Überragendes Können, Authentizität und Originalität machen das künstlerische Werk von Heinz Schiestl einzigartig und besonders. An diesem Samstag, 11. April jährt sich der Todestag des Würzburger Bildhauers, Grafikers und Malers zum 75. Mal.
Heinz Schiestl, eigentlich Heinrich, am 23. Februar 1867 in Zell am Ziller in Tirol geboren, liegt das handwerkliche Geschick bereits im Blut. Sein Vater, der Bildschnitzer Matthäus Schiestl der Ältere, der sich 1873 in Würzburg niederlässt und eine Werkstatt in der Oberen Johannitergasse 11 betreibt, führt Heinz und dessen jüngere Brüder Rudolf und Matthäus den Jüngeren schon früh an die Bildhauerei heran.
Die drei Sprösslinge besuchen zunächst die Peterer Schule und gehen anschließend in der väterlichen Werkstatt in die Bildschnitzerlehre. Heinz besucht zudem vier Jahre lang die Zeichen- und Modellierklasse des Polytechnischen Zentralvereins in Würzburg und absolviert zwei Semester an der Kunstakademie in München.
Altarwerke und Statuen
Als Ältester der drei „Schiestl-Buben“ übernimmt Heinz Schiestl 1896 die Werkstatt des Vaters; seine künstlerische Bedeutung für Würzburg und Mainfranken nimmt schnell Fahrt auf. Er schafft, oft auch gemeinschaftlich mit dem Vater und den Brüdern, zahlreiche Altarwerke, formvollendete Statuen, Kreuzwegstationen und Kriegerdenkmäler.
Nicht nur das „Dukatenmännle“, geschnitzt für den Würzburger Ratskeller, erinnert auch heute noch an Heinz Schiestl. An vielen weiteren fränkischen Orten, wie in der Pfarreikirche Heilige Schutzengel und St. Jakobus der Ältere in Gaukönigshofen oder in der Pfarrkirche St. Laurentius in Marktheidenfeld, finden sich Spuren seines Schaffens.
Beeinflusst von Riemenschneider
Beeinflusst ist Schiestls Arbeit wesentlich durch die spätgotischen Meisterwerke Tilman Riemen-schneiders – gleichwohl ist Schiestls Handwerk einzigartig. „Meister Dill“ Riemenschneider ziert auch einen der vielen Notgeldscheine des Ersten Weltkriegs, mit deren Gestaltung Schiestl von mehreren Städten betraut wurde. Die „Schiestl-Scheine“ verschaffen dem Würzburger Künstler deutschlandweit Bekanntheit und werden heute noch eifrig gesammelt und gehandelt.
Zu Schiestls Glanzstücken gehören auch etliche altdeutsche Zimmer mit opulenten Schnitzereien, die vorrangig für betuchte Würzburger angefertigt wurden. Heute stellen diese eine Rarität dar, da ein Großteil durch den Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945 zerstört wurde. Ein für die Nachwelt noch erhaltenes Beispiel ist die Schiestl-Stube im Würzburger Ratskeller.
Neben Bildhauerei und Grafik beschäftigt sich Schiestl mit Malerei. Besonders die originellen Karikaturen und selbstgestalteten Postkarten spiegeln einen großen Sinn für Humor und Lebensfreude wider. Mit wenigen Strichen gelingt es dem Würzburger charakteristische Wesenszüge eines Menschen einzufangen und festzuhalten und banale Alltagssituationen in einer Art zu skizzieren, als ob er das Leben selbst zu einem Kunstwerk machen wolle. Jedes der Bilder erzählt dabei seine ganz eigene Geschichte.
Nach einem arbeitsreichen Leben verstirbt Heinz Schiestl am 11. April 1940 im Alter von 73 Jahren und findet seine letzte Ruhestätte auf dem Würzburger Hauptfriedhof. Bis auf die ersten Kindesjahre und den Studienaufenthalt in München lebt und wirkt der 1937 mit dem Riemenschneiderpreis für Bildende Künste ausgezeichnete Heinz Schiestl über mehrere Jahrzehnte in Würzburg und ist zeit seines Lebens mit Franken aufs Engste verbunden.
Seit Ende des Jahres 2014 befindet sich ein Nachlass im Stadtarchiv Würzburg, der unter anderem private Schriftstücke, Briefe und Fotos von Heinz Schiestl und seiner Familie enthält. Dieser wird derzeit verzeichnet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die Autorin: Ingeborg Thannheuser ist Politik-und Kommunikationswissenschaftlerin. Mit Anne Ullrich erstellte sie den Bildband zum Werk der Fotografin Erika Groth-Schmachtenberger, veröffentlicht 2013 vom Stadtarchiv.