wenn jemand ständig auf sein Handy schaut, nervt mich das. Ich schaue zwar selbst öfter mal darauf, aber das mache ich nicht den ganzen Abend.“
Katharina Eich, 33 Jahre:
„Die Menschen verlieren dadurch den Kontakt zu ihrer Umwelt. Durch das ständige Beschäftigen mit dem Handy schließt man sich sozial aus.“
Alina Eichhorst, 26 Jahre:
„Solange man nicht alle zwei Sekunden auf's Handy schaut, ist das okay. Und, wenn das der Fall ist, ist das vielleicht ein Zeichen dafür, nach Hause zu gehen.“