Es war mehr als ein Hauch der großen Politik, der am vergangenen Dienstag Mellrichstadt streifte. Eine 15 Personen starke Abordnung aus Georgien war zu Besuch im Grundbuchamt der Stadt – überwiegend Frauen, von Beruf Notarinnen, aber auch zwei Richterinnen und ein Mitarbeiter des georgischen Justizministeriums. Die Gruppe befindet sich seit dieser Woche auf einer Tour durch Deutschland, um das hiesige Justizwesen kennenzulernen.
Die große Politik steht insofern dahinter, als der Besuch der Fachleute aus Georgien in einen Kooperationsvertrag der Bundesregierung, genauer des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, mit der georgischen Regierung eingebettet ist. Dieses wiederum ist Teil der sogenannten Kaukasus-Initiative des deutschen Ministeriums, die neben Georgien auch Aserbaidschan und Armenien umfasst.
Die deutsche Regierung leistet schon seit 1993 Georgien vielfältige Hilfe, etwa im Aufbau einer neuen Justiz, nachdem das Land seit der „Rosenrevolution“ 2003 große Anstrengungen unternimmt, um sich an die europäischen Standards in Wirtschaft, Verwaltung und Rechtsprechung anzuschließen. Angestrebt wird zum Beispiel die Einführung des „lateinischen Notariats“, wie es in Kontinentaleuropa üblich ist und sich aus dem römischen Recht herleiten lässt. Ein Teilbereich der Justiz ist auch die Verwaltung von Liegenschaften und Grundstücken, wofür es in Georgien bisher nur unbefriedigende Ansätze gibt.
Vitali Schmitkel, Notar in Bad Neustadt, hat die Kontakte zu seinen georgischen Berufskollegen hergestellt. Nachdem die Reisegruppe bereits beim Deutschen Notarinstitut in Würzburg war und auch das Notariat von Schmitkel besucht hatte, sollte sie jetzt auch das Grundbuchamt, die für geregelte Verhältnisse so wichtige Behörde, kennenlernen. Seit 1. Februar 2013 befindet sich das Grundbuchamt als feste Außenstelle des Amtsgerichts Bad Neustadt in den Mauern des Mellrichstädter Schlosses.
Bei ihrem Besuch am Dienstagnachmittag wurden die Frauen und Männer aus Georgien von ihrem Dolmetscher, Amtsgerichtsdirektor Joachim Hein, Vitali Schmitkel und Jens Deppe, dem Projektleiter bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, begleitet. Die Gruppe wird im Laufe der Woche auch das Bundesjustizministerium in Berlin besuchen. Am Freitag geht es dann wieder in die Heimat zurück.
Amtsgerichtsdirektor Jochen Hein stellte seinen Amtsbereich vor. Sechs Richter, zwölf Rechtspfleger und insgesamt 45 Mitarbeiter sind am Amtsgericht in Bad Neustadt beschäftigt. Hier werden auch alle Bereiche des ordentlichen Rechts abgedeckt. Hein ging auch kurz auf die Geschichte des ehemaligen Amtsgerichts Mellrichstadt ein, an dem er selbst als Richter tätig gewesen war.
Die Vorstellung des Grundbuchamts kam natürlich dessen Leiter Stefan Werner zu. Am Leitfaden eines (fiktiven) Grundbuchblatts erläuterte er, wie das Grundbuchverfahren in Deutschland abläuft und wie ein Grundbuchblatt aufgebaut ist. Er erklärte, welche Einträge vorgenommen werden und welches Höchstmaß an Rechtssicherheit für den Besitzer von Immobilien damit verbunden ist, weil das deutsche Grundbuchrecht ein streng formalisiertes Rechtsverfahren vorsieht.
Werner erinnerte auch daran, dass die Einführung des deutschen Grundbuchverfahrens im Jahr 1900 eine Periode von 17 Jahren nach sich zog, bis alle Grundstücke amtlich erfasst waren. Damit nahm er vermutlich den georgischen Besuchern die Bedenken vor einer Umstellung ihres eigenen Systems, die sich wohl auch auf eine lange Übergangszeit einstellen müssen.
Er ermutigte seine Zuhörer aber auch dadurch, dass mithilfe der elektronischen Techniken heute vieles einfacher geht und auch viel leichter zentral verwaltet werden kann, so wie durch den zentralen Grundbuch-Datenspeicher in München. Dort laufen alle bayerischen Registrierungen zusammen, und auf diesen Speicher hat jedes Grundbuchamt in Bayern auch eine Zugriffsmöglichkeit.