Ihre Stimme gleitet traumhaft sicher zwischen allen Ausdruckslagen. Die Balladen von „lilly among clouds“ haben eins gemeinsam: einen kräftigen Druck nach vorn. Jetzt steht die Wahl-Würzburgerin vor ihrem nächsten Karrieresprung.
Die Sängerin schneidet ein Bild aus. Das soll in den nächsten Monaten ihren Namenszug „lilly among clouds“ zieren: ein Wolkenkratzer, die untersten zwölf, 14 Stockwerke. Just so hoch ist sie mit ihrer Musik bis heute gestiegen.
Bestandsaufnahme. Gerade erschien eine Kurz-CD mit fünf Songs, sie machte eine Tournee von Erlangen über Berlin bis Hamburg, hängte einen Tag als Zugabe fürs Radio dran. Dann kehrte sie nach Würzburg zurück, schrieb neue Songs für sich und andere und nahm ihre Abstecher in die Gegend von Tübingen wieder auf. Dort arbeitet sie im Studio an einem Album, weil: „Erst mit dem Format zeigt man den Leuten, dass man ein ernsthafter Künstler ist.“
Dabei spielt Lilly, als Elisabeth Brüchner bei Straubing aufgewachsen, schon lange öffentlich: Seit fünf Jahren präsentiert sie eine eigenständige, reife Musik. Und sie singt mit viel Soul. Genau gesagt: mit gerade so viel Soul, dass sie mitten im Lied in jedes andere Genre wechseln und absolut glaubhaft weitersingen kann. Der Hörer scheut, Vergleiche zu nennen, ist sich nur sicher: Wenn, dann müssen es die Namen der ganz großen Vokalistinnen der vergangenen 50 Jahre sein.
Weil Lilly in ihren ersten Bühnenjahren naturgemäß oft allein mit Gitarre auftrat, hängt ihr das Etikett der Songwriterin noch lose am Pulli. Aber falsch. Ihre Stimme ist nicht nur Mittel, um Geschriebenes zu transportieren oder zu interpretieren. Die Sängerin spielt die Nuancen ihres Timbres gern auch als reinen Klang, als zusätzliches Instrument aus. Und wegen der Melodie und Dynamik. Mit kompletter Combo tritt sie gerne auf, weil sie da viel mehr aus sich rausgehen kann.
In Würzburg baute die Künstlerin ihren Bachelor in Politologie, hier probierte sie etliche Musikbühnen aus. Und hier gründete sie, grade mal 22 Jahre alt, die Band „lilly among thorns“, unter Dornen. Die hielt zwei Jahre lang, Lillys „Jungs“ waren Studierte an ihren Instrumenten. Gemeinsam hatte man das Selbstverständnis, dass die Songs gemeinsame Werke aller Beteiligten sein sollten. Elisabeth Brüchner, die eloquent in zündenden Vergleichen spricht, sagt: „Das ist so, als wenn du zu fünft einen Zeitungsartikel schreibst.“ Auf Dauer sei es recht fordernd gewesen, zumal die Jungs über ganz Deutschland verteilt wohnten.
Zurück zum Klampfensound wollte die Künstlerin allerdings nicht. Sie fand einen einzelnen Mitstreiter und einen anderen Weg. Die neuen Kompositionen entstehen in Zusammenarbeit mit Produzent Udo Rinklin. Lilly liefert das Grundgerüst, Rinklin heckt Nebenstimmen und das Arrangement aus.
„So viel wie ich in der Öffentlichkeit reden kann, so viel bin ich zuhause still.“
Sängerin Elisabeth Brüchner alias Lilly über ihr Mitteilungsbedürfnis
Eine Band wird je nach Bedarf aus Profis zusammengestellt und bekommt fertige Noten vorgesetzt. Man kann sich vorstellen, dass Lilly als Bandleaderin genug Autorität hat. Ihre Werke ziehen auch ausgebildete und ausgebuffte Studiomusiker in den Bann.
Der Besetzungswechsel machte einen neuen Namen notwendig. Das traf sich gut, denn „among thorns“ bedeutete für Lilly auch „ein Verstecken im Unterholz, aus pubertärer Unsicherheit“. Dagegen lässt so eine Himmelfahrt gleich ganz andere Assoziationen zu.
Immer weniger hört man den Lilly-Werken eine Herkunft aus der Liedermacherei zur akustischen Gitarre an. Die Urheberin mag Popmusik und möchte in dieser Richtung auch weiterarbeiten. Es darf ruhig den Geschmack breiter Massen treffen. 42 „ganz fertige“ Songs umfasst das Repertoire. Wegen ihres Politikstudiums sind die Texte nicht mit Botschaften beladen: In der Politologie hat sie „gelernt, dass es immer faktisch begründete Gegenargumente gibt, wenn jemand etwas in der Welt verbessern will.
Du kannst jeden guten Ansatz und jede positive Aufbruchstimmung runterziehen.“ Das soll ihre Musik nun aber wirklich nicht.
Stattdessen vertont sie einfach „alles, was mich beschäftigt. So viel wie ich in der Öffentlichkeit reden kann, so viel bin ich zuhause still. Und das muss dann raus.“ Übrigens in einem sehr guten Englisch, das ihrer amerikanischen Verwandtschaft ebenso geschuldet ist wie ihrem früheren Nuscheln vorm Mikrofon. Darauf hingewiesen, gewöhnte sie sich eine dermaßen deutliche Aussprache an, dass die ihrerseits schon wieder wie ein Akzent wirkt.
Als würden nicht schon genug Themen auf Lilly eindrängen, beherrscht sie das Songwriting auch noch als Handwerk, sie kann aus einem Stichwort Strophen und Refrain entwickeln. Wenn sie das für Verlage tut, bringt das immerhin so viel Geld ein, dass die Musikerin dies „ein Standbein“ nennt. In die eigene Karriere hingegen investiert sie derzeit noch – sie und ihre Mitmusiker.
Die Band „lilly among clouds“ versteht sich als Teil des Musik-Business. Man wird in Netzwerken aktiv, leistet etwas und bekommt Hilfe. Dabei gibt es wohl viele ziemlich feste Regeln, und wenn alles gut geht, dann bringt einen dieses Miteinander Schrittchen für Schrittchen zu Ruhm und Geld. In der Profiliga spielt man dabei die ganze Zeit – im Unterschied zum landläufigen Bild des Künstlers mit den vielen außermusikalischen Nebenberufen, der sich in immer größere Säle schrammelt, bis die Gage zum Leben reicht.
Es wirkt erfrischend, im Gespräch mit der jungen Künstlerin von Labels, Verlagen und Agenturen zu hören. Dabei schwindet das Vorurteil, das Business verderbe Musik und Charakter. Immer klarer wird, dass sich Kunst und Geschäft auch wechselseitig bedingen können. So wie dann und wann wirklich gute Musik erfolgreich wird. ,Die Band „lilly among clouds“ gibt ein Beispiel dafür.